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Herzogin Dorothea von Kurland
Am 21. Juni 1785 wurden Schloß und Park von Friedrichsfelde für den Herzog von Kurland gekauft; er selbst befand sich um diese Zeit noch in Italien, wohin er das Jahr zuvor eine Reise angetreten hatte. Im Herbst 1785 aber traf er in Begleitung seiner Gemahlin, der vielgefeierten Herzogin Dorothea, gebornen Reichsgräfin von Medem, wieder in Berlin ein und bezog auch Friedrichsfelde. Daran reihte sich 1786 ein zweiter, 1791 und 1793 ein dritter und vierter Aufenthalt, von denen jedoch nur der letztere durch eine längere Zeit hin dauerte. Fast ein Jahr. Die anderen Anwesenheiten waren bloße Besuche und zählten nur nach Wochen.
Wir betonen dies, weil man mannigfach der Ansicht begegnet, Friedrichsfelde sei während seiner »kurländischen Epoche« abermals eine Stätte der Kunst, ein Sammelplatz schöngeistigen Lebens geworden, etwa wie zur Zeit des Markgrafen Karl. Um das zu werden, dazu fehlte jedoch 1785, 86 und 91 die Zeit und von 1793 bis 1794 die Stimmung.
Ein Blick in die damals geschriebenen Tagebücher und Briefe zeigt uns in der Tat genugsam, daß es sich all die Zeit über um high-life und politisch-diplomatische Aktionen und jedenfalls viel viel weniger um Kunst und Wissenschaft gehandelt hat. Nicht als ob der Sinn dafür gefehlt hätte. Im Gegenteil. Aber die Zeiten waren durchaus nicht dazu angetan, sich einer mußevollen Kunstbetrachtung hinzugeben. Man suchte dem heimischen Wirrsal zu entfliehen und entfloh ihm zuletzt wirklich, aber dies Wirrsal drängte nach und gestattete keine reine Freude, keinen ungestörten Genuß. Überallhin warf es seine Schatten. Einige Stellen aus dem Tiedgeschen Buche »Dorothea, letzte Herzogin von Kurland«, dem selbst wieder jene vorerwähnten Tagebücher und Briefe zugrunde liegen, werden am besten die Beweisführung übernehmen. Wir lassen die Stellen in chronologischer Ordnung folgen.
»1785. Es waren des großen Friedrich letzte Tage. Die sanfte fürstliche Frau hatte den Beifall des Königs gewonnen; er sandte ihr wiederholentlich niedliche Körbchen, mit den feinsten und seltensten Früchten gefüllt, mit den erlesensten Blumen geschmückt und jedesmal von einigen freundlichen Zeilen begleitet. Bei Gelegenheit der ersten dieser Sendungen beklagt er sich, daß seine Krankheit ihn des Vergnügens beraube, sie selbst zu bewirten; er müsse es seinem Neffen überlassen, ihren und ihres Gemahls Aufenthalt in Potsdam und Berlin so angenehm als möglich zu machen... Im Herbst fanden Truppenversammlungen statt, Paraden und kriegerische Übungen zu Ehren des Fürstenpaares... Auch von den übrigen Höfen der königlichen Familie (Prinz Heinrich, Prinz Ferdinand) wurde dem Herzog und seiner Gemahlin ein Empfang zuteil, der sich zu einer herzlichen Verbindung entwickelte. Mit der Prinzessin Luise, der Tochter des Prinzen Ferdinand, knüpfte die Herzogin eine Freundschaft an, die sich in einem ununterbrochenen Briefwechsel durch das ganze Leben fortsetzte.
1786. Im Herbste, nach beinah halbjähriger Abwesenheit, trafen der Herzog und seine Gemahlin wieder in Friedrichsfelde ein. Der große König war inzwischen gestorben. Friedrich Wilhelm II. erwies dem herzoglichen Paare eine besondere Auszeichnung, so daß allgemein die Sage ging, es seien bereits Verabredungen für die künftige Vermählung der Töchter des Herzogs mit den Prinzen des königlichen Hauses getroffen. Diese Tage waren kurz, schon im Dezember trat die Herzogin ihre Rückreise nach Kurland an.
