Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An Doris.

            Von allen den Tyrannen frei,
Die mich bisher gefesselt hatten,
Vertieft in süße Schwärmerei,
Lag ich gestreckt in kühlem Schatten:

Was, Thörichter, sprach ich mit mir,
Du, der Betrogne, du willst lieben?
Ist Margaris, ist Chloe dir,
Ist Laura dir getreu geblieben?

Und was ist Schönheit? Ist sie mehr,
Als Roth und Weiß? Und was ist Jugend?
Verlangst du ihre Wiederkehr? –
Nein, Götter, ich verlange Tugend!

Auf Weisheit richt' ich meinen Geiz!
Was ist bei Liebe zu gewinnen? – –
Verachtet hätt' ich allen Reiz
Der Fräulein und der Schäferinnen;

Der Menschen Stolzester war ich:
Mich soll Clarisse nicht besiegen,
Nicht Fanny! – Venus hörte mich;
Den, dachte sie, will ich wohl kriegen!

Sie ließ mich dich, o Doris, seh'n;
Und aller Vorsatz lag darnieder;
Mir war die Schönheit wieder schön,
Und alle Mädchen liebt' ich wieder!

 


 


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