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29

Dort brannte die Lampe. Bei dem Scheine derselben sah er, als er von der einen Seite hereintrat, von der anderen Badija und Zykyma hereinkommen. Beide trugen alle Zeichen einer gewaltigen Aufregung an sich.

»Badija!« rief er, stehenbleibend.

»Mein Vater!« antwortete sie, mit einem weiteren Ausrufe der Erleichterung sich an seine Brust werfend.

»Du lebst?«

»Ja, ich lebe!«

»Ich dachte, er würfe Dich herab!«

»Mich nicht; aber Hiluja hat er hinabgeschleudert.«

»Großer Gott! So ist sie todt?«

»Ja,« antwortete sie, in Thränen ausbrechend.

»Wo ist er? Noch oben?«

»Ja. Hilal kämpft mit Falehd.«

»Hinauf, hinauf! Ich tödte ihn!«

»Bleib', o bleib'!« bat sie, ihn festhaltend. »Er ist so fürchterlich und so stark!«

»Und wenn er die Stärke von zehn Elephanten besäße, so tödte ich ihn trotzdem!«

Er riß sich los.

»Laß' Dich nicht angreifen! Hast Du die Pistolen?«

»Ja.«

»Er hat keine Waffe. Du darfst nur auf ihn schießen, aber um Allahs Willen nicht mit ihm ringen!«

Er zog die Pistolen hervor.

»Ich schieße ihn.«

Er wollte fort.

»Du weißt den Weg und die Treppe nicht!«

»So führe mich!«

Sie ergriff die Lampe, um ihm zu leuchten. Er ging so schnell, daß sie kaum Schritt zu halten vermochte. An der Treppe angekommen, kehrte sie angstvoll um; er aber stieg schnell hinauf. Oben angekommen, blieb er erstaunt stehen. Da stand die todtgeglaubte Tochter, Hiluja, von Hilal umschlungen. Eben sagte der Letztere:

»Meine Hiluja! Mein Engel, mein Leben! O, wie so sehr habe ich Dich lieb, wie so sehr!«

Und sie antwortete im Tone innigster Liebe:

»Ich mag und kann ohne Dich nicht leben!«

»Und ich nicht ohne Dich! Warum ist Dein Vater doch so zornig über unsere Liebe?«

Das übermannte den Scheik. Die Tochter, welche er bereits todt wähnte, am Leben zu sehen, jedenfalls gerettet von Hilals Hand, ließ ihm alles Frühere vergessen. Er sagte laut:

»Er ist nicht zornig darüber. Ihr irrt Euch!«

Da drehten sie sich erschrocken um und sahen ihn.

»Vater, mein Vater!« rief Hiluja.

Sie zog sich aus Hilals Umarmung und warf sich dem alten Scheik an die Brust. Dieser drückte sie zärtlich an sich und fragte:

»So hat Dich der Riese nicht getödtet, nicht hinabgeworfen?«

»Nein. Hilal rettete mich.«

»So hat er nur die Hälfte gethan. Er rettete Dich, und ich werde Dich rächen,« sagte der Vater, der noch immer die Pistolen in den Händen hielt. »Wo ist Falehd?«

»Da unten.«

Sie deutete über die Brüstung hinab.

»Da unten? Hinabgestürzt?«

»Hilal hob ihn empor und schleuderte ihn hinab.«

»Hilal – hob ihn – schleuderte ihn – hinab? – – Das ist nicht möglich!«

»O doch! Er hat es gethan!«

»So ist er der größte und stärkste der Kämpfer, den ich jemals gesehen habe. Aber ich sah doch, daß der Riese ein Weib in den Fäusten –«

»Das war Haluja, meine Dienerin,« fiel Hiluja schnell ein. »O Allah, die habe ich ganz vergessen! Ich Undankbare! Er ergriff sie anstatt meiner. Er warf sie hinab. Sie ist todt! Zerschmettert! Mein Gott! Ich muß hinab, sie zu suchen!«

Sie wollte fort. Der Scheik ergriff sie bei der Hand.

»Nicht so schnell! Du stürzest ja die Treppe hinab. Die Alte war gut und treu. Wir müssen nach ihr sehen. Aber wir brauchen dabei nicht die Hälse zu brechen!«

»Sie war nicht nur gut und treu, sondern auch tapfer. Sie hat wie eine Löwin mit dem Ungeheuer gekämpft!«

»So sei es Allah geklagt, daß sie sterben mußte! Wie gern würde ich ihr dankbar sein!«

Sie stiegen hinab. Unten im Gange stießen sie auf die Königin. Aus Sorge für den Vater war es ihr doch unmöglich gewesen, sich ganz zu entfernen. Auch sie erstaunte auf das Freudigste, als sie ihre Schwester am Leben erblickte. Beide schlossen sich unter Jubelrufen in die Arme. Dann aber begaben sie sich eiligst aus der Ruine hinaus.

Dort unten bot sich ihnen ein entsetzlicher Anblick. Gerade unterhalb der hohen Plattform lag der Riese, vollständig zerschmettert. Er hatte ganz das Aussehen, als ob kein Glied seines mächtigen Körpers ganz geblieben sei. Er athmete nicht mehr; er regte sich nicht. Er war todt. Als der Scheik mit grauendem Blicke die Gestalt dieses Menschen überflog, sagte er zu Hilal:

»Niemals im Leben wirst Du wieder einen solchen Sieg erringen. Der Zweikampf muß entsetzlich gewesen sein.«

»Ich weiß nicht mehr, wie es gekommen und wie es gewesen ist,« antwortete der Jüngling. »Ich glaubte, er habe Hiluja getödtet; ich wollte sie rächen; ich faßte ihn, hob ihn empor und warf ihn herab. Das ist Alles.«

»Und sie lebte doch! Aber er hätte sie noch getödtet, wenn Du nicht gekommen wärest! Du hast ihr das Leben gerettet.«

»Und mir auch,« fügte die Königin hinzu.

»Mir ebenso,« sagte Zykyma. »Er war wie ein wüthendes Thier. Er schäumte wie ein toller Hund. Ich glaube, er hätte uns Alle umgebracht.«

»Er war ein Teufel. Du aber, Hilal, bist als ein Engel von Allah gesandt worden, um sie zu erretten! Wie soll und kann ich Dir danken!«

Er blickte lächelnd auf den Jüngling. Dieser senkte erröthend den Blick und antwortete:

»Ich that nur meine Pflicht.«

»Aber nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aus Liebe. Und darum soll auch die Liebe Dich belohnen. Sage mir, hast Du Hiluja wirklich so herzlich und so innig lieb, wie Du es vorhin da oben sagtest?«

»O, noch viel, viel inniger! Ich kann es ja gar nicht sagen, wie lieb ich sie habe!«

»So beweise es wenigstens, wenn Du es nicht zu sagen vermagst. Weißt Du, wie Du diesen Beweis führen kannst, Hilal?«

»Ich – – ich – – ich wüßte es wohl.«

»Nun, wie denn?«

Hilal blickte verlegen auf den Alten hin und sagte in zaghaftem Tone:

»Wenn sie mein Weib sein dürfte, so wäre dies die einzige Weise, ihr zu zeigen, was sie mir ist.«

»Das ist nicht nöthig. Was sie Dir ist, das kann auch ich sagen, und zwar ganz genau.«

Er blickte sich lächelnd im Kreise um. Aller Blicke hingen gespannt an seinem Munde. Darum fuhr er fort:

»Sie ist nämlich Deine Verlobte.«

»Meine – meine Verl– – –«

Das Wort blieb Hilal vor Entzücken im Munde stecken. Aber Hiluja flog an die Brust des Vaters und rief:

»Ist's wahr? Ist's Wahrheit, mein Vater?«

»Ja, es ist wahr,« sagte er jetzt im Tone tiefsten Ernstes und ebenso tiefer Rührung.«

»So denkst Du nicht mehr an den Sohn des Scheikes der Meschner?«

»Nein. Es wird mir zwar nicht leicht, diesen Lieblingsplan aufzugeben, aber ohne Hilal hätte ich keine Töchter mehr. Ich wäre einsam und kinderlos, und darum soll sein Leben auch kein einsames sein. Ich gebe Dich ihm zum Weibe. Allah segne Euch, meine Kinder. Er ist mit dem Riesen fürchterlich in's Gericht gegangen. Er bestraft den Bösen und belohnt den Guten. Bleibt so fromm und gut, wie Ihr jetzt seid, so wird Euer Ende ein besseres sein, als dasjenige dieses Mannes, welcher nur geerntet hat das, was er säete.«

Jetzt wagte es Hilal, die Geliebte vor aller Augen zu umarmen. Er richtete den Blick voller Freude und Dankbarkeit gen Himmel, dabei fiel sein Auge auf einen Gegenstand, welcher ihn veranlaßte, einen lauten Ruf auszustoßen.

»Wir suchen Haluja, die tapfere Dienerin,« sagte er. »Seht Ihr sie etwa?«

»Nein. Und doch müßte sie auch hier liegen,« antwortete die Königin, »denn er hat sie ja auch auf dieser Seite herabgeworfen.«

»So blickt da hinauf!«

Er deutete nach oben. Aller Augen folgten der angegebenen Richtung.

