Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Bilder


Ähren.

Der alte Bauer liegt auf dem Totenbett, seine Zeit ist um und keiner erregt darüber. Er hat gebeichtet, die Wegzehrung empfangen. Seine letzten Anordnungen hat er ausgesprochen. Die Leute sind wieder alle draußen, bei harter Arbeit, sie können den Tod nicht müßig erwarten. Ab und zu tritt einer oder eine herein, sieht den Sterbenden an, wie lange er's noch mache. Die Kerze steht bereit, das Kreuz ist da. Alle Worte des Lebens sind geredet. Auch ein paar Tränen geweint. Dann wird weiter geschafft. Es ist alles recht nach dem Brauch. Bestelltes Haus, gegebene Vermahnung und Abschied. Er wartet nun still aufs Auswerden. Dumm, daß Leiche, Kirchgang, Totenmahl mit all der Zeitversäumnis in den Sommer fallen; Ende Juni ist's! Im Winter zu sterben wäre praktischer. Der kleine Loisl sitzt an des Alten Bett, sehr aufmerksam. Er ist zehn. Er sieht das erste Sterben. Ein leiser Duft von frisch eingebrachtem Juniheu durchweht die Stube. Der Stall ist nebenan, die Scheuer auch.

»Gut, daß's Heu drinn ist,« flüstert der Alte. »Schön reinkommen is's. Einmal nit verregnet. Im Landl regnets do alleweil.« Der Bub lauscht bange dem Rasseln in der Brust. »Sollst staad sei, Ahnl.«

»A wos! – Ob i red oder ned –'s is ein' Sach'. Der Krampen geht ein.«

»Soll i aus'n Betbüchel vorlesen?«

»Na. Es is gnua g'lesen. Kimmt nix heraus dabei.«

Das Schweigen spinnt.

Unter den Fenstern hört man die Hühner in ihrer geistlosen Geschwätzigkeit. Kühe brüllen. Die Bäuerin zankt. »Heunt is sie wieder hantig«, murmelt der Alte. Ein vieldeutiges Lächeln verflattert matt um seine Lippen. Nach einem langen Stillsein setzt er sich plötzlich gerade auf.

»Ahnl – aber Ahnl, du sollst di' do' ned rührnl«

»Halts Maul, Bua, los amal, auf. Jetzt rennst außa, Bua, holst mir vom Feld drunten an klean Büschel Kornährn. Vastehst? ned vül! – Nur a paar. Aber geschwind. Schlaun di, marsch!«

Der Kleine läuft. Der Alte bleibt mit keuchendem Atem sitzen, sein Blick zuckt wie eine verflackernde Flamme hinaus in die Sommerpracht der Felder.

Der Bub ist wieder da. Kornähren, halbreife trägt er. Zwischen ihnen Kornblumen, tiefblau, Klatschrosen, Wicken, wie sie im Getreide wuchern, und Raden. Er drängt das Büschel in die welke Hand. Die zupft die Blumen heraus, wirft sie zornig zur Erde. »Dös da, dös is nix – a Sauerei is dös, willst leicht no', daß, i mi gift? Außer mit dem Unkraut!«

Dann starrt er lange tiefsinnig auf die Ähren, die schwer von Körnern sind. Seine Lippen murmeln, in seinen Augen sind Fernen. Noch einmal glänzen sie auf, zum letzten Mal. Er sieht sich als Bub schon hinter dem Vater schreiten –, auf dem goldenen Wagen sieht er sich einfahren, jauchzend vor Lust. Er sieht sich als Bursche, wie er heimkommt vom Militär, die Kappe hinschmeißt, sich auf den Heimatboden wirft, wie trunken vor Wiedersehnsfreude. Nun kutschiert er; neben ihm, da ist die Afra – die hübsche, arme Magd. Nichts für den Bauernsohn. Nur ein Sommertraum zwischen flammenden Ähren. Der war er gut, der Afra!

