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Am 22. Februar 1815 verließ der sächsische Hof Friedrichsfelde; ein Jahr später gingen Schloß und Gut in den Besitz von Karl Sigismund von Treskow über. Eine ganz neue Zeit brach jetzt für Friedrichsfelde an: aus dem Lustschloß, das es bis dahin gewesen war, wurd ein Gut. Es handelte sich nicht mehr um ein Dolcefarniente, das hier ein Jahrhundert lang seine Stätte gehabt hatte, sondern um Arbeit, nicht mehr um Zurückgezogenheit und Stille, sondern um Heraustreten, um Verkehr und Konkurrenz. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, insonderheit unter dem gegenwärtigen Besitzer (Karl von Treskow), wuchs die Kompliziertheit der Aufgabe. Beständige Meliorationen, auch Ankäufe, steigerten den Wert, was aber vor allem das Gut auf seine jetzige Höhe hob, das war die Erkenntnis, daß mit Rücksicht einerseits auf die Bedürfnisse der Hauptstadt, andererseits auf die Betriebserleichterungen, die dieselbe gewährt, eine ganz aparte Art der Wirtschaftsführung eingeleitet werden müsse. Hier galt es nicht Lehrbücher zu befragen und Regeln zu befolgen, sondern der beständig wechselnden Situation ein neues System immer neu anzupassen. In irgendwelche Details an dieser Stelle einzugehen würde weit über unsere Aufgabe hinausführen, daher nur soviel, daß Milchwirtschaft und Gartenkulturen mehr und mehr die frühere Felderbestellung zurückdrängten. Der Sieg des Spargelbeets über das Roggen- und Kartoffelfeld!
So haben Eifer, Wissen, Intelligenz aus dem Sommerhause Raules einen großen und noch mehr einen wertvollen Besitz geschaffen; aus dem Zehrer ist ein Nährer geworden, aus der Drohne die Biene.
Aber diese Umwandelung hat sich vollzogen, ohne dem Friedrichsfelder Schloß, das so vieles Sterben und Geborenwerden sah, das Geringste von seinem historischen Zauber zu nehmen. Dieselbe Sorglichkeit und Pflege, die draußen waltete, zeigte sich auch drinnen; auf den Feldern erneuerte sie praktisch, im Hause konservierte sie pietätvoll; nichts ist verlorengegangen von dem geschichtlichen Material, in dessen Besitz der gegenwärtige Besitzer eintrat. Das eichengeschnitzte Treppengeländer, der Stucksaal, den Markgraf Karl baute, die Büsten und Bilder, von denen beinahe jeder der Vorbesitzer ein einzelnes, wie ein Erinnerungsstück, zurückgelassen hat – sie befinden sich an altem Platz, und nur erweitert und hinzugefügt wurde vielfach.
Unter diesen Hinzufügungen nennen wir in erster Reihe fünf Arbeiten Schinkels, von denen drei seiner allerfrühsten Epoche, zwei mutmaßlich dem Jahre 1814 angehören. Es sind die folgenden:
Schloß Owinsk (Architekturbild, in Tuschfarben ausgeführt),
Schloß Owinsk, von der Tiefe aus gesehen,
Schloß Owinsk, von der Höhe aus gesehen,
ein See in Tirol, von hohen Bergen umgeben, ein Fischzug im Vordergrund (Morgenbeleuchtung),
ein See, von hohen Gebirgen umgeben, Gondeln im Vordergrund (Abendbeleuchtung). Von keinem dieser fünf Bilder, mit Ausnahme des Architekturbildes, läßt sich behaupten, daß es nachweisbar von Schinkel herrühre; doch ist es von allen in hohem Maße wahrscheinlich. Schinkel war bei Aufführung des Schlosses Owinsk, Provinz Posen, als Bauführer tätig. Es war dies 1801. Die Vereinigung von Architekt und Landschaftsmaler, die sonst in hundert Fällen kaum einmal vorkommt war eben bei Schinkel charakteristisch, und es ist nicht anzunehmen, daß sich damals – und noch dazu in Owinsk – ein anderer Architekt an seiner Seite befunden habe, der dies alles auch vermocht hätte. – Was die beiden andern Bilder (Gebirgsseen, Morgen- und Abendbeleuchtung, Pendants) angeht so stellen sie genau dasselbe dar wie die betreffenden beiden Bilder auf der Wagnerschen Galerie, die die Bezeichnung tragen: » nach Schinkelschen Originalen von Ahlborn 1823 kopiert«. Die Frage entsteht, sind nun diese beiden Friedrichsfelder die Originale? Wolzogen in seinem »Leben Schinkels« schreibt: »Der Besitzer des einen Bildes (Abendbeleuchtung) ist Banquier Brose, der Besitzer des andern (Morgenbeleuchtung) unbekannt.« Das eine Bild scheint also die Annahme zu rechtfertigen, das andere sie zu verbieten. Eine Entscheidung in dieser Frage, die ohne exakte technische Kenntnis nicht zu geben ist, liegt außerhalb unserer Kraft; wir geben deshalb einfach die Tatsache, daß sich zwei solche Bilder in Friedrichsfelde befinden, und überlassen andern den Beweis der Echtheit oder – des Gegenteils.
Das letztgenannte Bild zählt zu Schinkels gelungensten Arbeiten. In der Mitte – wir erweitern die kurze Beschreibung, die wir eben gegeben – eine Insel mit einem weitläufigen Schloß; eine Bogenbrücke führt zu dem zunächstliegenden Felsenufer hinüber. Rechts ein ländliches Fest. Der See ist mit Barken erfüllt, denen Musikchöre folgen. Eine rote Abendbeleuchtung liegt auf dem See.
Ein stimmungsreiches Bild! Aber das Bild, das sich eben jetzt, von der Gartentüre des Schlosses eingerahmt, vor unseren Blicken auftut, tut es ihm gleich. Eine Parkwiese voll blühender Linden, zwischen den Kronen ein Streifen blauer Himmel und an dem Himmelsstreifen ein Volk weißer Tauben, das, die letzten Sonnenstrahlen einsaugend, sich oben in den Lüften wiegt.
Die nahe Hauptstadt samt ihrem Lärm, wir empfinden sie wie hundert Meilen weit. Hier ist Friede!