Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Dem Menschen ist nichts gewisser als der Tod; aber ungewiß die Stunde, da die Seele den Leib verlassen wird. Weislich verbarg Gott uns dieß; wir aber wollen ergründen, was unerforschlich ist. Der Abergläubische kennt tausend Anzeigen, die den Tod verkündigen sollen, und eben so viele Mittel, um sich gegen die Wirkungen der abgeschiedenen Seelen zu sichern. Man hört bisweilen in der Wand, besonders in den Bekleidungen der Fenster einen Ton, der mit den Tiktaken oder Schlägen einer Taschenuhr viel Ähnlichkeit hat. Der Abergläubische nennt solches die Todtenuhr, und bildet sich ein, es sey dieß die Anzeige von dem bevorstehenden Tode eines Menschen in einem Hause. Liegt nun zu der Zeit jemand im Hause krank; so heißt es gleich: Er muß sterben, denn die Todtenuhr hat sich hören lassen, und es verkündigt. Ja, er ist wohl thörigt genug, das dem Kranken selbst zu sagen und macht ihn dadurch traurig, vermehrt seine Unruhe, und befördert seinen Tod. Aber diese eingebildete Todtenuhr ist weiter nichts, als die Stösse, welche ein kleines Insect mit seinem hervorragenden Rüssel, seiner Natur gemäs, gegen das Holz thut. In B. wurde mir ein Zimmer angewiesen, welches vorlängst ein Holzwurm in Besitz genommen, und die furchsamen Einwohner daraus vertrieben hatte. Ich bemerkte an der hölzernen Wand bald seine künstlichen Gänge, welche er in der Breite eines Fingers von unten schnurgerade herauf gemacht hatte. Wenn zwei Sachen auf einander folgen, woher weiß man denn, daß Gott durch das erste das folgende habe andeuten wollen? Es ist eine glückliche Unwissenheit, daß unsre Todesstunde uns unbekannt ist: Denn gesetzt, mancher wüste die Zeit, wenn er sich mit seinen Freunden, Gütern und Geschäften abfinden sollte, wie angstvoll würde er diesem Zeitpunkt entgegen sehen? wie würde das Andenken an denselben ihm jede Freude verbittern? Viele würden durch unaufhörliche Betrübnis ihrem Tode zuvorkommen; alle würden sich in die vorige Unwissenheit zurückwünschen. Dennoch wendet der Mensch so viel vergebliche Mittel an, die Zeit des Todes zu entdecken, dennoch wähnt er so viel Todesvorbothen. Hätten diese den Nutzen, daß der sicher lebende, der leichtsinnige dadurch an die Ewigkeit kräftig erinnert würde, so daß er anfieng, über sich und an die Ewigkeit ernsthaft zu denken; so möchte die Todtenuhr immerhin ihre heilsamen Schläge thun: Aber er hört sie, er erschrickt, und denkt und handelt nach wie vor. Vor ihr schwindelt es dem Krieger, der bei dem Donner der Kanonen einen eisernen Muth hat; und vor ihr zittert der wollüstige Höfling. Man trift sie in Hütten und Pallästen; nur daß der unschuldige Hans sie gelassen hört, seine Seele Gott empfiehlt, und unter dem Strohdach ruhig schläft, da der reiche Ludwig bei jedem Schlage mehr erblaßt, und die Nacht heulend hinbringt. Wer weiß nicht, daß viele, wenn sie den Kukuk rufen hören, ihn fragen: Wie lange sie noch leben sollen? und dann glauben, so vielmal er ruft, so viel Jahre würden sie noch leben. Mancher geht traurig davon, wenn der Kukuk ihm noch wenig Jahre zurufte, da sich der andere freut, daß er ihm ein langes Lebensziel verkündigte. Wer kennt den verrufenen Todtenvogel, die Eule, nicht? Das Käuzchen, oder der Todtenvogel ist eine Art von Eule, und wohnt in Kirchen und großen alten Gebäuden. Der alberne Bauer und der abergläubische Städter fürchten sich entsetzlich davor, weil sie dieselben für Abgesandten des Todes halten, und ängstlich glauben, daß in dem Hause, oder noch in der nahen Nachbarschaft jemand sterben müsse, wo eine Eule oder ein Käuzchen gesessen oder geschrieen habe. Sobald sie daher einen Kauz schreien hören, zittern sie schon am ganzen Leibe, setzt er sich aber auf ihr Haus, so muß nach ihrer Meinung ohnfehlbar jemand darin sterben: Solche, die das glauben, mögen nun aber auch mich hören!