Bauer wird er und haust mit der Bäurin, wartend steht sie am Tor, wenn er die Ernten einbringt. Alles spinnt sich ab im Zeichen und Rahmen der goldenen Ähren. Vom Bauernstande zieht es hinaus, das lebenerhaltende, das heilige Brot.

Bis ins hohe Alter hat er die Ernte heimgetragen. Weit über fünfzig Mal die Ähren gemäht, eingebracht. Sie schlingen sich um alle Ereignisse seines harten, schweren Lebens. Der alte Mann legt plötzlich die erkaltenden Lippen fest auf sie. »Dö gebt's mir mit«, murmelt er verlöschend. »Dö nimm i mit und halt's 'n Herrgott hin. Dö waren's Beste, 's Oanzige und's Rechte waren's in all die Jahr.«

Seine Augen brechen. Die Arbeitshand erstarrt um das Büschel Ähren. Es wäre unmöglich gewesen, sie aus ihr zu lösen. – – –

*

Der Sohn – die Mutter.

Sie wartet auf ihn, in dem alten Häuschen, die Sonnenblumen blühen wie einst. Der Tisch ist gedeckt mit dem kleinen alten Kinderbesteck, seinem Becher und Teller. Seit zwanzig Jahren war der Sohn nicht da. – Hohe Würde gab ihm das Leben.

Der Bischof bückt sich, er tritt durch die niedere Tür, über deren Schwelle er als kleiner Hirtenbub bloßfüßig gesprungen. Es funkeln an ihm Kreuz und Ring, mechanisch hebt er die Hand zum Segen. Seine Begleitung bleibt zurück. Er sagt: »Mutter!« mit der klangvoll geschulten Stimme des berühmten Predigers. Die Frau, die er, noch ansehnlich, verlassen, die seinen Ring küßt, sich zitternd unter dem Segen beugt, ist klein geworden, welk; es webt um ihre Gestalt Verlassenheit. Beide sind sich wie fremd, ob er auch zu Kuß und Umarmung die Gestalt niederbeugt, die weit über sie hinaus gewachsen. Er sieht sich um in ihrer Welt; traumbefangen. Sie war lange die seine. Nun schreitet er durch weite Säle in Palästen und sitzt neben Königen. Sein Weg geht hoch empor. Er ist ein politischer Priester, in Rom hoch gewertet. Längst nicht mehr der Sohn seines Landes. Die Heimat ist Rom – der Vatikan. Er hat Geld geschickt, regelmäßig – hier merkt man nichts davon. Es ist alles wie einst. Die arbeitsharten Hände reden ihre Sprache. Dürftigkeit, Knappheit überall. –

»Hast du mein Geld nicht bekommen, Mutter?« »Wol, wol, Herr Sohn!« – »Nicht verwendet?« »A wo! Ich habs gspart für Di! Du bist a Verwöhnter worden – man kann nia wissen.« Er sieht sie ernsthaft an. »Die Mutter meint, ich brauch sie noch einmal?« Beider Augen treffen sich, – um ihre blutlosen Lippen geht ein leises Lächeln. Es ist beinahe Schelmerei drinnen: so lächeln Mütter ihre kleinen Kinder an. Wissend, sie sind notwendig, ihren Platz fest behauptend. Er streckt ihr plötzlich die Hand hin, beinahe demütig. Eine Wärme, nicht mehr empfunden seit Jahrzehnten, quillt in ihm empor. »Die Mutter schafft noch immer?« sagt er leise. »Hat mir Strümpfe gestrickt, die sind nicht zum Umbringen. Sie kratzen, aber sie halten.« »Das glaubst!« lacht die Frau. »Und das Leinen, das selbstgewebte.« Sie sieht strahlend zu ihm auf. »Das paßt 'n Herrn Sohn halt!« Er senkt die Augen. Er hat die Gaben der Mutter nie verwendet. Sie wischt ihre Hand an der Schürze ab. »Ich hab a weng aufkocht. Was du« – es kommt schüchtern heraus – »als a Bua und Seminarist alleweil gar so gern gegessen hast. Was mir halt da essen in Landl, die richtigen Griesknödl mit'n Speck drein, so schen locker und die Säusuppn und ...«

