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Aufmerksamen Beobachtern kann die Wahrnehmung unmöglich entgangen sein, daß der allweise Schöpfer in seinen stets wohlmotivirten Verfügungen einer ganzen Menschenkaste eine Gabe absolut verweigerte, nämlich dem Geschlechte der Hausmeister die heitere Gabe des Witzes. Der Hausmeister ist nie witzig!
Er ist, was sonstige menschliche Fähigkeiten und Talente betrifft, gerade nicht stiefväterlich ausgestattet, es können sich in ihm die verschiedensten menschlichen Eigenschaften, z. B. hündische Demuth oder bärenbeißige Grobheit bis zur Virtuosität entwickeln, er kann zänkisch und nachgiebig, verleumderisch oder offen und aufrichtig, ehrlich oder unehrlich bis zu einem nur denkbaren Grade sein, aber – witzig wird er nicht sein. In diesem Punkte meistert ihn die gesammte ebenbürtige »Gesellschaft«. Die über dem »Gluthäferl« thronende »Fratschlerin« vernichtet ihn bei halbwegs unüberlegten Anfragen mit den schlagfertigsten Aperçus, der Fiaker persiflirt, d. h. »frozzelt« ihn mit den tiefsinnigsten Stylwendungen, und spitzt der Schusterbub die Lippen, um ein geflügeltes Wort, eine aphoristische Gedankenblüthe seinem natürlichen Feinde, dem Hausmeister, an den Kopf zu schleudern, da fühlt dieser erst recht, daß er nur ein »Kind gegen solche Waffen« und es erübrigt ihm nichts, als sich besiegt zurückzuziehen und seinen unbefriedigten Rachedurst im nächsten Wirthshause mit einem Seite! Achtundvierziger zu löschen. Bei diesen Löschversuchen gedenkt er dann noch einmal der ganzen Schmach seiner dialectischen Niederlage, er fühlt die schmerzliche Ohnmacht, die drastischen Einfälle seiner hänselnden Widersacher mit einem gleich werthvollen Trumpf unschädlich zu machen, der Manen an Witz ärgert ihn, und um das Aergerniß und den Aerger ganz zu vergessen, ist er gezwungen, sich noch ein Seitel Achtundvierziger geben zu lassen.
Warum ist der Hausmeister nicht witzig? Ich glaube seine »Stellung« und seine Berufspflichten hindern ihn, es zu sein. Der Hausmeister ist, sozusagen, der Censor des Hauses, und das Gewicht dieser Würde zwingt ihn gewissermaßen, unter allen Umständen » ernst« zu bleiben, sich aller leichtfertigen Gemüths-Wandlungen zu entäußern und den Ernst seiner socialen Mission mit dem Relief der ungeheucheltsten Brutalität zu illustriren. Diese Brutalität ist aber, um figürlich zu sprechen, eben das Emblem, das »Porte-épée seiner Charge«, sie erhält ihm den Nimbus des »Gefürchtetsein«, und wer sich mit der Errungenschaft »gefürchtet« zu werden begnügt, hat es nicht nöthig, witzig zu sein.
Warum der Hausmeister gefürchtet wird? Aus Anlaß seiner Berufspflichten, welche sich in materielle und intellectuelle theilen und von deren stricter Erfüllung, respective autonomer Auslegung das Wohl und Wehe der ihm preisgegebenen häuslichen Insassen abhängig ist. Dem dictatorischen Willen des Hausmeisters und seiner Verschwärzungsgewalt ist das jus gladii der »Kündigung« überantwortet, von seinen variablen Launen droht Dir stündlich das Mene tekel einer anderweitigen Vermietung Deiner Dir vielleicht liebgewordenen irdischen Niederlassung, und eine durch externe Kräfte geschlichtete Klafter Holz zwingt Dich vielleicht schon im nächsten Quartale, in den entferntesten Bezirk vor dem Grimm des Beleidigten Dich zu flüchten. Seinem Wohlwollen hast Du die besten, und seiner Mißstimmung die schlechtesten Keller- und Bodenräume zu danken, und seiner jeweiligen Inclination bleibt es überlassen, einen »rauchenden« Kachelofen Dir zu octroyiren oder Dich von ihm zu befreien. Denn seine Macht Ueber die inneren Angelegenheiten des Hauses ist eine unbeschrankte, und seinen drakonischen Ordonnanzen fügt sich sogar der unbeugsamste Hausherr.