1791. Während ihres Aufenthaltes in Warschau (wohin sie sich im April begeben) erhielt sie von der preußischen Prinzessin Friederike eine schmeichelhafte Einladung zur Vermählung ebendieser Prinzessin mit dem Herzoge von York wie auch zu der ihrer Schwester mit dem ältesten Prinzen des Erbstatthalters in Holland, welche beide Vermählungen im September gleichzeitig in Berlin vollzogen werden sollten. Sie nahm die Einladung an... Der Empfang von seiten der königlichen Familie war ein auszeichnender... Bei der Anordnung der Vermählungsfeierlichkeiten befahl der König, daß der Herzogin ihr Platz an der Tafel der königlichen Familie angewiesen werden solle. Der Oberkammerherr remonstrierte, die ›Hausgesetze würden es nicht zulassen, die Herzogin von Kurland bei einer so feierlichen Gelegenheit an die königliche Familientafel zu ziehen und an dem Fackeltanze teilnehmen zu lassen‹. Friedrich Wilhelm antwortete: ›Lassen wir es bei der ersten Anordnung; ich hoffe es beim Könige und bei den Hausgesetzen verantworten zu können.‹... Bei Gelegenheit dieser Feierlichkeiten gab auch die Erbstatthalterin ihrem lebhaften Wunsche Ausdruck, ihren zweiten Prinzen mit der ältesten Tochter der Herzogin, der Prinzessin Wilhelmine, die damals zehn Jahre alt war, dereinst vermählt zu sehen. Der König unterstützte diesen Wunsch und bot sogar seine Verwendung an, um, wenn der Herzog ohne männliche Nachkommen sterben sollte, die Erbfolge in Kurland und Semgallen für den künftigen Gemahl der Prinzessin zu vermitteln... Dieser Plan wurde geraume Zeit hindurch festgehalten... Vierzehn Tage nach Vollziehung der vorerwähnten Vermählungsfeierlichkeiten verließ die Herzogin Berlin (es ist fraglich, ob sie während dieser Besuchstage überhaupt in Friedrichsfelde war) und kehrte über Warschau nach Kurland zurück.
1793. Im April dieses Jahres trat die Herzogin ihre Reise nach Berlin an; die Dinge in Kurland hatten bereits einen solchen Charakter angenommen, daß es gut war, einen Zufluchtsort zu haben.... In stiller Zurückgezogenheit lebte sie in Friedrichsfelde, wo sie den 21. August 1793 ihren Gemahl mit einer Tochter beschenkte, die den Namen Dorothea erhielt.... Diese zu Friedrichsfelde geborene Tochter Dorothea war die nachmalige Herzogin von Sagan, vermählt mit Edmund Talleyrand von Périgord, Herzog von Talleyrand und von Dino, durch welche Vermählung sie die Nichte des berühmten Talleyrand wurde. Sie starb am 19. September 1862.
In Kurland rückte inzwischen das Ende der herzoglichen Herrschaft immer näher.
Die Herzogin verblieb in Berlin und Friedrichsfelde bis in das nächste Jahr hinein; dann ging sie nach Leipzig, wo sie sich noch stiller einrichtete als in Berlin, 1795 nach Sagan, an welchem Orte sie mit ihrem Gemahl zusammentraf... Kurland war inzwischen eine russische Provinz geworden; der Herzog hatte resigniert.«
So etwa die Aufzeichnungen, die wir, wie vorerwähnt, zu größerem Teile dem Tiedgeschen Buche, zu kleinerem Teile dem Werke Cruses, »Kurland unter den Herzögen«, entnommen haben. Nirgends ist davon die Rede, daß in Friedrichsfelde ein besonderes Kunstleben sich aufgetan hätte, ein Schweigen, das um so bemerkenswerter ist, als der alte Tiedge gerade diese Seite in dem Leben der Herzogin mit besonderer Vorliebe hervorhebt und jedesmal genau verzeichnet, wenn in Königsberg mit Kant, Hamann, Hippel, in Neapel mit Hackert, in Herrenhut mit dem alten Spangenberg etc. ein lebhafterer Verkehr angeknüpft wurde. Man darf füglich daraus den Schluß ziehen, daß das Friedrichsfelder Leben, während seiner kurländischen Zeit, wenig Hervorragendes auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft geboten haben muß und daß es sich, wie wir eingangs bereits andeuteten, bei den verschiedenen Anwesenheiten in Berlin-Friedrichsfelde sehr wahrscheinlich immer nur um Prinzen und Prinzessinnen, um »Gesellschaft« und Politik, um Eheschließungen und Güterkäufe handelte. Gewiß ging ein Verkehr mit den literarischen Größen jener Zeit (Nicolai, Ramler, Engel, Mendelssohn werden eigens genannt) nebenher, aber doch eben nur nebenher. Unter diesen Besuchern werden natürlich auch Maler gewesen sein, und das eine oder andere Bild, ganz abgesehen von den Kunstschätzen, die man aus Italien mitbrachte, wird damals seine Stätte in Friedrichsfelde gefunden haben. Eins, aus jener Zeit her, ist dem Schlosse verblieben, ein Aquarellbild »Vue de Friedrichsfelde« mit den Widmungsworten: »Dédié à Son Altesse, sérénissime madame la duchesse de Curlande et de Semigalles«. Das Bild ist aus dem Jahre 1787 (Schwarz fecit) und zeigt das Schloß in seiner damaligen, von der gegenwärtigen nur wenig verschiedenen Gestalt. Geistig hoch beanlagt, konnte namentlich die Herzogin auf einen Umgang, der ihrer ästhetischen Natur Bedürfnis war, nie ganz verzichten, aber es scheint nach den Zitaten, die wir gegeben, festzustehen, daß der ohnehin immer nur nach Monaten zählende Friedrichsfelder Aufenthalt von dieser Seite her nicht seinen Charakter und seine Signatur empfing.