Er hebt die Hand. »Das langt, das langt!« –

Sie sitzen bei Tisch. Das Festtagskleid der Alten mit Seidenschürze und großer Brosche raschelt aufgeregt. Aber der Zwang ist in dem Augenblick von ihr abgefallen, da sie dem Sohne Selbstverdientes, Selbstgekochtes vorsetzt am alten Tisch, wo sie ihn vermahnt, erzogen, auf die Finger geklopft hat. Er merkt es wohl. Der Unfreiere ist jetzt er. Denn sie war die Treue, und er hatte sie ausgeschaltet als etwas Vergangenes. Er aber blieb ihr immer Gegenwart. Er fühlt sich beobachtet, seine feinen Manieren, die Art zu essen. Er nimmt hastig den Mostbecher in die Hand. Es ist der alte Knabenbecher mit den Schrammen. »Die hast selber g'macht, so a recht a Wilder bist gwesen«, tadelt die Mutter. Der dünngewordene Löffel erweckt Erinnerungen an Knabenhunger, an manche Kämpfe, bei denen er Waffe war. Der bunte Teller, er kennt ihn wohl. Das alles ist Kindheit, Muttergabe. Sie hat ihn erzogen, ernährt ganz allein, dann ist sie in den Schatten zurückgetreten. – Nur ihre Liebe lebte weiter. Er versinkt in Gedanken. Wo Macht in ein Leben trat, kennt dieses keine Liebe. Glaubt nicht mehr an eine solche. Hier aber muß man glauben. »Tua halt ja essen«, sagt sie und zankt ein bißchen, denn er hat einen Fleck auf das Tischtuch gemacht. Das geschah ihm oft – sie kann es nicht leiden. Einen Mostfleck, der geht nicht mehr heraus. – »Du bist schon no der Sepp, mei Sepp«, sagt sie. Und er, der so lange Josef war, Eminenz und Gnaden genannt wird, lacht hell auf wie einst, knabenhaft. Es fallen von ihm schwere, eiserne Jahre. Die Ewigkeit der Muttergewalt lächelt ihn an.

Da es Zeit wird zu gehen, ein vornehmer Herr, der draußen gewartet, ihn sachte mahnt, nachsichtig hinweglächelnd über die alte Frau, kann der Bischof, – wie seltsam, nicht fortfinden. Immer wieder bleibt er stehn, sieht sich um. Und plötzlich geht über sein Gesicht ein inneres Leuchten, das niemand an ihm kennt. Er hebt die kleine, alte Frau empor, er hält sie einen Augenblick fest an seinem Herzen. »Du kommst mit mir in mein Haus«, sagt er fest. »Du mußt mir Heimat, Liebe, Güte sein, auf meinem Wege; denn man wird hart.« –

*

Der kinderlose Hof.

Das ist nämlich so: Auf dem Raunzerhof sieht man sechs Rangen, zwischen Hühnern und Ferkeln, diebisch vergnügt herumtosen, ihr kleines noch ganz animalisches Leben führend. Es sind Leute zwischen acht und fünf. Vier davon gehören dem Vulgo Raunzer, der eigentlich der Schlankerlois heißt. Er war ein Arger im Lande, die Kinder sind alle unehelich, und ihre verschiedenen Mütter legten sie ihm, ehe sie verschwanden, vor die Türe. So war der Lois. Jetzt ist er verheiratet – solid.

