Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Lied nach der Schlacht bey Collin den 18ten Junius 1757

Zurück, rief Vater Friederich,
    Zurück, rief er, zurück!
Nachdenkend dacht er schon bey sich:
    Gott giebt dem Feinde Glück.

Wir aber stürmten noch das Nest,
    Wir wollen noch hinan!
Wir kletterten, wir hielten fest
    Uns aneinander an.

Und sagten dem, der oben stand:
    Wie kommen wir herauf?
Und schlugen tapfer Hand in Hand,
    Und halfen uns hinauf.

Da stürtzte von Kartetschensaat
    Getroffen, eine Schaar
Von Helden, ohne Heldenthat,
    Die halb schon oben war!

Das sahe Friedrich. Himmel! Ach!
    Wie blutete Sein Herz!
Wie stand, bey mitleidsvollem Ach,
    Sein Auge Himmelwärts!

Was für sanftmüthge Blicke gab
    Sein Heldenangesicht!
Laßt, rief er, Kinder, laßt doch ab!
    Mit uns ist Gott heut nicht.

Da liessen wir den blöden Feind
    In seinem Felsennest.
Nun jubelt er; o Menschenfreund!
    Nun hat er Siegesfest.

Wie kann er aber? Brüder, sagt!
    Er kann ja nicht, fürwahr!
Denn haben wir ihn nicht gejagt,
    So weit zu jagen war?

Wir stritten, nicht mit Roß und Mann,
    Mit Felsen stritten wir.
Hier, Heldenbrüder, bind er an,
    Hier, Brüder, sieg er! hier!

Du Feind! herab in grünes Feld,
    Und weise freye Brust,
Und streit und sieg und stirb ein Held!
    Hier ist zu sterben Lust!

Allein der blöde wagt sich nicht,
    Wir mögen lange stehn
Und auf ihn warten. Friedrich spricht:
    Geht Kinder! Laßt uns gehn.

 


 


 << zurück weiter >>