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3. Berta mit dem großen Fuß

Ein König besuchte sein Land und begegnete einer schönen Jungfrau namens Berta, die er heiratete. Sie aber fand seine Handlungsweise etwas übereilt und beschloß, ihn erst noch auf die Probe zu stellen. Als Vertreterin schickte sie ihre zum Verwechseln ähnliche Base, die er als Gattin umarmte, ohne den Tausch zu bemerken. Um jedoch in seiner Nähe zu weilen, diente sie ihm als Magd. Die Base aber hatte zwei Brüder, denen Berta bald unbequem wurde, so daß ihre Entfernung beschlossen wurde. Bei einer gemeinsamen Waldwanderung ließ man sie unter einem glaubhaften Vorwande plötzlich allein in einer sehr gefährlichen, von wilden Tieren heimgesuchten Gegend, die an einen großen See grenzte.

Zum Glück begegnete ihr Lamberto, der Jäger des Königs, der sich ihrer annahm und sie wie seine eigene Tochter behandelte. Um eine angemessene Beschäftigung zu haben, mußte der »Vater« ihr zwei Kilo verschiedenfarbiger Seide und Goldsträhne besorgen. Davon stickte sie einen kunstvollen Bildteppich und schickte ihn auf den Jahrmarkt.

Unter 20 000 Lire war er aber nicht feil. Sie wünschte, daß der König ihre Arbeit sehen und kaufen sollte; weil sie die Geschichte seines Lebens darstellte. In seinem Auftrag erwarben die Brüder der Base das Kunstwerk.

Eines Tages erschien der König im Hause des Jägers und verliebte sich augenblicklich in das schöne Fräulein, das bei Tafel bediente. Er forderte sie auf, bei ihm zu bleiben, weil sie seiner Frau so auffallend gleiche. Nur der eine Fuß war größer als der andere. Das war der einzige Unterschied.

»Wirst du kommen?« fragte leise der König. – »Wenn mein Vater es erlaubt«, antwortete die Schöne lächelnd, denn weder der König noch der Jäger ahnten, daß sie ja schon längst die wirkliche Gemahlin des Königs war. Der König fragte Lamberto, und dieser wandte sich an Berta, von der er eine Abweisung erwartete. Aber sie erklärte sich bereit.

Am Morgen wollte der würdige Jäger sie wegen ihres Verhaltens fortjagen; aber der König, dem sie alles erzählt hatte, nahm sie mit in seinen Palast. Die schändliche Base jedoch und ihre Brüder wurden zum Galgen verurteilt.

Nach einem Jahre gebar Berta einen Sohn, der Carlo del Magno genannt wurde, weil er am Lago Magno geboren wurde.

» Berta del gran pie« ist nur ein kleines Bruchstück derselben » storia, livro sesto«, S. 185-233. – Vgl. auch Grimm, Anm. zur »Gänsemagd«, S. 158. Hinweis auf den karolingischen Mythus von Bertha, »Pipins verlobter Gemahlin, die durch ihre Dienerin verdrängt wird«. –


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