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Es ist etwas sehr gewöhnliches, daß ein Kind, sobald es krank wird, sogleich beschrieen seyn muß; oder daß es das Herzgespann, daß es sich wehe gethan oder verbrochen hat; und was dergleichen abergläubisches Zeug mehr ist. Die Frau Nachbarinn, die Frau Gevatter und andere gute Freunde, eilen herbey und rathen dies und jenes. Wenn sie nun insgesamt einstimmig sind, daß das Kind beschrieen sey; so werden alle dafür angepriesene Mittel der Reihe nach durchgebraucht. Da geschieht es nun freylich gar oft, daß keins von allen beliebten Mitteln hilft, und das Kind wohl gar stirbt. Nun wird sehr weislich gesagt: das Kind war auf den Tod beschrieen, darum schlug kein Mittel dagegen an; – schön, damit ja die Possen immer im guten Ansehen verbleiben. Hätte man der Ursache nachgespürt, warum das Kind krank geworden, so hätte man es gar wohl durch natürliche Mittel heilen und dem Tode entreissen können.
Das Beschreien selbst, soll darinnen bestehen: wenn ein Kind ins Freye getragen wird, und ein altes Weib, der man, Gott weiß warum, nichts Gutes zutraut, ihm begegnet, mit der Anrede: »ein liebes schönen Kind«! aber das »Gott behüts«! weglasse, so werde das Kind krank und sterbe, wenn das Beschreien nicht abgenommen oder dafür gethan wird. Zum Trost aller Eltern, giebt es auch wieder andere alte Weiber, die, wenn sie glauben, daß ein Kind von einer ihres gleichen durch einen Lobspruch beschrieen worden sey, zu solchen sagen: »Gott wolle uns und das Gelobte für allen Unfällen gnädiglich behüten.« Sind dergleichen abgeschmackte Possen nicht der Ehre Gottes zuwider? Wie kann ein Mensch, wenn er nicht seine Vernunft gänzlich verläugnen und sich selbst zu einem Tollhäusler herunter würdigen will, solchem unsinnigen Zeug Glauben beymessen?
An vielen Orten wird den Weibern, zur Zeit ihrer Reinigung zur Last gelegt, daß sie Beschreien könnten, und daß überhaupt um diese Zeit, das ganze weibliche Geschlecht großes Vermögen habe Schaden zu thun. Wie übel sind nicht die armen Weiber dran, wenn sie von der Natur gleichsam gezwungen werden, Schaden zuzufügen! – Pfui! Schande für diejenigen, welche ihre Pflichten, die sie Gott und der Menschheit schuldig sind, so ganz vergessen, und ihre Nebenmenschen auf solche Art verdächtig machen und in übeln Ruf bringen. – Als ein Hauptzeichen, daß das Kind beschrieen sey, wird dessen beständiges Schreien angesehen. Dieses Schreien hat gewiß seine Ursachen, die aber eben so natürlich als einleuchtend sind. Leibreissen ist eine gewöhnlichsten Ursachen, welches von sauer oder zu Käse gewordener Milch, oder von andern Unreinigkeiten im Magen und den Gedärmen, desgleichen von nicht ausgeführtem Kindspech entstehet. Letzteres ist der Unrath, welchen Kinder mit auf die Welt bringen, der aber allezeit abgeführt werden muß, wenn er nicht die heftigsten Zufälle erregen soll. Wendet man nun solche Mittel an, die die Ursache aus dem Wege räumen, so wird das Kind bald wieder ruhig; und man würde manches beim Leben erhalten, wenn man in Zeiten einen vernünftigen Arzt zu Rathe zöge. – Eltern ermorden ihre Kinder vorsetzlich, wenn sie gegen die Unpäßlichkeiten die diese befallen, abergläubische und unnatürliche Mittel gebrauchen. –
Das Wehethun und Herzgespann sind gemeiniglich von einerley Bedeutung. Heute hat sich ein Kind oder ein Erwachsener wehe gethan, und morgen haben sie das Herzgespann. Als ein wahres Kennzeichen nimmt man eine gespannte und aufgeblähte Herzgrube an, welche sich bis in die Seiten erstreckt. Kinder werden dabey unruhig, welches der Druck auf die Herzgrube und in den Seiten vermehrt, so daß sie anfangen zu schreien. Bey solchen Umständen wird sogleich auf das Herzgespann oder Wehthun, zum großen Nachtheil des kleinen Kranken gedacht. Man schickt zu einer Frau, die im Rufe steht solches vertreiben zu können. Sie kommt, und es wird mit dem armen Kinde eine Execution vorgenommen, welche man kunstmäßig das Herzgespannbüßen nennet, und die so barbarisch ist, daß oft die armen Kinder, von dem vielen zerren, streichen und drücken elend, kränker, und dem Tode nahe gebracht werden. Wenn erwachsene Personen sich einer solchen zwecklosen Kur unterwerfen, so ist es höchst lächerlich, und es geschieht ihnen recht, wenn sie für ihre Albernheit durchs kränker werden büßen müssen. Wie können alberne Possen und Grimassen Krankheiten oder Zufälle heben, die von Unreinigkeiten in den Gedärmen, von verschlagenen Winden, oder andern Ursachen entstehen, und durch abführende, säuremildernde, oder andere dem Umstand angemessene Mittel gehoben werden müssen.