»Oh Allah! Da hängt sie am Steine!« rief der Scheik.

Und Alle stimmten in diesen Ruf ein. Nur wenige Ellen unterhalb der Zinne ragte die scharfe Kante eines riesigen Steinquaders aus der Mauer hervor. Diese Kante war von Wind und Wetter angegriffen, Theile von ihr waren herabgepröckelt, so das; sie jetzt eine hornartig nach oben gerichtete Spitze bildete, und an dieser Spitze hing die Dienerin mit dem Gewande, von welchem sie festgehalten wurde.

»Haluja, Haluja!« riefen sie Alle hinauf.

Aber sie antwortete nicht.

»Sie ist todt!« klagte Hiluja.

»Vielleicht lebt sie doch noch,« meinte Hilal. »Wir müssen sie herunterholen.«

»Wie ist das möglich?« fragte der Scheik. »Kein Mensch vermag da emporzuklettern.«

»Das ist wahr, Empor kann Keiner, aber herablassen an einem Seile kann man Einen, das ist möglich.«

»Wer wollte das wagen!«

»Ich. Kommt mit!«

Er eilte fort, hinauf nach der Ruine. Er kannte den Ort, wo die Stricke aufbewahrt wurden, welche für die Thiere der Königin bestimmt waren. Mehrere solcher Stricke wurden zusammengebunden, und dann stiegen die Anwesenden hinauf auf die Zinne.

Es fragte sich, ob der Scheik mit seinen beiden Töchtern und Zykyma stark genug sein würden, Hilal hinabzulassen. Es war jetzt kein anderer Mensch zugegen, und doch durfte man die Dienerin auch nicht länger hängen lasten. Wenn ihr dünnes Gewand zerriß, so stürzte sie in die Tiefe hinab und wurde jedenfalls zerschmettert.

Das Seil war lang genug geworden. Das eine Ende desselben wurde hinabgelassen, nachdem man es in eine Schlinge gelegt hatte. Das andere Ende befestigte man um einen Quader, welcher weit genug aus der Brüstung hervorstand. Hilal erklärte, daß er nicht wünsche, hinabgelassen zu werden, sondern daß er beabsichtige, hinabzuklettern. Auf diese Weise hatten sich die Anderen gar nicht anzustrengen. Sie brauchten nur dafür zu sorgen, daß das Seil nicht vom Quader glitt.

»Aber das ist zu gefährlich für Dich,« sagte Hiluja besorgt. »Werden Deine Kräfte ausreichen?«

»Ja. Habe keine Sorge,« antwortete er, ganz glücklich, sie so für ihn beängstigt zu sehen.

»Aber wie willst Du Haluja anbinden, wenn Du selbst mit Deinen Händen am Seile hängst?«

»Ich werde mich auf den Vorsprung setzen, an welchem sie hängt. Und geht dies nicht, so trete ich in die Schlinge des Seiles und bekomme dadurch meine Hände frei.«

»O Allah, ich zittere vor Angst!«

»Es ist keine Zeit, sich zu ängstigen. Wir müssen handeln, wenn Haluja gerettet werden soll.«

»Recht so, mein Sohn. Steige getrost hinab. Hat Allah Dir den Sieg über den Riesen verliehen, so wird er Dich auch hier beschützen. Er wird mein Unternehmen leiten. Er wird Dich nicht zum Retter meiner Töchter bestimmt haben, damit Du wenige Minuten später verunglückst.«

Hilal schwang sich auf die Brüstung, ergriff das Seil und ließ sich langsam und vorsichtig an demselben hinab. Vorher hatte er sich einige Stricke um den Leib gewunden. Er glaubte, sie gebrauchen zu können.

Er langte glücklich bei der Verunglückten an. Der Vorsprung, an welchem sie hing, bot ihm nicht Raum genug. Daher kletterte er noch einige Fuß hinab und stellte sich mit den Füßen in die Schlinge.

Jetzt begann der gefährliche Theil seines Unternehmens. Unter ihm gähnte die große Tiefe. Ueber ihm stand ein alter Mann mit drei Mädchen, alle Vier nicht stark genug, ihn am Seile emporzuziehen.

Er wand sich die erwähnten Stricke vom Leibe los und versuchte, Haluja mit denselben an das Seil zu befestigen. Es gelang, allerdings nach langem Bemühen und nach öfteren Angstrufen, welche von oben, wo Hiluja herabblickte, herniederschollen. Auch der Kopf des Scheikes kam jetzt zum Vorscheine.

»Sollen wir nun Euch Beide heraufziehen?« fragte er.

»Nein. Das würde Euch unmöglich sein. Ich komme hinaufgeklettert.«

Dies that er auch. Mit augenscheinlicher Lebensgefahr kletterte er empor und langte glücklich oben an. Nun wurde langsam und vorsichtig das Seil, an welchem unten Haluja hing, eingeholt. Als der leblose Körper der braven Dienerin draußen an der Brüstung anlangte, stieg Hilal auf die Letztere, um die Last herein zu holen, auch ein höchst gefährliches Wagniß, welches aber ebenso wie alles Vorherige glücklich gelang.

Als nun die Alte auf der Plattform lag, konnte man keine einzige äußere Verletzung an ihr entdecken. Sie war ohne Besinnung, holte aber doch sehr bemerkbar Athem. Da ihre Behandlung hier oben zu unbequem war, wurde sie hinab und in das Freie vor die Thür geschafft. Hier war das so nothwendige Wasser leicht bei der Hand. Die Anwendung desselben hatte den Erfolg, daß sie erwachte. Sie blickte mit verwunderten Augen um sich und fragte:

»Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen?«

»Weißt Du es nicht mehr?« antwortete die Königin. »Der Riese hat Dich von der Zinne hinabgeworfen.«

»Ach ja, jetzt fällt es mir ein. Es war so schrecklich. Dann aber träumte mir, ich fliege durch die Luft, von der Erde fort, immer zwischen Sternen hindurch und mitten in den Himmel hinein. Da war ich so glücklich und so selig. Wäre ich doch nicht wieder aufgewacht!«

»Hast Du Schmerz?«

»O nein. Mir ist so wohl. Wie kann ich Schmerzen haben, da ich doch im Himmel gewesen bin.«

»So hast Du von dem bösen Fall, von der Zinne hinab, keinen Schaden davongetragen?«

»Mir thut nichts weh. Ich werde aufstehen.«

Sie erhob sich, zunächst von den Anderen unterstützt. Dann aber zeigte es sich, daß sie sich ganz mühelos und frei bewegen konnte. Es war wie ein Wunder, daß sie so gänzlich heil davongekommen war.

»Allah hat Dich mit seiner Hand gehalten,« sagte der fromme Scheik. »Er hat Dir sogar den Himmel gezeigt. Das ist der beste Lohn für die Tapferkeit, mit welcher Du Deine Herrin vertheidigt hast. Den irdischen Lohn sollst Du von uns erhalten, so weit es in meiner Macht liegt. Aber seht, wer kommt dort!«

Von draußen herein nahte sich im Galopp ein Reiter. Als er näher kam, erkannten sie Saïd, den wackeren Arabadschi. Obgleich Zykyma's Diener und kein Beduine, hatte er sich doch auch an der Verfolgung der Feinde betheiligt. Er sah die Personen auf der Ruine stehen und winkte ihnen in einer Weise, aus welcher sie sahen, daß er der Ueberbringer einer guten Botschaft sei.

Von Saïd hinweg fiel der Blick des Scheikes auf die Stute, auf welcher der Riese herbeigekommen war. Sie stand noch ruhig unten vor der Ruine.

»Welch' ein Pferd!« sagte er. »Man sieht es aus den ersten Blick, daß diese Stute einen langen und berühmten Stammbaum hat.«

Der Araber nämlich hält außerordentlich auf sein Pferd. Berühmt besonders sind die Nachkommen jener Pferde, welche sich bei einem Feldzuge des Propheten Muhammed als genügsam erwiesen. Muhammed hatte mit seinem Herrn einen langen, beschwerlichen Marsch in glühender Sonnenhitze zurückgelegt. Weder Reiter noch Pferd hatten sich an einem Tropfen Wassers erlaben können; Menschen und Thieren klebten die Zungen am Gaumen, der Durst war fürchterlich, Viele fühlten sich dem Verschmachten nah. Da endlich kam man an einen kleinen Bach. Alles stürzte sich nach dem Wasser hin. Nur dreißig Pferde, lauter edle Stuten, blieben stehen, um zu warten, bis ihre Herren ihnen das Trinken erlauben würden. Muhammed segnete sie und schrieb ihre Namen eigenhändig auf Pergamenttafeln, welche er den Besitzern dieser Pferde dann aushändigte. So entstanden die Stammesbäume für die Nachkommenschaft dieser Stuten, welche in Folge nur mit den edelsten Hengsten belegt wurden.

Diese Stammbäume existiren noch. Eine Stute, welche von einer dieser Urahninnen abstammt, hat höhern Werth als eine andere von gleich altem Stamme, welche vielleicht dieselben guten Eigenschaften besitzt.

