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Das Bannen

ist eine der ungereimtesten und albernsten Künste. Man will durch Zeichen, die man in die Luft hinmacht, und durch Aussprechung gewisser Worte einen Menschen dergestalt festmachen, daß er von einem Ort nicht wegkommen, sondern unbeweglich stehen bleiben muß. Auf solche Weise will man Diebe festmachen, daß sie nicht von der Stelle können; Vögel, daß sie nicht davon fliegen; wilde Thiere, daß sie nicht davon laufen. Aber wenn der Dieb auf der Flucht ist; und ohne es zu wollen, auf einmal unbeweglich still stehen soll, so muß dazu nothwendig eine Kraft außer ihm wirken; es muß eine Hand oder etwas anders da seyn, das ihn festhält. Wer das Bannen versteht, glaubt man, kann alle Glieder des Diebes, die zur Bewegung erfodert werden, unwirksam machen, sie lähmen, und ihn wieder davon befreien, wenn er erhascht ist. Wie lächerlich würde es aber seyn, zu denken, daß dieß durch bloße Zeichen und Hermurmeln gewisser Worte geschehen könne? Das gilt auch von dem Bannen der Vögel, oder wilden Thiere im Walde. Was einige Jäger davon sagen, ist Grossprecherei, wodurch sie sich ein gewisses Ansehen geben, oder bei andern fürchterlicher machen wollen. Wenn sie es aber selbst glauben, verdienen sie verlacht zu werden, wenn sie in der Probe nicht bestehen, die man darüber mit ihnen anstellt.

Eben die Bewandniß hat es mit der sogenannten Passauer Kunst, welche wie man glaubt, darinn besteht, daß jemand sich vor Hieb und Schuß festmachen könne, so daß Kugel und Säbel von ihm abprallen. Der Henker in Passau (sie hat daher ihren Namen) schuf das feige Heer, das 1611 um Passau lag, zu muthigen Kriegern um, indem er den Soldaten papierne Zettel eines Thalers groß, die mit einem messingnen Stempel gedruckt, und mit wunderlichen Zeichen und nichtsbedeutenden, unbekannten Wörtern bezeichnet waren, zu verschlingen gab, wodurch sie seiner Sage nach so fest gemacht werden sollte, daß keine Kugel sie tödten, kein Schwerdt sie verwunden könnte. Sie brachte ihm, wie man leicht begreifen kann, viel Geld ein. Die Officiers, die es wohl einsahen, daß es Betrug sey, ließen es geschehen, weil dadurch die Soldaten muthiger, und der Sieg gewisser wurde. Die in der Schlacht getödteten konnten sich nicht beklagen; und die beym Leben gebliebenen, schrieben ihre Erhaltung der Kunst des Henkers zu. Die Sage vom Festmachen ist ohnfehlbar daher entstanden, daß mancher General, wenn er seine Soldaten an den Feind führte, für rathsam fand, ihnen ein Herz zu machen, und vorzugeben, er könne mit seinem Commandostab alle Kugeln abweisen. Er selbst hatte vielleicht ein Panzerhemd unter dem Rock; (welches aus ganz starkem Eisendrath, kettenartig geflochten ist) und bewies, indem er etwa aus einem schwachgeladenen Gewehr eine Kugel auf sich schießen ließ, daß seine Kunst probat sey. Man hat ein Beispiel, daß jemand aus geladenen Gewehren durch seine Jäger heimlich die Kugeln ausziehen, dann aus denselben auf sich feuern ließ, aus der Tasche unvermerkt Kugeln holte und vorzeigte, als hätte er sie aufgefangen, und dadurch andern begreiflich machte, ihm könne keine Kugel schaden; Wer aber nach ihm hinschieße, der tödte sich selbst. Er wurde als ein Hexenmeister angesehen und gefürchtet; Denn das war seine Absicht. Es giebt Leute, die dieß für eine natürliche Kunst ausgeben, und sich zu dem Ende auf die Gemsen, Hirsche und andre Thiere berufen, die wenn sie von gewissen Kräutern und Früchten gefressen, auf zwei oder drei Tage fest wären, und durch keinen Büchsenschuß verletzt werden könnten; Und andre, die da glaubten, daß derjenige Schuß frei sey, der eine Gemsenkugel bei sich trägt. Durch den Genuß eines Krauts, oder einer bei sich tragenden Kugel müßte der menschliche Körper so hart wie Eisen werden, wobei er doch unmöglich leben könnte, weil in unserm Körper, der aus so vielen flüssigen und fleischigten Theilen besteht, der Umlauf des Geblüts nothwendig ist. Man würde denn auch die in demselben durch jene Kräuter oder Kugel vorgehende Veränderung bemerken müssen, welches doch keiner sagen wird, wenn er auch zehn in Gemsen gefundene Kugeln bei sich trüge.