Die Seinige hat auch ihrer zwei mitgebracht – Knechteskinder, wie sie vorkommen, in gesegneten Erntejahren mit fremdem Gesinde, das kommt und geht. Eine richtiggehende Bauerntochter kann einen Knecht schon lieben. Aber heiraten tut sie ihn nicht. Sommerslang ist das Herz recht weich. – Im Herbst, wenn die Knechte gegangen sind, haut dann der Vater und schreit. Später schimpft der Pfarrer fürchterlich. Aber er tauft. Und es fällt keinem ein, das kleine Lebewesen aus dem Haus zu tun. Die ledigen Kinder werden gleich den anderen gehalten.

Niemals verhindern sie den späteren Abschluß einer Ehe. Das Gewesene macht keinem Gram. Es ist vorbei. So haben der Schlankerlois und die Schmieselhubtochter ihr Erspartes einmal endlich zusammengelegt, nebst kleiner Erbschaft, und den Raunzerhof im Gant erstanden, dazu hat's gereicht. Sie sind kopuliert worden nach allen Regeln, mit allen Sitten und Unsitten, haben ihren Hausrat mitgebracht und ein jedes ordnungsgemäß seine kloan Leitln. Zusammen sechs kreuzfidele, wilde, gesunde Kerle. Hierauf haben sie ein christliches, manchmal etwas tätlich ausartendes Eheleben begonnen und miteinander kein Kind gehabt, daher der Raunzerhof der kinderlose Hof heißt. Kopfschüttelnd wandelt der gute Pfarrer an ihm vorbei. Denn da ist immer ein rasender Spektakel, und kleine, wenig bedeckte Gestalten kugeln in Gras und Mist herum. In ihr Handgemenge stürzt sich manchmal blitzartig aus Scheuer und Küche eine drohende Gestalt, die nach rechts und links klatschende Kopfstücke austeilt, ein besonders bedrängtes Untierchen den Nägeln der anderen so energisch entreißt, daß das dem Ärmsten noch etwas weher tut. Und dabei mit seiner Meinung nicht zurückhält. Immer ereignet sich das Originelle, daß der Raunzer für die Brut der Seinigen eintritt und sie für seine Jugenderinnerungen. Beide finden sich gegenseitig herzlos und roh, zur Kinderbetreuung gänzlich ungeeignet. Dann beschimpfen sie einander, laut über ihre Kinderlosigkeit jammernd. »A so a' Straf', da bist nura du schuld! – aso a Heimsuchung, o mei, o mei! Es ist koa Segen auf dem Hof ohne Kinder – es is koa Erb' ned da!« Das wiederholt sich jahrelang. Es steht fest: der Raunzerhof ist kinderlos. Dabei wachsen die kleinen Gedankenlosigkeiten zweier Menschen, die ihn bevölkern, baumstark heran und fangen 's Regieren in Haus und Hof sehr zeitig an. Die Raunzerleut parieren einem jungen, starken Geschlecht, das man rücksichtslos in die Welt geschickt und haben keine Ahnung davon. Darin liegt eine gesunde, natürliche Ironie und Vergeltung. Aber das merkt keiner weit und breit. Nur daß der gute Pfarrer sich ab und zu einen kleinen Gedanken macht.

*

Wannst krank bist nachher ...

Ja, wannst krank bist! O mei, nachher bist a unnütz's Leut, recht läschtig bist nachher – sel wol. Der Bauer glaubt ans Kranksein erst, wanns auf d' Letzt geht.«

Da war der Hauserbauer, – der holte für sich immer nur den Tierarzt, gegen Menschenärzte hatte er ein ganz tiefes Mißtrauen. Er pflegte die Tränke miteinzunehmen, die seinen Rössern verschrieben wurden, – es hat ihm nie geschadet, sagte er. Bloß die Bäurin, die für Menschendoktoren war, weil sie alles so schön auf Lateinisch beredeten, meinte, daß ihn diese Roßkuren noch mehr verrohten. Dazu lachte er. Es war ihm recht. »Sie hat dös notwendi', daß i a Rohling bin«, sagte er.