Jeder Beduine hält den Stammbaum seines Pferdes ebenso heilig wie ein Abkömmling der Kreuzritter den seinigen. Die Namen berühmter Pferde sind weithin bekannt, so daß zum Beispiel von einer Stute, welche ihre Datteln im westlichen Marokko frißt, im fernen Ostarabien, ja in Kurdistan und Persien gesprochen wird.

Eine so berühmte Stute war auch der Fuchs, welchen der Riese geritten hatte.

Hilal wurde erst durch die Bemerkung des Scheiks auf sie aufmerksam. Er warf einen Blick auf sie hinab und antwortete:

»Das ist die Lieblingsstute des Scheiks der Beni Suef. Sie heißt Sselßele und hat einen Werth, welchen man nach Geld gar nicht messen kann.«

»Wie kommt sie hierher?«

»Der Riese hat sie jedenfalls geritten.«

»Wie kann der Scheik ihm seine Lieblingsstute anvertrauen! Das thut doch Keiner.«

»Wer weiß, wie es gekommen ist.«

Jetzt nahte sich Saïd, der Arabadschi, um seine Botschaft zu bringen.

»Masr-Effendi sendet mich,« sagte er. »Wir haben einen vollständigen Sieg errungen.«

»Allah sei Dank!« rief der Scheik.

»Alle Hände, welche vorhanden sind, sollen die Kameele tränken und die Schläuche füllen, damit die Verfolgung der Flüchtigen schleunigst begonnen werden kann.«

»Werden Viele entkommen?«

»Wohl fast die Hälfte der Feinde liegen getödtet auf dem Schlachtfelde. Die Gewehre mit den Nadeln haben sich außerordentlich bewährt. Die anderen Beni Suef sind auf der Flucht nach dem Ferß el Hadschar oder haben sich zerstreut. Unsere Krieger reiten nach allen Richtungen, um die Zerstreuten nieder zu machen oder gefangen zu nehmen. Haben sie das gethan, so werden sie sich sammeln, um die Verfolgung der Anderen zu beginnen, welche sich nach dem Ferß el Hadschar gewendet haben. Es mögen deren vielleicht Zweihundert sein.«

»Wo ist Tarik?«

»Er ist bereits fort nach dem Bett der Steine, um die Fliehenden nicht zur Ruhe kommen zu lassen.«

»Und Masr-Effendi?«

»Er befindet sich im Lager der Besiegten, um darauf zu sehen, daß die Beute nicht geplündert wird und daß man die Gefangenen nicht tödtet.«

»Aber wer soll hier tränken und Schläuche füllen! Es ist kein Mensch im Lager. Selbst die Kinder sind auf das Schlachtfeld hinaus.«

»Dort befindet sich Normann Effendi, um auf Ordnung zu halten.«

»So kehre zurück und sage ihm, daß er die Greise, Weiber und Kinder nach dem Lager senden soll, damit sie das Befohlene ausführen. Die Beute läuft ihnen nicht davon.«

»Wessen Leiche ist es, die da unten liegt?«

»Diejenige des Riesen. Er ist während der Abwesenheit der Krieger in das Lager gekommen, um die Frauen zu überfallen.«

»O Allah! Ist es ihm gelungen?«

»Nein. Du siehst ja die Frauen hier stehen und da unten liegt er todt. Hilal hat ihn von der Zinne der Ruine in die Tiefe geschleudert.«

»Allah sei gepriesen jetzt in alle Ewigkeit! Nimm den Dank meines Herzens an, Hilal.«

Er reichte ihm die Hand. Hilal drückte sie herzlich und sagte:

»Du brauchst nicht zu danken, Saïd. Ich habe Dir ja nicht einen Dienst erwiesen.«

»Nicht, meinst Du? Hast Du nicht Zykyma, meine Gebieterin, errettet, welche ich hätte bewachen sollen? Die Kampflust hat mich fortgetrieben, während es meine Pflicht gewesen wäre, zu ihrem Schutze an ihrer Seite zu bleiben. Verzeihe, Herrin! Es soll nicht wieder geschehen!«

»Ich verzeihe Dir gern,« antwortete sie. »Hilal hat gethan, was Du nicht hättest thun können.«

Sein Auge blitzte beinahe zornig auf.

»Meinst Du, daß ich mich etwa nicht an den Riesen gewagt hätte? Wenn alle Dschins und Geister der Wüste kämen, um sich an Dir zu vergreifen, ich würde mit ihnen kämpfen!«

»Ich weiß es. Du Treuer! Ich wollte Dich nicht beleidigen. Kehre jetzt nach dem Kampfplatz zurück und richte die Botschaft an Normann-Effendi aus!«

»Das werde ich nicht thun!«

»Warum nicht?«

»Ich gehöre zu Dir!«

»Ich befinde mich ja nun nicht mehr in Gefahr.«

»O, es kann wieder eine neue Gefahr kommen, und da muß ich bei Dir sein. Ich bin ein Gast der Beni Sallah, und ich habe sie lieb. Ich helfe ihnen gern; ich habe vorhin mit gekämpft und mehrere ihrer Feinde getödtet. Noch lieber aber habe ich Dich. Ich muß Dich beschützen und bleibe bei Dir.«

Er sagte das in einem so bestimmten Tone, daß man überzeugt sein mußte, er werde sich von diesem Entschlüsse nicht abbringen lassen. Um dies noch deutlicher zu machen, setzte er sich auf den nächsten Steinquader und legte seine Waffen neben sich hin.

»So werde ich es an seiner Stelle thun,« sagte Hilal. »Die Gefahr, in welcher Ihr Euch befandet, ist beseitigt, und ich kann getrost gehen.«

»Nein, bleib!« sagte der Scheik. »Saïd hat Recht. Wie der Riese sich herbeischlich, so können Andere es auch thun. Versprengte Beni Suef können, wenn sie in die Nähe des Lagers kommen und es ohne Wächter sehen, sehr leicht auf den Gedanken gerathen, hier einzufallen, um sich zu rächen. Ich bin es, der den Fehler begangen hat. Masr-Effendi hatte mir und meinen Kriegern das Lager anvertraut; wir aber haben es verlassen. Wir sind von unserem Posten gewichen. Hätten wir das nicht gethan, so wäre es dem Riesen unmöglich gewesen, sich herbei zu wagen. Das ist nun geschehen und also nicht mehr zu ändern; aber ich will dafür sorgen, daß Ihr nun wenigstens von jetzt an Euch in Sicherheit befindet. Du bist jung, Hilal, und ich bin ein Greis. Du bist stärker als ich. Bleibe hier. Du sollst Deine Braut und Deine Schwägerin bewachen und beschützen. Ich aber eile, mit Normann-Effendi zu sprechen und Euch eine Anzahl Krieger zum Schutze zu senden.«

Das wurde angenommen. Er begab sich von dannen.

Der Sieg der Bein Sallam über die Beni Suef war ein außerordentlich schneller gewesen. Keiner der Ihrigen war todt. Nur wenige der Krieger hatten eine leichte Verletzung davon getragen. Nicht einmal kampfunfähig war irgend Einer geworden.

Die Beni Suef waren ihres Sieges ganz und gar sicher gewesen. Darum war das Gegentheil desto gewaltiger über sie gekommen. Die Hälfte lag todt in den Dünen; die Anderen waren entflohen. Die Mehrzahl derselben hatte sich natürlich nach ihrem Lager zurückgewendet. Sie waren da auf ihre besten Thiere gesprungen und sofort von dannen geeilt.

Fast zu gleicher Zeit waren auch die Sieger mit in das Lager gedrungen. Keiner der Flüchtlinge hatte Zeit gehabt, irgend Etwas mit zu nehmen. Tie Beni Sallam sprangen von ihren Pferden und fielen über Alles, was sich im Lager befand, her. Geschulte europäische Truppen hätten das Unterlasten und ohne Unterbrechung die Verfolgung fortgesetzt. Diese Söhne der Sahara aber kannten keine solche Disciplin. Das Lager war zu groß. Da gab es Zelte, Pferde, Kameele, Waffen, Decken, Kleider und allerlei andere Gegenstände von höherem oder geringerem Werthe, welche die Augen der Beni Sallah in dem Maße bestachen, daß sie gar nicht daran dachten, hinter den fliehenden Feinden zu bleiben.

Andere, welche mehr kriegerischen Sinn besaßen, hatten, sich zertheilend, die Verfolgung der sich über die Ebene und in den Dünen zerstreuenden Feinde übernommen. Sie waren in der Ueberzahl, und gaben keinen Pardon. Sie wußten, daß sie, im Falle sie besiegt worden wären, auch keine Gnade erhalten hätten. Die Beni Suef wurden niedergemacht.

Diesen Verfolgern hatte sich auch Tarik angeschlossen. Er vergaß, daß er Anführer war. Er, der Sohn des Blitzes, kämpfte wie ein einfacher Krieger und schoß und schlug einen Feind nach dem anderen nieder.

