Du fürchtest keine Macht der Wellen,
Weil noch um dich kein Wetter braust;
O Kind, er weiß sich zu verstellen,
Der Amor, dem du dich vertraust!

Nicht immer kommt er kühn geflogen
Und sagt: »Ihr Kinder, hier bin ich!«
Er trägt nicht immer seinen Bogen
Und Pfeil und Köcher öffentlich!

Er spielt, der Schlaue, oft Verstecken
In einer Lock', in einem Haar,
Im Garten hinter dichten Hecken,
Im Tempel hinter dem Altar.

In meinen frohen Kinderjahren, –
Ich sag's, ich Schwester, dir mit Fleiß, –
Hab' ich's, ich hab' es selbst erfahren,
Wie er sich zu verstellen weiß!

Den Daphnis, nie von mir gesehen,
Sah ich, er sahe kaum nach mir;
Ich ging allein, er sah mich gehen,
Gleich Unbekannten gingen wir;

Ein ander Mal sah ich ihn kommen,
Ich ging den Weg, den Daphnis ging;
Bald hätt' ich's übel ihm genommen,
Daß er so höflich mich empfing!

Bedeutend sagt' ich ihm: Ich bliebe
Nicht lange, – lange blieben wir;
Kein Schmeicheln und kein Wörtchen Liebe,
Kein einzig Blümchen gab er mir!

Er sang ein Liedchen von den Freuden
Der sich verjüngenden Natur;
Er sang's so sittsam, so bescheiden,
Wie nur die Veilchen meiner Flur.

Dem Zaubrer aber zuzuhören,
Ward doch gefährlich für mein Herz;
Er schien nur Weisheit mich zu lehren
Und lehrte mich der Liebe Scherz!

Einst malt' er mir den Rausch, die Schwächen
Der Liebenden; mit Herzenslust
Hört' ich von Amor Böses sprechen,
Und schon hatt' ich ihn in der Brust!

Wer kann ihm seine Macht bestimmen,
Er siegt mit Weisheit, Scherz und Spott;
Mit tausend Listen, tausend Krümmen
Verführt er uns, der böse Gott!

Und wenn dein Schutz Minerva wäre,
Dein Mast und Segel Zephyrs Spiel,
Du schiffst auf einem falschen Meere,
Belinde, traue nicht zu viel!