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Ein sterbender Vater hinterließ seinen drei Söhnen weiter nichts als eine Pfeife, einen Geldbeutel und eine Feder. Diese von ihren Besitzern geringgeschätzten Erbstücke wurden auf einen alten Glasschrank geworfen, wo sie lange unbeachtet liegenblieben. Und doch besaßen sie einen sehr hohen Wert: Blies einer die Pfeife, so liefen alle Soldaten des Königs herbei; öffnete man den Beutel, so fand man ihn stets mit Goldfüchsen gefüllt; und nahm jemand die Feder zur Hand, konnte er alle möglichen Dinge, Wertpapiere, Schuldscheine usw. dadurch erlangen.
Eines Tages machte sich der jüngste und klügste der Brüder zum Zeitvertreib damit zu schaffen und wurde bald ihre Zauberkraft gewahr. Kaum ließ er die Pfeife ertönen, so versammelten sich um ihn alle Krieger des Landes.
Der König, der sich verraten glaubte und ohne Soldaten machtlos fühlte, ließ den Pfeifer zu sich bitten und fragte ihn huldvoll, wie er das Wunder vollbracht hätte. »Ich habe mit diesem Pfeifchen gepfiffen«, lautete die unbefangene Antwort. »Laß mich das Ding doch einmal näher betrachten!« bat leutselig der König. Sobald er es aber in der Hand hielt, steckte er es, ohne sich dafür zu bedanken, in die Tasche. – Um es wieder zu erlangen, öffnete der Jüngling seinen Beutel, der mit Geldstücken gefüllt war, womit er nun die Pfeife dem König wieder abkaufen wollte. »Ei, was für ein feines Geldtäschchen du hast!« rief dieser schmunzelnd, »das möchte ich mir doch einmal genauer ansehen.« Und er nahm und behielt das wunderbare Täschchen; denn am Gelde fehlte es ihm ja immer am meisten.
Schließlich versuchte der Kleine die Kraft seiner Feder, die der freundliche Landesherr gleichfalls gut brauchen konnte und einsteckte.
Da ging der verdutzte Bursche, der nun gar nichts mehr hatte, weinend von dannen, und wußte sich keinen Rat, bis er nach einer langen, trostlosen Wanderung ermüdet unter zwei Feigenbäumen einschlief, obgleich ihm die Bäume, weil Winter war, weder Schatten noch Früchte zu spenden vermochten. Während er schlief, kamen zwei Feen vorüber. »Wollen wir ihn umkommen lassen?« meinte die eine. »Nein, wir wollen ihm helfen«, entgegnete gütig die andere. Darauf weckten sie ihn, und siehe, an beiden Bäumen hingen die herrlichsten Früchte, schwarze Feigen an dem einen, weiße am anderen. »Nimm diese Früchte, die jetzt sehr teuer sind!« sprachen die Feen. »Verkaufe sie im Palast des Königs! Jedem, der eine schwarze Feige ißt, wächst ein Horn auf der Stirn. Jede genossene weiße Feige läßt ein Horn wieder verschwinden. Merke dir das, und sei klug!«
Sogleich kehrte nun der Schlaukopf, der diesen Wink verstand, in den Palast des Königs zurück und rief: »Frische Feigen! Kauft Feigen! Schöne schwarze, frische Feigen!«
Die naschhafte und neugierige Zofe der Königstochter war die erste, die der Versuchung nicht widerstehen konnte, eine um diese Jahreszeit so seltene Frucht zu genießen. Sofort begannen alle Leute, die sie sahen, zu lachen und auf ihre Stirn zu zeigen; denn sie hatte, ohne es zu ahnen, ein Horn bekommen und erschrak nicht wenig, als sie es im Spiegel bemerkte. – Inzwischen hatten andere Damen und Herren vom Hofe, darunter auch die Prinzessin, die verführerischen Feigen gekostet und Hörner, einige sogar den ganzen Kopf voll, bekommen.
Das war nun ein gar lustiger Anblick, zu schauen, wie alle die gehörnten königlichen Würdenträger und Ehrendamen mit verzweifelten Gesichtern umherliefen und doch schadenfroh lächelten, wenn sie von anderen übertroffen wurden.
Da gab der Feigenverkäufer der Zofe, die ein Heilmittel wünschte, eine weiße Feige zu essen. Sogleich war ihr Horn verschwunden. Und alle verlangten jetzt weiße Feigen, besonders die Prinzessin. »Die sind aber für Geld nicht zu haben«, schmunzelte der Schlaue. »Was kosten die Feigen?« rief schließlich der König. »Ich bezahle, was du verlangst.«
»Dann fordere ich erst alles zurück, was man mir genommen: die Pfeife, den Geldbeutel und die Feder – und dazu Eure Tochter, Herr König, zur Frau!« Der König mußte wohl oder übel diese Forderung erfüllen, und nachdem alsdann der Genuß der weißen Feigen alle Hofhörner wieder entfernt hatte, heiratete der hübsche Junge die Königstochter und bestieg später mit ihr den Königsthron.
Ein ähnliches M. kenne ich nicht, nur zahlreiche Einzelmot., die der Leser selbst bemerken wird.