Normann hatte, als er sah, daß der Sieg errungen und der Feind geworfen war, nicht an die Verfolgung desselben gedacht. Als Gast der Beni Sallam hatte er für diese zu den Waffen gegriffen, aber eine gänzliche Vernichtung der Beni Suef lag nicht in seinem Interesse. Darum lenkte er sein Pferd nach dem Kampfplatze zurück.

Er erkannte, daß er daran sehr wohlgethan hatte. Die Greise, Weiber und Kinder der Beni Sallam waren herbei gekommen, um zu plündern. Da ging es denn nicht sehr menschlich her. Die verwundeten Feinde hatten viel zu leiden. Die Kleider wurden ihnen vom Leibe gerissen. Diesem Gebahren that Normann Einhalt. Er hatte vollauf zu thun, die Angehörigen der Sieger im Zaume zu halten.

Was Steinbach betrifft, so hatte er ebenso gekämpft, als ob er ein Beni Sallam sei. Zuletzt, als der Sieg längst entschieden war, hatte er noch einen Einzelkampf zu bestehen, welcher sehr leicht unglücklich für ihn hätte auslaufen können.

Omram el Suefi, der Eidam des feindlichen Scheiks, war verwundet worden, nur leicht; es war ihm eine Kugel durch das Fleisch des linken Armes gegangen. Das hatte seine Kampffähigkeit nicht im Mindesten irritirt. Aber er sah, daß Widerstand unnütz sei und beschloß, sich den Fliehenden anzuschließen. Er wandte sich also seinem Lager zu. Noch einmal zurückblickend, bemerkte er die hohe Gestalt Steinbachs, welcher zur Verfolgung herbei eilte.

»Masr-Effendi, der Hund!« stieß er wüthend hervor. »Er kommt, er muß hier vorüber! Er soll sterben. Ich stelle mich todt und schieße ihn nieder.«

Er zog seine Pistole, welche er seit dem letzten Schusse wieder geladen hatte, und warf sich in den Sand, wo er wie ein Todter regungslos liegen blieb.

Steinbach kam herbei. Er mußte wirklich da, wo Omram lag, vorüber. Den Suef wirklich für todt haltend, achtete er gar nicht auf denselben. Er hatte sein Gewehr in der Hand. Mehr springend als gehend, eilte er heran. Eben wollte er an dem vermeintlichen Todten vorbei, da erhob dieser die Hand.

»Stirb, und sei verflucht!«

Diese Worte ausrufend, drückte Omram ab. Steinbach war ein Mann von seltener Geistesgegenwart. Die Worte hören und augenblicklich zurückspringend, das war das Werk eines Momentes. Das rettete ihm das Leben. Die Kugel traf ihn nicht, sie schlug an den Lauf seines Gewehres, welches ihm dadurch aus der Hand geschleudert wurde. Aber der Anprall des Geschosses, welches aus der nächsten Nähe kam, war ein so starker, daß Steinbach zur Seite geschleudert wurde und hinstürzte.

Augenblicklich kniete Omram auf ihm. Ihm die Linke um den Hals krallend, zog er mit der Rechten das Messer aus dem Gürtel und holte zum Stoße aus. Steinbach ergriff diese Hand beim Gelenk, um den Stich abzuwehren. Aber seine Hand war zu schwach. Sie war, als ihr durch Omrams Kugel das Gewehr entrissen wurde, derartig geprellt worden, daß sie weder Gefühl noch Kraft besaß. Es gelang dem Feinde leicht, sich von Steinbachs Griff zu befreien. Er stieß zu, und zwar mit allen Kräften, die er besaß. Die Klinge sollte bis an das Heft in die Brust Steinbachs tauchen.

In diesem mehr als kritischen Augenblicke nahm Dieser aber alle seine Kraft zusammen und wälzte sich unter seinem Feinde zur Seite. Der Stich ging fehl; die Messerklinge grub sich in den Sand.

Jetzt konnte Steinbach die andere Hand gebrauchen. Er griff zu und faßte den bewaffneten Arm des Suef. Dieser Griff war so eisern, daß der Suef einen Schmerzensschrei ausstieß und das Messer fallen ließ. Indem er es wieder erfassen wollte, nahm er die andere Hand von Steinbachs Halse. Das benutzte dieser. Er war mit einem schnellen Sprunge vom Boden auf. Zwei Schritte entfernt lag sein Gewehr. Er hob es auf. Der Suef hatte sich auch erhoben und drang auf ihn ein.

»Du sollst mir nicht entkommen!« brüllte er. »Ich bin Omram el Suefi. Keiner hat mich noch besiegt!«

»Und ich,« antwortete Steinbach, »bin Masr-Effendi, der jeden Feind darniederstreckt!«

»Versuche es doch!«

Er holte zum Stoße aus.

»Hier siehst Du es. Gehe in die Dschehenna zu den Verdammten, zu denen Du mich senden wolltest!«

Er sprang zur Seite, um Raum zum Hiebe zu bekommen. Obgleich er das Gewehr nur mit einer Hand halten konnte, schlug er dem Feind den Kolben doch mit solcher Macht auf den Kopf, daß der Suef mit zerschmettertem Schädel zu Boden sank.

»Todt! Man tödtet nicht gern, aber er hat es ja nicht anders gewollt.«

Jetzt untersuchte er seine Hand. Sie war nicht verletzt, aber er hatte kein Gefühl in derselben. Jedoch stand zu erwarten, daß sich dies schnell bessern werde.

Nun eilte er weiter, dem feindlichen Lager entgegen. Dort ging es zum Erschrecken her. Kaum hatte er erkannt, daß die Krieger ihre Pflicht vergaßen und sich nur auf Plünderung legten, so ließ er seine mächtige Stimme erschallen. Zum Glück kam gerade jetzt auch Tank herbei. Ihren vereinten Bemühungen gelang es, Ordnung zu schaffen. Die Beni Sallah sammelten sich wieder um ihre Anführer.

»Was thut Ihr!« rief Tarik zornig. »Hier sammelt Ihr Kleider und Fetzen, welche Euch doch nicht entgehen können, und die Feinde laßt Ihr dabei entkommen. Laßt Alles liegen. Es soll gesammelt und dann unpartheiisch getheilt werden. Jetzt haben wir Anderes zu thun.«

Keiner wagte es, zu widersprechen. Die flüchtigen Feinde waren bereits weit entfernt. Sie hatten sich, wie bereits bemerkt, die besten Thiers genommen, die weniger guten aber zurückgelassen.

»Folgt mir, ihnen nach!« rief Tarik und nahm ein nahe stehendes Pferd am Zügel, um in den Sattel zu steigen.

»Bitte, warte noch!« sagte Steinbach lächelnd.

»Wozu? Sollen sie entkommen?«

»Nein, das sollen sie nicht. Aber siehe Dir dieses Pferd an. Willst Du etwa auf ihm die flüchtigen Feinde erreichen?«

Tarik war zu eifrig gewesen. Er bemerkte erst jetzt, daß das Pferd von einer Kugel getroffen war. Es blutete.

»Ah! Du hast Recht. Ich nehme ein Anderes!«

»Nicht so schnell. Wir wollen berathen.«

»Aber indessen entkommen sie!«

»Je eiliger Du die Verfolgung beginnst, desto sicherer werden sie entkommen.«

»Wieso?«

»Blicke Dir diese Thiere an, Pferde und Kameele. Sollte der Stamm der Beni Suef nicht im Besitze von besseren sein?«

»Die Beni Suef haben berühmte Pferde und kostbare Eilkameele.«

»Warum sahen wir sie aber nicht?«

»Weil sie fort sind. Diese Hunde, welche Allah verderben möge, haben die besten Thiere genommen und die schlechten zurückgelassen.«

»Das nehme ich ihnen gar nicht übel. Sie wären sehr dumm, wenn sie das Gegentheil gethan hätten. Aber sage mir, wie Du es anfangen willst, ihre guten Thiere mit diesen schlechten einzuholen?«

»Allah! Du hast Recht. Ich eile in unser Lager, um gute Thiere zu holen.«

»Das wird geschehen, aber ohne Ueberstürzung. Wir werden hier die besseren Thiere aussuchen, und wenn es auch nur wenige sind. Auf diesen reitet eine Anzahl unserer Leute dem Feinde augenblicklich nach, um ihn zu bedrängen, zu beobachten und nicht aus den Augen zu lassen. Dann holen wir uns von Euch die guten Pferde und Eilkameele und beginnen die eigentliche Verfolgung.«

»Effendi, Du hast Recht. Es geschehe, wie Du gesagt hast. Komm, laß uns suchen.«

Es fand sich doch, daß es eine ganze Anzahl guter Pferde und Kameele gab, welche zurückgelassen worden waren. Da eine Truppe der Beni Sallah unter Normann beritten gewesen war, so gab es auch hier eine Anzahl guter Pferde. Auf diese Weise brachte man ungefähr sechzig schnelle Reitthiere zusammen, auf denen man den Flüchtigen sogleich folgen konnte.