Die Eulen haben ein so scharfes Gesicht, daß das Licht des Tages ihnen viel zu helle ist, so daß sie bei Tage eben so geblendet werden, und eben so wenig sehen können, als wenn wir eine Zeitlang gerade in die Sonne hineingesehen haben. Die Morgen- und Abenddämmerung, auch die Nacht giebt ihnen gerade so viel Licht, als sie zum Ausuchen und Erhaschen ihres Frases brauchen: Daher kommen sie nur des Nachts zum Vorschein, überfallen und fressen die schlafenden Vögel, und haschen Mäuse und andere Thiere. Da setzen sie sich denn nun, so wie es die andern Vögel bei Tage thun, bald hie hin, bald dahin, ohne dem den Tod zu verkündigen, auf dessen Haus sie sich gesetzt haben, und klugen Leuten sind sie willkommen, weil sie die Feld- und Gartenmäuse fangen und fressen, welche die Felder verheeren, und die Früchte wegfressen. – Aber die Eulen, wird man hier sagen, setzen sich doch gewöhnlich auf die Häuser hin, wo Kranke liegen, und man hat auch Beispiele, daß da Menschen gestorben sind, wo Eulen gesessen und geschrieen haben? Ganz richtig! Man muß aber nur die Natur der Eulen kennen, um sich dieß zu erklären, und um es, wie es denn auch wirklich ist, natürlich zu finden. – Die Eulen haben vor andern Raubvögeln einen besonders scharfen Geruch; jeder Kranke, vorzüglich der an einer auszehrenden Krankheit liegt, dünstet sehr aus; die Ausdünstungen aber verbreiten sich aus seiner Stube. Die Eule, die nach der Witterung (Geruch) ihren Flug bestimmt, riecht dieß, und nähert sich nun dem Orte, woher der Geruch kommt, setzt sich auf das Haus, und schreit. Und wenn es wahr ist, was einige behaupten, daß der Patient, der da sterben wird, mehrere Tage vor seinem Tode schon ganz unmerklich in Fäulniß übergeht; so müssen die Ausdünstungen von ihm jede hungrige Eule, die eben in die Nähe kommt, anlocken. Nun stirbt der Kranke – ja, heißt es denn , das haben wir gedacht, die Eulen schrieen so. Würde aber der Tode nicht auch gestorben seyn, wenn die Eulen nicht geschrieen hätten? und flogen sie nicht blos dem Geruche nach?
Wie ungereimt würde es seyn, zu glauben, daß unvernünftige Thiere vor dem Tode eines Menschen, Kenntniß haben könnten? Wie können diese wissen, was Gott aus weisen Ursachen uns nicht hat offenbaren wollen? Dieser Aberglaube rührt noch aus dem finstern Heidenthum her; und wer ihn beibehalten wollte, würde sich dadurch den Heiden gleich machen? So soll auch das langsame Schwirren der Grillen oder Heimiche, den Tod einer Person im Hause oder eines nahen Anverwandten anzeigen. Da aber dieses Insekt zur Zeit der Erndte mit dem Getraide oder Heu leicht in ein Haus gebracht werden kann, und das Zirpen ihm natürlich ist, wie könnte er den Tod eines Menschen bedeuten? Thörigt ist es auch, aus dem dumpfen Klang einer Glocke zu argwohnen, daß bald jemand sterben werde; denn man weiß, daß weiche Körper, z.B. Schnee und Wasser, den Schall verhindern, und die Ursach sind, daß die Glocken so dumpf klingen. Eben so thörigt ist der Wahn, daß der hohle Schall, den man beim Zuwerfen eines Grabes oft hört, ein abermaliges Sterben in der Familie bedeuten soll; denn ein solcher hohler Schall kann durch Erdklumpen, zumal wenn sie auf einen schlechten Sarg fallen, gar leicht verursacht werden. In Krankenstuben pflegt gemeiniglich das Licht schwach und matt zu brennen. Die Abergläubischen halten auch das für eine Anzeige, daß die kranke Person bald sterben werde; aber