Beim Hauserbauer hatten sie alle die Masern, rote Fleckerln, nicht zu knapp überall, Hals- und Augenweh, eine große Hitz. Zuerst hatten sie niemanden geholt, höchstens die Basl zum Besprechen. Die sagte: »Was solche Masern betrifft, sie sein a Gotteswille, ma muß eahna niemals nicht stören. Fest Most trinka, fest essen, a weng tarrokieren und d' Fenster nia nicht aufmacha. Dös wär gefährli. Die Masern, die müssen ganz fest beinand bleiben, in der ung'lüften Stuben.« So wollte es die Bäurin auch halten und dazu einen guten Kaffee kochen – aber da stand plötzlich der Ortsarzt da: »Ansteckende Krankheit im Haus?« »So was Deppats – so was Ausgschamts! Steckt da seine Bezirksnasen einer in fremde Masern, wo ein jeder haben kann, wie er mag. Bringt was Stinkats mit, zum Desinfizieren, sagt er.« Schimpft furchtbar über den G'stank in der Stuben. »Verbiet'n Most! In Bett bleiben, schwitzen, die G'sunden isolieren.« »Ja freili! Auseinanderklauben werden mir's und an jeden a Extragschloß bauen. Ja freili!« Alle haben eine Wut, nicht zum sagen. Wie der Bauer heimkommt, hat er die ganz große Wut. Denn draußen warten die Kartoffeln ganz dringend aufs Ausbuddeln. 's ist höchste Zeit. Überall brennt schon das Kartoffelkraut zum Himmel, die Herbstnebel streichen. Und jetzt sind da zwei von seinen Buben, bei denen die Masern auch noch nicht recht herauswollen! Die haben ein saudumms Fieber und sind miserabel. Sowas!

Der Bauer schaut sich um in seiner Spitalstuben und findet keinen, den er hauen könnt; die Köpf sind dick verbunden, die Körper dunsten. Da packt ihn alsdann der heilige Zorn, wie er's ausdrückt. Ganz dammisch wird er, und flucht und brüllt, daß sich auch die Hühner draußen mit dem Hahn zu raufen anfangen. So was steckt an. Und dann wird er mit einem Male ganz sanft, haucherlsanft und von einer bacherlwarmen Freundlichkeit. Aus den hochgetürmten Betten glotzen die verbundenen Häupter seiner Sippe. Was kommt jetzt noch alles? Wird er mit harten Gegenständen schmeißen? Wohin soll man dann? Aber zum Schmeißen kam es nicht. – Eine Stunde später etwa, wie der Doktor auf seinem Steirerwagerl in gewohnter schlechter Laune vorüberrattert an dem Hofe, ist der totenstill, die Haustüre wohl versperrt. Drüben auf den Kartoffeläckern, da rührt sich was; man kann sagen ein reges Leben. Da steht der Bauer gut aufgelegt neben dem sich rasch füllenden Leiterwagen, breitbeinig steht er da, ein stinkendes Kraut, vielleicht von den Kartoffeln, schmauchend. Er überblickt befriedigt die buddelnde Schar seltsamer Gestalten um ihn her. Einige haben furchtbar viel, andere wieder nur so eine Art merkwürdiges Bettgewand an, großkarriert, wie ihre Tuchenden eben sind, andere wieder sehr wenig, besonders nach unten zu, während die Schädel nach beliebter Landessitte ganz schwer und dicht vermacht sind. Ha! Ha! Es sind die Masernkranken, die den Sirenentönen des lockenden Bauers und seinem Haselstecken gefolgt sind, heraus ins Kartoffelfeld zu einer Naturkur. Der Doktor hält, läßt einen ganz fürchterlichen Kernfluch hinübersausen, droht mit der Faust und rasselt weiter. Er kennt seine Leuteln. Da stehst machtlos vis à vis. Die Geschichte ist natürlich nicht gut ausgefallen, es gab Nachkrankheiten, einer hätte fast dran glauben müssen. Und der Bauer sprach: »Dem hab ich's Leben gerettet. Der war ohne mich und die Grundbirn, die ihm die Hitz durch eahnere Feuchtigkeit außertrieben haben – gstorben.« Das sagte er auch dem Doktor mit großer Frechheit. Und dieser vielgeprüfte Mann – schwieg.