»Das ist genug,« sagte Steinbach. »Es handelt sich jetzt nur darum, die Beni Suef in Athem zu halten, damit sie verhindert werden, sich zu sammeln oder auszuruhen. Wähle Dir die tapfersten Deiner Krieger aus, welche sogleich aufbrechen mögen.«

»Wer soll sie anführen?«

»Hm! Das kann ich nicht beantworten.«

»Warum nicht?«

»Weil ich Deine Leute nicht kenne. Der Anführer dieser Schaar muß sehr umsichtig sein.«

»So werde ich selbst mitreiten.«

»Du als Scheik?«

»Ja.«

»Du sollst doch das Ganze leiten. Warum willst Du nur diese kleine Abtheilung befehligen.«

»Weil das Gelingen des Ganzen davon abhängig ist.«

»Du hast nicht Unrecht. Wer aber soll dann alle die Anderen commandiren?«

»Hilal ist da. Und – bist Du auch da?«

»Allerdings.«

»Ich habe freilich kein Recht, von Dir zu verlangen, daß Du an unseren Kämpfen theilnimmst, aber – –«

»Ich bin Dein Freund, ich helfe Dir.«

»Willst Du mit nach dem Duar (Zeltdorf) der Beni Suef?«

»Ja. Ihr müßt diese Gelegenheit benutzen, sie Euch unterthänig zu machen. Gelingt es Euch, so seid Ihr der mächtigste Stamm im Westen des Nils und könnt der Freundschaft und Unterstützung des Vicekönigs von Egypten stets sicher sein.«

»Natürlich werden wir sie überfallen und besiegen. Sie wollten uns vernichten; ich will nicht ihren Untergang, aber sie sollen unsere Diener sein, bis sie uns bewiesen haben, daß wir sie als unsere Verbündeten betrachten dürfen.«

»Die Flüchtigen werden sich nach dem Ferß el Hadschar wenden. Dahin wirst Du ihnen folgen, um sie nach ihrem Zeltdorfe zu treiben. Dort aber werde ich bereits auf sie warten, um sie zu empfangen.«

»Wie? Du wirst dann bereits dort sein?«

»Ja. Ich werde sofort anordnen, daß alle dazu sich eignenden Kameele und Pferde getränkt und gefüttert werden, und daß man die Wasserschläuche fülle. Ist das geschehen, so breche ich sofort auf, um direct nach dem Duar der Beni Suef zu reiten.«

»Wer aber wird unser Duar beschützen?«

»Der Scheik der Beni Abbas wird mit seinen Kriegern da bleiben, bis wir zurückkehren. Du aber magst sogleich aufbrechen.«

Das geschah. Tarik verfolgte mit seinen sechzig wohlbewaffneten und wohlberittenen Leuten die flüchtigen Beni Suef, und Steinbach sammelte die rings umher zerstreuten Beni Sallah, was allerdings einige Zeit in Anspruch nahm.

Alles, was die Beni Suef zurückgelassen hatten, sollte von den Beni Abbas gesammelt und bis zur Rückkehr der Beni Sallah aufgehoben werden, um dann unter den Siegern zur Vertheilung zu gelangen. Bereits nach einigen Stunden setzte sich der Kriegszug in Bewegung, an dessen Spitze Steinbach, Normann und Hilal ritten. Der Letztere hatte von seiner Braut einen herzlichen Abschied genommen. Der Erstere beabsichtigte besonders, sich des Grafen und des Pascha zu bemächtigen, welche, wie er überzeugt war, sich den fliehenden Beni Suef angeschlossen hatten.

Dies war aber leider nicht der Fall.

Der Suef, welcher der Diener des Riesen gewesen war und dem Grafen und dem Pascha zur Flucht verholfen hatte, war von den Seinigen beordert worden, sich von dem Riesen zurückzuziehen. Er erfuhr, daß derselbe nicht in den Stamm aufgenommen, sondern fortgejagt werden solle.

Er mußte dieser Weisung folgen. Aber er hatte bei dem sonst so menschenfeindlichen und rücksichtslosen Riesen eine freundliche Behandlung erfahren und fühlte sich ihm zu Dank verpflichtet. Zwar durste er ihm nicht verrathen, was gegen ihn beschlossen worden war, aber er nahm sich vor, ihn einstweilen in heimlichen Schutz zu nehmen und ihn nicht aus dem Augen zu lassen. Darum drängte er sich nicht zu Denen, welche gegen das Dorf der Beni Sallah vorrückten, und richtete es so ein, daß er Denen beigeordnet wurde, welche zurückblieben, um den Troß zu bewachen. Da bemerkte er denn, daß der Riese sich zu den Pferden schlich. Er ahnte nicht, daß dieser fliehen wolle. Als er aber nach einiger Zeit ihm folgte, fand er ihn nicht, wohl aber bemerkte er, daß die Fuchsstute des Scheiks fehlte. Sofort eilte er zu dem Pascha und dem Grafen, um ihnen mitzutheilen, daß der Riese höchst wahrscheinlich entflohen sei.

»Wohin?« fragte der Pascha.

»Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist seine Spur sehr leicht im Sande zu finden.«

»Man muß ihm sofort nachjagen.«

»Um ihn zurückzubringen?«

»Ja. Er hat das beste Pferd des Stammes mitgenommen und muß also als Pferdedieb bestraft werden.«

Da blitzten die Augen des Suef zornig auf.

»Herr, die Beni Sallah sind meine Feinde. Sie nehmen mich gefangen, ich war der Sclave des Riesen Falehd. Er behandelte mich gut, und so bin ich ihm dankbar. Ihr Beide seid zu ihm gekommen und gastfreundlich von ihm aufgenommen worden. Er hat Euch beschützt und vertheidigt. Ihr seid ihm noch viel mehr Dank schuldig als ich. Und nun wollt Ihr ihn als Pferdedieb bestrafen lassen. Ist das Eure Dankbarkeit?«

»Pah! Wir brauchen ihn nicht mehr.«

»Aber er braucht Euch!«

»Sollen wir uns ihm etwa anschließen?«

»Nein, aber Ihr könnt dafür sorgen, daß er nicht in der Wüste umkommt. Er hat sein ganzes Eigenthum zurückgelassen. Vielleicht hat er sich nicht einmal mit Wasser versehen!«

»Er frug mich, was die Beni Suef mit ihm vor hätten, und ich sagte es ihm, wenn auch nicht direct, aber doch so, daß er es sich denken konnte.«

»So hat er wohl gar geglaubt, daß man ihn zu tödten beabsichtige, und hat, um sein Leben zu retten, eine vorschnelle Flucht ergriffen. Wir müssen einmal forschen, in welche Richtung er sich gewendet hat.«

Sie thaten dies. Sie fanden sehr bald seine Spur im Sande und folgten ihr. »Was ist das?« fragte Suef. »Was ist ihm eingefallen? Er ist ja nach dem feindlichen Lager geritten!«

»Das glaube ich nicht,« lachte der Pascha. »Da wäre er ja seinem Verderben entgegen geritten!«

»Wieso?«

»Er ist ein Ausgestoßener, er darf nicht zurückkehren und würde von seinen früheren Freunden sofort getödtet werden.«

»Du vergißt, daß sie in wenigen Minuten überfallen und besiegt sein werden!«

»Das ist wahr. Ah, ich habe eine Ahnung. Er hat gar nicht die Absicht, zu fliehen, sondern er will auch mit Theil an dem Ueberfalle nehmen, könnten wir das nicht auch?«

»Wir könnten es. Eigentlich sind wir am geschicktesten dazu, da wir das Lager kennen.«

»Alle tausend Teufel! Jetzt denke ich erst daran, was auf dem Spiele steht. Man wird die Königin fangen, Hiluja auch und mit ihnen Zykyma. Was wird mit ihnen geschehen?«

»Jedenfalls werden sie die Weiber Derjenigen werden, in deren Hände sie fallen.«

»Verdammt sei das! Ich gebe Zykyma nicht her!«

»Man wird Dich gar nicht nach Deiner Erlaubniß fragen.«

»Sie ist doch mein Eigenthum!«

»Du hast sie nicht bei Dir gehabt. Sie befindet sich bei den Beni Sallah und wird also nicht als Dein Eigenthum betrachtet werden können.«

»So hole ich sie mir jetzt! Geht Ihr mit?«

»Ja.«

Sie eilten weiter, der Spur des Riesen folgend. Da erblickten sie rechts von sich die hohe Gestalt Steinbachs und die lange, hinter den Sanddünen auftauchende Reihe der Beni Suef.

»Das ist der Deutsche!« sagte der Graf. »Warum befindet er sich außerhalb des Dorfes? Gott sei Dank, daß er am frühen Morgen spazieren gegangen ist! Er ist verloren. Er wird der Erste sein, der sein Leben lassen muß. Vorwärts!«

Sie eilten weiter. Zwischen zwei Dünen gehend, konnten sie die Beni Suef nicht mehr sehen, aber das Gekrach einer Salve tönte an ihr Ohr.

»Wie dumm!« rief der Pascha. »Auf einen Einzelnen eine ganze Salve zu richten! So Etwas kann eben nur bei den Beduinen vorkommen. Sie wecken mit diesen Schüssen das feindliche Lager auf und werden nun auf Widerstand stoßen, während sie, wenn sie nicht geschossen hätten, sich desselben ohne Schwertstreich hätten bemächtigen können.