gewiß ist die Ursach davon keine andre, als die vielen Dünste, womit eine solche Stube angefüllt ist. Zur Nahrung des Feuers wird eine frische Luft erfodert, und die Dämpfe sind ihm hinderlich. Ein angezündetes Talg- oder Wachslicht verbrennt in einer reinen Luft merklich geschwinder, als in einer unreinen; und je unreiner die Luft ist, desto langsamer verbrennt das Licht. Sobald man aber frische Luft in die Krankenstube läßt, so daß sie von den darinn befindlichen Dünsten gereinigt wird, so brennt das Licht weit heller und besser. Hält die Krankheit bei einem Menschen viele Tage an, und die Wärter haben nicht für einen freien Zufluß der Luft gesorgt; so muß das Licht in den letzten Tagen der Krankheit schlechter und sparsamer brennen, als in den ersten, in welchen die Stube mit so vielen noch nicht angefüllt war. Da nun eine solche mit so vielen Ausdünstungen, verunreinigte Luft einem Kranken sehr schädlich ist, und seinen Tod leicht befördern kann; so haben unwissende und abergläubische Leute in dem schwachen Brennen des Lichts in einer Krankenstube die Anzeige von dem bevorstehenden Tod des Kranken gefunden. Wenn sich die Kinder auf den Gassen mit Kreuzen tragen; so ists eine Anzeige, daß Sterben darauf erfolgt. Was Kinder sehen, das äffen sie nach: Wenn daher Sterblichkeit einreißt, so werden sie Leichenzüge nachbilden: Können sie aber wohl dadurch den Tod gewisser Personen anzeigen? Wer ein Erdhuhn oder eine Hausotter beschädigt oder nur sieht, der muß selbiges Jahr sterben; wenigstens würde es geschehen können, wenn er dieß fest glaubte, und sich davor, als vor einem sichern Todesvorbothen entsetzte. Wenn ein Weib in den sechs Wochen stirbt; so muß man ein Mangholz oder ein Buch ins Wochenbett legen, auch alle Tage das Bett einreissen, und wieder machen, sonst kann sie nicht in der Erde ruhen. Vermuthlich eine Regel von gewinnsüchtigen Kindsamen oder Wartweibern, die dadurch nur Gelegenheit bekommen wollen, öfters in das Haus der Verstorbenen zu gehen: Denn nur von ihnen soll dies Bett so recht gemacht werden können, daß die Verstorbene in der Erde Ruhe habe. Wenn das Feuer platzt und prasselt, die Kinder oder Hunde vor einem Hause scharren und heulen, Raben krächzen, Eulen und Elstern auf dem Hause schreien, die Katzen sich beissen, so stirbt jemand – sey es über kurz oder lang, hie oder da. Wenn einem die Haut schauert, so läuft ihm der Tod über das Grab – wer hat denn diesen Tod noch jemalen über ein Grab laufen sehen? Wenn die Leiche im Sarge auf die rechte Seite sich legt; so stirbt jemand männlichen Geschlechts: Wenn sie sich aber auf die linke Seite legt; so stirbt jemand weiblichen Geschlechts aus der Familie. Kann sich aber ein todter Körper willkührlich auf die rechte oder linke Seite legen? Sobald der Mensch todt ist, muß man die Fenster aufmachen, damit die Seele hinaus kann. Die Seele ist ein Geist und braucht kein Schlupfloch, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Daß der Todte nicht wieder komme, muß man, sobald die Leiche fortgetragen wird, einen Eimer Wasser hinterher gießen, und die Hausthür zumachen. Wenn man vor alle Thüren drei Kreuze mahlt; so kann der Todte nicht herein. Wenn der Todte wieder kommen wollte oder könnte; so würde er sich weder an das ausgegossene Wasser kehren, noch durch die zugemachte Thür, oder durch die drei Kreuze abgehalten werden, in das Haus zu dringen. Wenn das Gesicht eines verstorbenen Ehegatten oder Freundes im Tode weich bleibt; so holt er einen aus dem Hause nach. Wenn das aber geschehen werde, weiß man nicht; und würde jene Folgerung nicht machen, wenn man die Ursach kennte, warum