Dieses sind einige der gewöhnlichsten Arten, durch Begünstigung des Aberglaubens, Krankheiten heilen zu wollen. Es giebt aber noch eine ungeheure Anzahl über diese, davon ich nur noch einige kurz anführen und beissend rügen will; weil es dann genug seyn kann, solchen Menschen, die aus Unwissenheit und blinden Zutrauen diesen Mitteln anhangen, etwas Licht zu geben, damit sie in Zukunft mit mehrerem Vertrauen zur Arzneykunst ihre Gesundheit und ihr Leben sicher stellen mögen.
Hast du einen Kropf, sagt der , der hieran glaubt; so stelle dich mit dem Gesicht gegen den Mond, nimm einen Stein, der vor dir liegt, bestreiche damit den Kropf dreimal, und wirf ihn hinter dich; thue dies bei drei zunehmenden Monden nach einander! Was wird geschehn? Der Mond bleibt am Himmel, und der Kropf – am Halse. Schneidest oder stichst du dich; so schmiere die Nadel oder das Messer mit Fett, verbinde es mit einem Läpchen, und lege es an einen temperierten (weder zu kalten noch zu warmen) Ort; die Wunde verbinde mit einem troknen Lappen; so heilt sie von selbst zu; – wenn du sie sonst reinlich hältst. Wenn du Warzen hast, nimm einen Faden, umwickle sie damit, und wirf ihn unter eine Dachrinne. Wenn der Faden verfault; so gehen auch die Warzen weg. Oder geh des Morgens früh, wenn es geregnet hat stillschweigend auf den Gottesacker, wasche dich mit dem Wasser, das auf dem Leichstein stehen geblieben ist; geh so stillschweigend wieder zurück, dann vergehen sie. Oder nimm ein Hölzchen, und schneid so viel Kerben hinein, als du Warzen hast; wirf es heimlich dem Klingelmann in den Korb! – Was ists nun? Er hat das Holz – und du – die Warzen. Wenn dich ein Hund gebissen hat, so sieh, daß du Haare von ihm bekommst, lege sie darauf, dann wird die Wunde heilen – wenn du ordentlich damit verfährst. Wenn dir die Nase blutet, so laß das Blut in eine auf Kohlen gesetzte Eierschale, oder auf ein aus Strohhalmen gelegtes Kreuz laufen; dann hört es auf – wenn es genug geblutet hat. Wenn dir jemand ein Messer schenkt, und du nimmst es von ihm; so wird er dir gram – wenn er vorher schon dein Feind war. Wenn du das Brod ißt, wovon ein andrer schon gegessen hat; so bekommst du seinen Geitz – wenn du geneigt dazu bist.
Es giebt wohl in der Natur Dinge, von denen man nicht weiß, wie sie erfolgen, so daß keiner sie glauben, oder sie für möglich halten würde, wenn er nicht durch Erfahrungen davon wär überzeugt worden: Aber Sympathie bleibt immer ein elender Behelf. Der Löwe scheut Schlangen und Hahnengeschrei, der Wolf das Feuer. Das sind Naturtriebe, und man darf dabei nichts von Antipathie wittern, und in abergläubischen Meinungen davon sich verliehren, dergleichen die von dem Eschenbaum und der Schlange ist.