Jetzt drang ein lautes, anhaltendes Geheul vom Kampfplatze herüber.

»Das ist noch dümmer!« sagte der Graf. »Mit diesem Geschrei würden sie sogar Todte aufwecken. Ist dieses Brüllen bei Euch gebräuchlich, wenn Ihr zum Angriffe schreitet?«

»Nein,« antwortete Suef. »Kommt schnell, kommt!«

Er verdoppelte jetzt seine Schritte.

»Warum so rasch auf einmal?«

»Das war kein Angriffsgeschrei. Das war das Geheul der Wuth. Was ist geschehen!«

Die Beiden folgten ihm. Jetzt senkte sich die Sanddüne, welche sie der Aussicht beraubt hatte, wieder nieder. Sie konnten jetzt sowohl nach dem Zeltdorfe der Beni Sallah als auch nach dem Kampfplatze hinüber sehen. Ein Schrei entfuhr dem Suef.

»Allah l'Allah! Dort stehen die Beni Sallah!«

»Sie sind es, welche geschossen haben!« fügte der Graf hinzu.

»Viele der Unserigen sind todt! Drauf, drauf! Nehmt Rache, Rache!«

Er brüllte das so laut, daß es weit hin über die Wüste schallte.

»Still, um Gotteswillen still! Man darf uns noch nicht hören!«

»Warum nicht? Man soll mich ja hören!«

»Nein, nein! Legt Euch nieder, nieder in den Sand! Aber schnell, schnell!«

»Warum denn?«

»Weil – ah, da habt Ihr die Antwort!«

Drüben blitzte es wieder auf. Die zweite Salve der Beni Sallah krachte den Beni Suef entgegen. Man sah die Letzteren fallen wie Fliegen, wenn sie Gift genascht haben.

»Allah! Allah!« rief der Suef. »Sie sind verloren!«

»Und wir Alle mit!«

»Nein! Schnell zurück zum Lager! Wir werfen uns auf die Kameele und ergreifen die Flucht.«

Er wollte fort, zurück. Der Graf aber ergriff ihn und hielt ihn fest.

»Bleib! Du kannst das Lager nicht mehr erreichen.«

»O doch, doch! Siehst Du nicht, daß die Unsrigen dasselbe thun!«

»Er wollte sich losreißen; der Graf aber hielt ihn fest und sagte:

»Halt! Du darfst nicht!«

»Warum nicht? Bin ich nicht Herr meiner Person!«

Er war zornig geworden und zog den Grafen eine kleine Strecke mit sich fort.

»Du bist Dein eigener Herr. Jetzt aber bist Du nicht allein. Du würdest auch uns in das Verderben bringen.«

»Das ist nicht wahr!«

»O doch! Man würde Dich sehen und auch auf uns aufmerksam werden Schau hin, wenn Du mir nicht glaubst! Mit Euch ist es vorüber.«

.

Es war nämlich jetzt der Augenblick, an welchem Normann mit der Reserve zu Pferde über die flüchtigen Beni Suef hereinbrach.

Diese Letzteren rannten auf ihr Lager zu. Man sah, wie sie niedergehauen und niedergeschossen wurden und nach allen Seiten auseinanderstoben.

Zugleich bemerkten die Drei, daß Diejenigen, welche zur Bewachung der Trosses zurückgeblieben waren, sich auf Pferde und Kameele warfen und die Flucht ergriffen. In der kurzen Zeit einiger Minuten hatten die verfolgenden Beni Sallah das feindliche Lager erreicht.

Der Suef stand starr vor Entsetzen.

»Nun, willst Du wirklich hin?« fragte ihn der Graf.

»Wer hätte das gedacht!« lautete die Antwort, welche fast pfeifend von den Lippen kam.

»Dann ist dieser Hund schuld.«

»Wer?«

»Steinbach.«

»Masr-Effendi?«

»Ja. Hast Du ihn denn vorhin nicht gesehen? Er ist der Anführer. Dort kämpft er – – ah, mit wem?«

»Mit Omram el Suefi. Allah ist groß! Seht, Omram wird siegen. Wie sie ringen!«

»Gebe es der Teufel, daß der Hund getödtet wird!«

»Er muß fallen. Seht, seht! O Allah, Allah!«

Dieser letztere Ausruf war im Tone des Schreckes gesprochen worden. Die Drei sahen, daß Steinbach den Gegner mit dem Kolben niederschmetterte und dann weiter eilte.

»Verfluchter Kerl!« knirrschte der Graf. »Er ist und bleibt überall der Sieger. Aber nieder, nieder in den Sand! Man sieht uns sonst!«

Erst jetzt folgten sie dieser bereits vorhin gegebenen Aufforderung. Sie warfen sich nieder auf die Düne, von deren Höbe sie eine genügende Rundschau hatten.

Da drang ein schriller Schrei zu ihnen. Es war nicht der erste; sie hatten die vorigen in ihrer Aufregung nur nicht beachtet. Sie blickten nach der anderen Richtung hin und sahen auf der Zinne der Ruine den Riesen mit den Frauen ringen.

»Dort, dort ist er!« sagte der Suef. »Er hat es gewagt, in das Lager zu dringen, ganz allein!«

»Das ist kein Wagniß. Es ist ja kein Mensch dort zu sehen.«

»Keiner? Dort kommt Einer gerannt.«

»Hilal! Er springt die Treppe hinan! Er will die Mädchen retten. Er eilt dem sicheren Verderben entgegen. Der Riese wird ihn, den Knaben, zermalmen; das ist sicher.«

Aber es kam anders. Sie sahen, daß Falehd die alte Dienerin von der Höhe schleuderte; sie sahen Hilal auf der Zinne erscheinen, und zu ihrem größten Erstaunen waren sie Zeugen, daß Derjenige, welcher jetzt ›Knabe‹ genannt worden war, Falehd emporhob und vom Felsen herabschleuderte.

Der Suef stieß einen Schrei des Entsetzens aus.

»O Allah! Habt Ihr es gesehen?«

»Schrecklich, schrecklich!«

»Er ist zerschmettert! Ich muß augenblicklich hin, um ihn zu rächen!«

Er wollte sich vom Boden erheben; aber die beiden Anderen hielten ihn fest.

»Bist Du wahnsinnig!« warnte der Graf. »Bleib!«

»Es ist ja kein Mensch im Lager außer Hilal!«

»Keiner? Siehst Du nicht dort den Scheik der Beni Abbas auf der Zinne erscheinen!«

»So sind es nur Zwei, und ich fürchte sie nicht.«

»Sie würden Dich kommen sehen; dann wärest Du ja doch verloren.«

»Du hast Recht. Aber ich dürste nach Rache!«

»Sei nur jetzt ruhig. Vielleicht kommt sehr bald die Gelegenheit, Dich zu rächen. Seht dorthin nach unserm Lager! Es befindet sich nun ganz im Besitze unserer Feinde. Dort sammelt Tarik die Reiter. Er wird die Verfolgung antreten.«

Er hatte recht vermuthet. Sie konnten die ganze Gegend überblicken. Sie sahen Tarik mit seinen sechzig Kriegern fortreiten, nach Süden, hinter den fliehenden Beni Suef her. Sie sahen Steinbach die zerstreuten Beni Sallah sammeln. Sie sahen auch, daß die Kameele und Pferde zusammen getrieben wurden, um getränkt zu werden.

»Wozu sie das thun?« meinte der Suef.

»Um den Unseligen zu folgen.«

»Das thut ja Tarik bereits!«

»Das genügt jedenfalls diesem Masr-Effendi nicht. Er könnte zufrieden sein, einen so vollständigen Sieg errungen zu haben. Aber ich fürchte, daß er die Vernichtung oder wenigstens Unterwerfung Eures Stammes plant.«

»Allah verderbe ihn!«

O, Allah scheint ihm sehr freundlich gesinnt zu sein. Seht, dort steht er auf der Ruine, an der Treppe, die Frauen bei ihm.«

»Sie werden ihm erzählen, daß sie von Falehd überfallen worden sind. Man sieht es an der Bewegung ihrer Arme. Und nun ruft er Normann-Effendi, Hilal und den Scheik zu sich. Sie werden Berathung halten.«

»Wir müssen ganz dasselbe thun.«

»Ja,« sagte der Pascha, welcher sich meist schweigsam verhalten hatte. »Wir befinden uns in einer Lage, welche uns nicht viel Spaß machen kann. Hätte ich diesen Steinbach hier zwischen meinen beiden Fäusten, so würde ich – ah!«

Er sprach nicht weiter, aber er rieb die Fäuste gegen einander, um auszudrücken, was er meinte. Der Graf warf einen musternden Blick rundum, schüttelte sorgenvoll den Kopf und sagte:

»Es wird auch mir unheimlich zu Muthe. Zu den Beni Suef können wir nicht, denn diese sind geschlagen und entflohen. Zu den Beni Sallah dürfen wir uns auf keinen Fall wagen – – –«

»Vielleicht doch!« meinte der Pascha.