das Gesicht eines Todten zuweilen weich bleibt. Wer die erste Schaufel voll Erde in die Grube werfen kann, an dem hat der Todte keinen Theil; – eben so wenig als an andern. Wenn das Grabloch nachfällt; so stirbt einer aus der Freundschaft; wenn sie groß ist, könnte es bald geschehen, wenn sie es nicht ist, doch mit der Zeit. Liegt der Todte auf der linken Seite; so hat er keine Ruhe: Darum muß man ihn so legen, daß er auf die rechte Seite zu liegen kommt, wenn er sich im Sarge etwa umwälzt. Wenn der Todte sich auf den platten Leib legt; so sterben seine nächsten Anverwandten. Ein todter Körper kann sich nicht frei bewegen, sich nicht auf die rechte oder linke Seite legen; und er mag liegen, wie er will, so wird er immer fest liegen und seine Ruhe haben. Wenn die Freunde sich um den Verstorbenen nicht grämen wollen; so müssen sie ihm ein Stück Rasen auf die Brust legen; – besser aber, daß sie ihn alsdenn so bald als möglich vergessen. Man muß dem Todten das, was ihm am liebsten war, z.B. die Tabakspfeife, Geld x. mit ihns Grab geben, sonst hat er keine Ruhe. – Setzt denn der Todte im Grabe die Beschäftigungen fort, welche er im Leben trieb? Man giebt dem Todten den Kamm, mit dem er gekämmt worden, ins Grab; denn wer damit sich wieder kämmt, den gehen wie dem Todten die Haare aus, – wenn er alt genug ist; und die Familie kriegt Läuse – wenn sie sich nicht reinlich hält. Wer rückwärts eine Laus ins Grab wirft, dem vergehen sie alle. Rückwärts oder vorwärts ist einerlei, es wird in beiden Fällen nichts helfen, wenn er sich der Reinlichkeit nicht befleissigt. Wenn man dem todten Mann das Balbiermesser, und der todten Frau nicht Faden in den Sarg legt; so stirbt einer – richtig, seys auch wer das wolle. Wer krank ist, soll sich mit einem leinenen, ungebrauchten Lappen die Hände und das Gesicht reiben, und ihn rückwärts ins Grab werfen, dann wird die Krakheit mit begraben; – nachdem das Uebel, daher sie entstanden, aus dem Körper weggeschafft ist. Wer die Warzen auf der Hand mit einer Todtenhand bestreicht, dem vergehen sie; – wenn er dazu bewährte andre Mittel gebraucht. Wenn man einem Säufer Brandwein gibt, der durch einen Todtenlappen geseigt ist; so kann er keinen wieder trinken; wenigstens wenn ers weiß und ekelhaft ist. Wer im Gesicht Leberflecken hat, und sich mit dem Lappen wäscht, mit welchem der Todte abgewaschen worden, dem vergehen sie – vielleicht mit der Zeit. Wer die Rose oder das Rothlauf hat, der soll sie sich bevissen lassen, indem er einen Todtenlappen vor das Gesicht gehängt hat; – und erwarten, ob sie davon vergehen werde. Wenn man ein Stück Holz von einem aus der Erde gegrabenen Sarg in das Kraut steckt; so kommen keine Raupen hinein. – Wer daran glaubt, mag es probiren, und selbst erfahren, daß das nichts hilft. Wer von dem Todten hinterlassene Kleidungsstücke anzieht, den kneipt er nach vier Wochen und er stirbt. Große Einbildungskraft hat das schon zuwege gebracht. Wenn man mit dem Nagel aus einem Sarge in den Zähnen stöhrt; so vergehen die Zahnschmerzen, – so wie es gemeiniglich geschieht, wenn man mit jedem andern Holz darin stöhrt. Wenn man die Tauben aus einem Todtenkopf saufen läßt, oder ein Brett von einem Sarg vor den Schlag nagelt; so bleiben sie; – wenn sie gut gefüttert werden. Aus dem Hause, vor welchem die Leiche ruht, stirbt einer; – sey es bald oder spät. Wenn man ein Papier verbrennt und jeder der Anwesenden sich einen Punct ausersieht; so kann man ersehen, ob man die andern überleben werde. Sehr oft geschah das Gegentheil! Wenn während dem Läuten der Glocken die Uhr schlägt; so stirbt jemand; – in der Stadt oder auf dem Lande.