*

Sein Bua.

Sein unehelicher Bua, das war der Flößer Toni, der schönste und schneidigste Kerl, landaus – landein. Und der Ärmste! Sein Vater kann und darf ihn niemals anerkennen. Der ist der größte Bauer weitum und der allerärmste Mensch. Er hat, – ein verarmter Anrainersohn, wie er vom Militär zurückkommt, die große Bäurin geheiratet von dem prachtvollen Hof. Um 25 Jahre älter war die Wittib! Schwer reich. Sie hat alles in der Hand behalten. Er war nichts als der Knecht auf ihrem Hof, das hat ihn verbittert. Dann ist die große Lieb in sein Leben kommen, zu einer ärmsten Dirn. Die ist dran gestorben, – von ihr zurückgeblieben ist der kleine Toni. Jeder hat gewußt, wer der Vater ist, die Lindnerin auch. Die Schand' war groß, der Ehbruch eine schwere Sünden.

Jetzt ist der junge Bauer erst recht ein abhängiger Garnichts worden. Sein Bub, ein Gemeindekind, aufgewachsen im Elend, später angenommen vom alten Flößer Martl, hat das harte gefährliche Flößerleben auf sich genommen. Im Lindnerhof, da waren keine Kinder. Der Bauer hat schnell gealtert, zerbrochen war er ganz. Jahr um Jahr fleht er das harte Weib an. »Nimm mein Buben auf, als den Erben – tu's um Gotts Christi Willen!« Sie lacht nur dazu, der Haß spritzt aus ihren Augen. »Der Bub, der Prachtbub verkommt in Elend und zu schwerer Arbeit.« – »So is es recht, ein Bankert soll verkommen.«

Es gehn die Jahre, früh weiß wird der Bauer. Die Alte lebt, es geht ihr gut. Der Flößer Toni betreibt auf der Steier die schweren gefährlichen Floßfahrten. Er schaut dem Vater so gleich – so gleich! – Jeden Sonntag, wenn die großen Bauern mit den schweren Silberketten und Münzen am Festtagsgewand vor der Kirche beisammen stehn unter den Linden, zwischen ihnen der Reichste, der vom Lindnerhof, dann geht ganz allein ein prachtvoller Bursch vorbei, in der ärmlichen Flößerkluft, sonnverbrannt, hager. Und zwei Paar Augen begegnen sich. Das eine Paar starr und fremd, aber so traurig. Er weiß – der Bua. Er weiß schon lang. Das andere Paar schreit und bettelt vor Sehnsucht. Wollt der Bauer ihn anreden, der Bub ging vorbei, ließ ihn stehn. Er kann ihm nicht verzeihn, daß die Mutter hat so sterben müssen. – – Die schwarzen Versuchungen schleichen durch den Lindnerhof.

Das Weib umbringen? Das Testament liegt auf dem Gericht – schon lang! Er bleibt gebunden an Händen und Füßen. Sich rächen? Davon rennen, auch ins Elend. Es bleibt die Ehe, eine katholische Ehe! –

Und eines Tages, nach einem großen Wetter und Wolkenbruch, haben sie den Toni sterbend eingebracht, die breite Brust erdrückt von einer Holzlast. Da bricht der Lindnerbauer zusammen an der Bahr, auf der einer liegt und ihn anschaut aus brechenden Augen. Beide – beide finden keine Worte. In einem letzten Blick zerbrechen zwei Leben.

Bald drauf war der Lindnerbauer tot. Die Alte hat weitergelebt. –



 << zurück weiter >>