»Auf keinen Fall!«

»Wir haben ihnen ja nichts gethan!«

»Aber wir haben unser Wort gebrochen. Was das bedeutet, haben wir von Tarik gehört, als er uns warnte. Wir riskiren unbedingt das Leben.«

»Aber was thun wir sonst? Wollen wir hier in der Wüste liegen bleiben, bis wir elend verschmachtet sind oder bis sie uns finden?«

»Nein. Es giebt noch Rettung. Vor allen Dingen müssen wir uns fragen, ob wir zunächst hier an der Stelle, wo wir uns befinden, sicher sind.«

»Das wird Suef besser wissen, als wir.«

Der Genannte antwortete nach einer Weile, während welcher er nachgedacht hatte:

»Ich denke, daß heut' Niemand hierher kommen wird. Die Sallah sind dort im eroberten Lager, auf dem Kampfplatze und in ihrem eigenen Duar so beschäftigt, daß wohl Keiner Zeit finden wird, einen Spaziergang zu machen, welcher ihn hierher führen könnte.«

»Aber wenn sie unsere Spur finden!«

»So werden sie dieselbe in dem wirren Durcheinander, welches es giebt, noch nicht beachten. Ueberdies giebt es in Folge des Kampfes heut so viele Spuren, daß man einer einzelnen gar keine besondere Aufmerksamkeit schenken wird.«

»Gut, so bleiben wir hier, um zu warten.«

»Auf was?«

»Hm! Auf den Abend. Das Dunkel der Nacht wird uns vielleicht Gelegenheit bringen, uns aus unserer fatalen Lage ziehen zu können. Wir wollen vor allen Dingen genau ausmerken, was die Beni Sallam jetzt thun werden.«

Sie machten es sich so bequem wie möglich im Sande. Sie häuften denselben so vor sich auf, daß er einen kleinen Wall vor ihnen bildete, in welchem sie einige Lücken ließen, um hindurchblicken zu können.

So sahen sie nach einiger Zeit, daß die Beni Sallah unter Steinbach's Führung abzogen. Als diese fort waren, machten sich die Beni Abbas, welche zurück blieben, daran, die weit umher gestreuten Beutestücke nach dem Duar zu schaffen.

Die Königin saß mit Hiluja und Zykyma oben auf der Ruine und beobachtete das rege Treiben, welches in Folge dessen im Lager herrschte.

Die Sonne war langsam hoch gestiegen. Es wurde Mittag. Eine glühende Hitze lag über der Gegend ausgebreitet. Die drei Burschen hatten weder Etwas zu essen noch einen Tropfen Wassers, ihren brennenden Durst zu stillen. Die Beni Abbas aber zogen sich vor den Sonnenstrahlen einstweilen unter die schützenden Zelte zurück.

Nur Einige von ihnen blieben im Freien. Sie waren mit dem Schlachten einer Anzahl fetter Hammel beschäftigt. Mehrere Frauen holten in großen, porösen Kühltöpfen Wasser vom Brunnen.

»Mir klebt die Zunge am Gaumen,« sagte der Russe. »Dieses Volk da drüben ist zu beneiden.«

»Sie holen Wasser, um den Lagmi (Palmensaft) zu kühlen, welcher getrunken werden soll.«

»Dazu schlachten sie diese Thiere. Es scheint somit, daß ein Festmahl gehalten werden soll.«

»Natürlich!«

»Heut Abend jedenfalls?«

»Wohl noch eher. Sie haben gewußt, daß sie überfallen werden sollten, und also während der letzten Nacht wohl nicht geschlafen. Darum werden sie heut Abend ermüdet sein und sich baldigst niederlegen. Der Lagmi berauscht und macht auch müde, weil er gegohren ist. Sie werden also ihr Freudenmahl nicht spät beginnen. Sollte es erst am Abend anfangen, so würden sie sich hüten, bereits jetzt in dieser Gluth die Hammel zu schlachten.«

»Könnte man sich jetzt unbemerkt ins Lager schleichen?«

»Wozu?«

»Dort, unterhalb der Ruine stehen Reitkameele. Ich hätte Lust, es zu versuchen. Grad auf jener Seite ist kein Mensch außerhalb der Zelte. Gelänge es, bis an die Ruine zu kommen, so könnte man aufsteigen und davongaloppiren!«

Der Suef blickte beinahe höhnisch zu ihm herüber und fragte.

»Ohne Sattel?«

»Natürlich. Zum Auflegen der Sättel würde es keine Zeit geben.«

»Und ohne Wasser?«

»Da müßten wir uns auf Dich verlassen. Wir würden wohl bald welches finden.«

»Nein. Wir würden keins finden, wenigstens nicht, bevor wir verschmachtet wären.«

»Es muß doch Wasser geben!«

»Nein. Im Norden nicht, dort liegen die Natronseen. Da giebt es wohl Salz und Soda, aber kein Wasser. Nach West können wir nicht, weil dort die Ferkah (Unterabtheilungen) der Beni Sallah wohnen, und nach Ost hat man zwei volle Tage zu reiten, ehe man an Wasser kommt.«

»Aber im Süden!«

»Da giebt es allerdings Wasser; aber dahin sind uns die Beni Sallah voraus. Dorthin können wir also auf keinen Fall.«

»Und grad dorthin würden wir müssen, hatte ich gemeint.«

»Wir würden den Feinden unbedingt in die Hände fallen. Tarik ist nach dem Ferß el Hadschar.«

»So suchen wir das Zeltdorf der Beni Suef auf.«

Dort würden wir Masr-Effendi finden.«

»Unglaublich!«

»Ihr glaubt das nicht? Hier grad aus nach Süden ist Tarik mit den Seinigen geritten, hinter den Fliehenden her. Masr-Effendi aber ist weiter links, weiter westlich geritten; das ist ein sicherer Beweis, daß er nach unserm Zeltdorfe will. Auch hat er in Schläuchen sehr viel Wasser mitgenommen. Er will also keine Quelle aufsuchen und bei keiner halten. Sein Ritt ist ein Eilritt.«

»O wehe! So kommt er eher dort an als die flüchtigen Suef?«

»Ganz gewiß. Das Zeltdorf hat nur Weiber, Greise und Knaben, da die Krieger ja ausgezogen sind. Diese Leute fühlen sich sicher; sie sind überzeugt, daß ihre Krieger siegen werden, und warten mit Ungeduld auf die glückliche Heimkehr derselben. Wenn sie dann die feindlichen Beni Sallah kommen sehen, werden sie sie für die ihrigen halten und ihnen entgegen gehen anstatt vor ihnen fliehen. Ich weiß, daß mein Stamm verloren ist. Es giebt keine Rettung für ihn!«

Er knirrschte mit den Zähnen und blickte still vor sich hin. Der Graf unterbrach nach einiger Zeit das lautlose Schweigen.

»So sind also auch wir verloren.«

»Wir? O nein! Was wir jetzt nicht wagen dürfen, das dürfen wir wagen, wenn es Nacht geworden ist. Dann ist es dunkel. Die Beni Abbas und Alle, welche sich mit ihnen hier im Lager befinden, werden müde und berauscht sein und sehr fest schlafen. Dann holen wir die Kameele.«

»Man wird wachen!«

»O, diese Leute werden sich sehr sicher fühlen. Sie sind ja die Sieger. Daß sich einer der Besiegten in ihr Lager schleichen könne, muß ihnen für unmöglich gelten. Also selbst wenn sie Wachen ausstellen, werden dieselben sehr sorglos sein. Darum hoffe ich, daß wir Zeit haben werden, die Kameele zu satteln und auch einige Wasserschläuche zu stehlen.«

»Wenn uns dies gelänge!«

»Es muß uns gelingen! Ohne Wasser können wir unmöglich fort.«

»So ist es ein Glück, daß die Beni Sallah diese Reitkameele nicht mitgenommen haben.«

»Sie gehören der Königin; darum schont man sie. Wir brauchen nur vier – eins für die Wasserschläuche und drei für uns. Sitzen wir erst im Sattel, so sind wir gerettet.«

»O, es sind ja mehrere solcher Kameele vorhanden. Wenn man sie besteigt und uns verfolgt – –!«

»So wird man in der Dunkelheit unsere Fährte nicht sehen können und also bis zum Anbruch des Morgens warten müssen. Bis dahin aber haben wir einen Vorsprung, welchen wir dann wohl nicht wieder verlieren werden. Glückt es uns, unbemerkt in das Zelt zu dringen, so – so – – –«

»Was meinst Du?«

»Ich habe einen Gedanken. Er ist kühn; aber wenn ich ihn ausführen könnte, so wäre es mir wohl möglich, meinen Stamm aus der Knechtschaft zu befreien, in welche er nach seiner Besiegung fallen muß.«

»Natürlich dürfen wir diesen Gedanken kennen lernen, wie ich hoffe?«

»Er ist sehr kühn.«

»Hältst Du uns für Feiglinge!«

»Ich habe bisher nicht den Beweis erhalten, ob Ihr muthig oder feig seid. Ich würde mein Leben wagen und Ihr ebenso; aber wir hätten es dann in der Hand, uns an diesem Beni Sallam zu rächen.«

»So sind wir jedenfalls bereit. Deinen Gedanken zur Ausführung zu bringen, wenn diese Ausführung überhaupt im Bereiche der Möglichkeit liegt.«

»O möglich ist es!«

»So sprich doch!«

»Ich mochte nicht allein von hier fort. Ich möchte die Königin und ihre Schwester mitnehmen.«

»Donnerwetter! Das ist freilich ein kühner Gedanke!«

»Ich würde diese Beiden nur gegen die Freiheit der Beni Suef auslösen. Auch müßte man diesen Letzteren alle Beute wiedergeben, welche man ihnen abgenommen hat.«

»So müßten wir uns ja in das Innere der Ruine schleichen?«

»Ja. Es wird nicht so schwierig sein, wie es scheint.

