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Heinrich Bremer hatte seine Arbeiterzahl in diesem Frühjahr um das Dreifache vermehrt – die Firma Hurtig vermehrte die ihre um das Vierfache. Der Chef kam wieder selbst nach Morsum, und da Erasmine Broder Thiessen dem Pastor ihre schlechte wirtschaftliche Lage klagte, veranlaßte Eschels sie schließlich doch, Dr. Hurtig ihre beiden südlichen Vorderzimmer anzubieten. »Der ist doch nicht anders als ein Westerländer Badegast«, tröstete er sie, und dies Wort half ihnen über den schweren Entschluß hinweg, einen Fremden in ihr väterliches Haus aufzunehmen. Sie setzten ihre Preise den Westerländer Saisonpreisen gleich, und da Dr. Hurtig gutmütig genug war, jede ihrer Forderungen zu erfüllen und die frisch gewaschenen Gardinen nicht anzurauchen – er rauchte seiner kranken Lunge wegen überhaupt nicht –, so vertrugen sie sich nicht einmal schlecht. Baumeister Kurz aber, der sich über Winter eine junge Frau zugelegt hatte, bekam von Bremer den Rat, doch einmal bei Lütje Hansen anzufragen. Die Anfrage verlief befriedigend für beide Teile, und der Baumeister und Frau bewohnten nun die Zimmer Cäciliens, der entschwundenen Dorfhexe, ohne übrigens böse Folgen davon zu spüren.

Das Beispiel der Herren machte Schule: immer mehr von den jüngeren Angestellten, Bauführer, Schachtmeister, Werkführer, suchten und fanden jetzt im Dorf Unterkunft auch für ihre Familien. Zwei der Schachtmeister heirateten Morsumerinnen. Immer mehr junge Frauen tauchten plötzlich hier auf – übers Jahr würde es eine ganze Lämmerherde Dammbaukinder hier geben.

Es überstieg endlich die Zahl der gesamten Arbeiterschaft die der Dorfgemeinde selbst um mehr als das Doppelte. Die Morsumer fanden keine Zeit mehr, sich zu überlegen, ob sie die Arbeiter dulden wollten oder nicht. Die Arbeiter waren nun einmal da, in Massen, und die Morsumer mußten sich mit ihnen abfinden. Die Geschehnisse hatten all ihre Grundsätze über den Haufen gerannt. Aber die Arbeit selbst schützte das Dorf davor, daß die Arbeiter etwa die Oberhand gewonnen hätten. Es gingen für Bremer allein drei Schlepper mit zwanzig Schuten und etliche dreißig Segler unaufhörlich zwischen Husum und der Nösse hin und her. Er baute die Dammsohle, die Firma Hurtig den Oberteil des Dammes. Die Kolonnen arbeiteten oft auf geringem Raum nebeneinander. Sie sahen sich gegenseitig auf die Finger, jeder suchte den andern zu überflügeln. Es wurde in zweimal zwölf Stunden mit den Schichten abgewechselt, bei Fackelschein, mit Überstunden und Ausnutzung jeder Arbeitsminute. Nicht die hohen Löhne, nicht die Prämien allein trieben die Arbeiter voran auch in Sturm und Regen, auch bei hohen Wasserständen – war es Bremers heiße Unruhe, die sie trieb? War es der Wettbewerb der Firmen gegeneinander? Bei der Firma Hurtig arbeiteten ehrgeizige Werkführer mit ihren Kolonnen bis zu zwanzig Stunden am Tag ohne andere Unterbrechung als ein hastig heruntergeschlucktes Mittagessen. Die Arbeiter selbst gönnten sich kaum eine Pause – aber es kamen auch viele Unfälle jetzt vor; Dr. Meusel und Pastor Eschels bekamen beide viel zu tun.


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