Diejenigen, von denen man erzählt, daß sie mit sich die Probe haben machen, und aus einer Flinte eine Kugel auf sich ohne Verletzung abschießen lassen, haben die Zuschauer durch ein Kunststück getäuscht. Man verfertigt nemlich Kugeln von dünnem Glas, und füllt sie mit Quecksilber an. Sie haben eben das Ansehen und die Schwere als eine Bleikugel, und man kann sie nicht leicht davon unterscheiden. Wenn man nun eine solche Kugel in die Flinte ladet, so wird sie mit dem Ladestock zerstoßen, und kann daher keine Wirkung thun. Einige Taschenspieler gebrauchen zu dem Ende eine Pistole, in welche sie noch einen Lauf von dünnem Metall stecken können. Den eigentlichen Lauf laden sie vorher mit Pulver, stecken dann den dünnen Lauf hinein, lassen nun die Pistole von einem der Zuschauer selbst mit Kugel und Pulver scharf laden, machen dann allerhand Gaukeleien, ziehen unvermerkt den dünnen Lauf zu sammt dem Schuß heraus, und lassen Feuer auf sich geben. Wer das nicht weiß, staunt den Taschenspieler an, der dadurch in seinen Augen fast ehrwürdig scheint, und wird in der Meinung bestärkt, daß man sich doch fest machen könne. Der 91ste Psalm vor einer Schlacht gesprochen, soll die Kugeln entfernen, und die Hiebe entkräften: Die tägliche Hersagung des 109ten Psalms aber einen Feind tödten. Welcher Unsinn dies zu glauben.

Nicht weniger abgeschmackt ist der Wahn, die Flinten zu besprechen, daß sie nicht losgehen sollen. Wenn einer, der im Walde oder auf einem Felde sich befindet, einen Schuß hört, und denn unter Benennung gewisser Worte, einen Strauch in einen Knoten bindet; so soll der Schütze seine Flinte nicht eher wieder abschießen können, als bis entweder der Knote selbst aufgegangen, oder von einem andern aufgelöset worden. Wenn das Schießpulver auf der Pfanne gut und recht trocken, und überhaupt das Gewehr in gutem Stande ist, so wird es gewiß losgehen, wenn auch tausend Knoten geschürzt würden, und tausend Banner sie besprochen hätten.

Ehedem und noch jetzt glauben viele, daß es Menschen gebe, die sich nach Gefallen verwandeln, eine andre Gestalt annehmen, und dann wieder in der menschlichen erscheinen können. Aber welche Thorheit würde es seyn, wenn man glauben wollte, daß es Menschen gebe, oder wenigstens gegeben habe, die von dem Satan das Vermögen empfangen hätten, sich in Hasen, Katzen, Hunde, Pferde u.d.gl. zu verwandeln. Ohne Zweifel entstand diese Meinung aus Misverstand der Fabeln der alten Weisen, bei welchen die Verwandlung der Menschen in Thiere eine bildliche Vorstellung war, wodurch sie zu erkennen geben wollten, daß die Laster den Menschen in Thiere und Ungeheuer verwandelten: Und diese Verwandlung findet noch jetzt statt: Denn wenn die Menschen die Neigungen der Thiere annehmen, so werden sie ihnen dadurch ähnlich, werden durch Zorn in Löwen, durch Gefräßigkeit in Wölfe, durch neidische Kargheit in Hunde, durch Wildheit in Stiere x. gleichsam verwandelt. Vornehmlich hat man geglaubt, das die Menschen sich in


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