»Hm! Es ist ein frevles Spiel! Das Leben hängt an einem einzigen Haar. Die Sache will also sehr überlegt sein, bevor man einen Entschluß faßt. Was meint Ihr dazu?«

Diese Frage war an den Pascha gerichtet. Dieser hatte sich jeder Äußerung enthalten; jetzt aber antwortete er auf die direct an ihn gerichtete Frage, und zwar in ganz unerwarteter, fast spöttischer Weise'

»Fürchtet Ihr Euch etwa?«

»Fürchten? Ich? Ich dachte, Ihr wüßtet, daß ich Dinge ausgeführt habe, zu denen ebenso viel Muth gehört hat wie zu dem Unternehmen, zu welchem wir uns jetzt entschließen sollen!«

»Das weiß ich; also begreife ich Euer Zaudern nicht.«

»Seid denn Ihr entschlossen, Ja zu sagen?«

»Natürlich!«

»Ah! Hat das etwa einen Grund?«

»Ich mache mir die eine Bedingung, daß wir nicht nur die Königin und ihre Schwester, sondern auch Zykyma mit nehmen.«

»Ah, ist es das! Ihr wollt wieder in den Besitz Eurer schönen Sclavin kommen!«

»Das ist es. Nehmt Ihr es vielleicht übel?«

»Ganz und gar nicht. Ihr Beide habt nur Euer Interesse an dem Wagnisse. Was aber habe ich davon?«

»Eure Rettung.«

»Hm! Ja. Wohin aber reiten wir? Soeben ist doch gesagt worden, daß wir nach keiner Richtung von hier fort können.«

»Ohne Wasser,« antwortete der Suef. »Wenn wir aber Wasser haben, so können wir hin, wohin wir wollen. Ich würde zu den Beni Halaf gehen.«

»Wo wohnen diese?«

»Im Nordost von hier. Der Scheik derselben ist mit dem Scheike der Beni Suef verwandt, welcher heut getödtet worden ist. Ihr seht die Leiche noch jetzt dort drüben in der Sonne liegen. Die Beni Halaf haben also Grund, uns aufzunehmen und den Tod des Scheiks an den Beni Sallam zu rächen. Wir haben vier Tage zu reiten, ehe wir hinkommen.«

»So willige ich ein. Es mag gewagt werden. Wir haben uns nur darüber zu einigen, wie wir es anfangen werden.«

»Anfangen? Darüber ist gar kein Entschluß zu fassen. Die Suche ist so einfach, daß sich Alles ganz von selbst versteht. Wir schleichen uns bis zu den Kameelen, satteln sie, suchen Wasser und Datteln zu bekommen und holen dann die drei Frauen aus der Ruine.«

»Dabei wird es aber nicht leise hergehen.«

»Wir müssen dafür sorgen, daß keine von ihnen einen Laut von sich giebt. Wer uns hindern will, der wird getödtet. Messer haben wir ja.«

»Leider haben wir unsere Gewehre bei dem Troß zurückgelassen. Vielleicht finden wir bei der Königin Ersatz.«

Der Entschluß war also gefaßt, und es galt also nur, die passende Zeit zu erwarten. Es gehörte nichts als Geduld dazu. Der Durst war groß, und auch der Hunger stellte sich ein, es gab aber nichts, Beide zu löschen. Darum verfolgten die Drei mit neidischen Blicken die Vorbereitungen, welche vor ihren Augen zum Festmahle getroffen wurden.

Die Sonne begann, tiefer und tiefer zu sinken. Als die größte Hitze vorüber war, verließen die Beni Abbas ihre Zelte, um die oben erwähnte Arbeit fortzusetzen. Sie waren dabei so fleißig, daß auf dem Kampfplatze bald nur noch erschlagene Feinde zu sehen waren. Die Verwundeten und Gefangenen waren gefesselt und wurden in einigen Zelten bewacht. Die reiche Beute lag, was Sachen waren, auf einem Haufen in der Nähe der Ruine, die Thiere hatte man ebendaselbst zusammengetrieben.

Jetzt wurden mehrere Feuer angezündet, von denen bald der Geruch des Bratens in die Höhe stieg. Es bildeten sich Gruppen von Weibern, Greisen und Kindern, welche um die vollen Lagmi-Gefäße saßen. Das Fleisch wurde vertheilt, und die Zungen wurden lauter und lauter.

So ging es fort, bis die Sonne niedersank und das Abendgebet das Mahl unterbrach. Als es dann dunkel geworden war, waren die Krüge geleert und das Fleisch verzehrt. Der Mueddin bestieg die Ruinen abermals und forderte die Gesättigten auf, Allah für seine Güte zu preisen und sich dann zur Ruhe zu legen.

Das geschah. Zwei Stunden nach Sonnenuntergang bereits waren die Feuer verlöscht und es herrschte tiefe Stille im Zeltdorfe.

Aber noch war die Zeit nicht gekommen. Die Drei warteten wohl noch zwei Stunden, dann aber setzten sie sich leise und vorsichtig gegen das Lager in Bewegung, erst gehend, dann aber, als sie in die Nähe des ersten Zeltes angekommen waren, in kriechender Stellung.

Es war zwar Nacht, aber die Sterne leuchteten in südlicher Pracht vom Firmamente herab, und so konnte man auf eine leidliche Entfernung hin jeden nicht gar zu kleinen Gegenstand wahrnehmen.

Lieber wäre es den Dreien gewesen, wenn es ganz dunkel gewesen wäre. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war groß. Sie krochen am Boden hin, am ersten Zelte vorüber. Im Innern desselben ertönte ein lautes Schnarchen. Das war ein gutes Zeichen. Wenn Alle so fest schliefen wie dieser Schnarcher, so mußte das gewagte Unternehmen gelingen.

Kein einziger Mensch ließ sich zwischen den Zelten sehen, wenigstens auf dieser Seite der Ruine, und so gelangten sie glücklich bis nahe an die Letztere heran, wo die Reitkameele standen.

Diese Thiere lagen am Boden und kauten ruhig wieder. Kein Wächter befand sich bei ihnen. In ihrer Nähe hingen die Sattels an Pfählen, und auch ein geräumiger Tachterwan lag am Boden.

Ein Tachterwan ist ein Sattel, auf welchem ein viereckiges, oben verdecktes und an den vier Seiten mit Vorhängen versehenes Gestell befestigt ist. Im Innern sitzen die Frauen während der Reise.

»Da ist ja Alles beisammen,« sagte der Graf leise. »Nur Wasser und Datteln fehlen.«

»Die werden wir in der Ruine finden,« tröstete der Suef. »Satteln wir sogleich!«

»Werden die Thiere nicht laut werden?«

Die Kameele haben nämlich die Gewohnheit, ganz kläglich zu brüllen, wenn ihnen eine Last aufgelegt wird. Das konnte gefährlich werden.

»Sie werden schweigen, wenn ich ihnen die Halfter enger mache,« antwortete der Suef.

Er drehte fünf Kameelen die Halfter zu, so daß sie die Mäuler nicht öffnen konnten und also durch die Nüstern Athem holen mußten. Dann sagte er:

»Jetzt drei Männersättel! Wir haben zuerst für uns zu sorgen.«

Das geschah. Dann wurde dem vierten Thiere ein Packsattel aufgeschnallt. Das ging sehr schnell und in aller Ruhe ab. Die einzige Schwierigkeit lag darin, die Kameele vor Auflegung des Sattels auf- und dann wieder niederzubringen.

Das fünfte erhielt den Tachterwan, dessen Befestigung schwieriger war. Beide, der Russe und der Pascha, verstanden von dieser Art des Sattelns nichts. Der Suef mußte Alles allein machen, und da es mit der größten Sorgfalt geschehen mußte, so ging dabei sehr viel Zeit verloren. Nicht der kleinste Gurt oder Strick durfte reißen, sonst wäre der schnelle, nächtliche Ritt unterbrochen worden, und eine einzige Minute Aufenthaltes konnte verderblich werden.

Endlich lag auch dieses Kameel gesattelt am Boden.

»Nun in die Ruine!« flüsterte der Suef.

»Alle Drei?« fragte der Graf.

»Ja.«

»Soll nicht Einer als Wächter hier bleiben? Es könnte doch Jemand kommen.«

»So bringt der Wächter auch keinen Nutzen. Einen lauten Warnungsruf darf er ja nicht ausstoßen, weil er dadurch die Feinde erst recht auf die anderen Beiden aufmerksam machen würde. Ueberdies brauchen wir sechs Arme und nicht nur vier. Kommt also!«

*


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