Weitaus furchtbarer ist jedoch die Amtswirksamkeit des Hausmeisters in jenen Fällen, wo dessen intellectuelle Thätigkeit zum Ausdruck kommen soll. Diese Thätigkeit ist vorwiegend kritischer Natur und beruht auf einem ausgeprägten Classificationstalente, auf dem Vermögen, die gesammte Menschheit nach einem flüchtigen, oberflächlichen Blick in ihren einzelnen, oft maskirtesten Exemplaren richtig abzuschätzen. Geschehen hiebei auch mitunter etliche (wohl verzeihliche) Mißgriffe und rangirt der wenig Umstände machende, rasche Taxator auch die tugendreichste Familie unter »Bagaschi« – oder umgekehrt, und erhält der wortkarge Zimmerherr auf der hinteren Stiege einzig und allein seiner »Schmutzerei« wegen, in der Privatconduitliste der Inwohner sein verdächtiges »Klampfl«, während der splendidere Herr von X., der zugleich »Gönner« der jungfräulichen »Hausmeisterischen« ist, als leuchtendes Vorbild für enthusiastische Patrioten proclamirt wird, so werden ungeachtet dieser (freilich nur kleinen) Abweichung von der Wahrheit, die mündlichen Relationen des Hausmeisters unter einigen Himmelsstrichen doch mit Vorliebe bei Verfassung von »Auskunftstabellen« benützt.
Und warum nicht? Um den Werth oder Unwerth irgend eines Sterblichen zu bestimmen, genügt in unserem aufgeklärten Jahrhundert für den gewissenhaftesten Forscher schon die Kenntniß von dem nur äußeren Thun und Lassen des Betreffenden. Wer kann aber darüber den »verläßlichsten« Bescheid geben, als der Hausmeister, dessen Argusaugen nichts entgeht, was das Object seiner Beobachtung unternimmt, ja selbst was es zwischen seinen vier Mauern ißt oder trinkt? Nun ist es allerdings möglich, daß der Hausmeister, der in gewissen Beziehungen und trotz seines häßlichen Beinamens »Cerberus« doch auch Mensch ist, menschlich fühlt und denkt und von menschlichen Leidenschaften geleitet wird, hin und wieder nicht ganz klar sieht, nicht mit nüchterner Ruhe aburtheilt und nicht mit vollends unbenebelten Blicken die Gründe wiegt, die zu Gunsten oder zum Nachtheile seines Clienten sprechen. Es ist ferners aus den rein menschlichsten Motiven denkbar, daß der Hausmeister dem »niederträchtigen, elendigen, miserablen Haderlumpen«, der an jedem Abende zehn Minuten vor zehn Uhr beim Thor hereinhuscht und auf diese Weise ihm sein wohlverdientes, vor Gott und der Welt gehöriges Zehnerl sozusagen aus der Tasche stiehlt, nur deshalb bei der nächsten »Qualification« seiner Unterthanen etwas scharf zu Leibe geht, und daß er auch die »nixnutzige Flitschen«, die Nähterin, von der er das ganze Jahr »nit an lucketen Heller« zu sehen bekommt, und die sich sogar ihr Stübchen selbst geweiht hat, um ihm ein Seitel Wein »nit zu verguna«, bei Nachfragen und Auskünften ebenfalls nicht am Glimpflichsten kritisch beleuchtet – dessenungeachtet ist der Hausmeister doch der legitimste Verfasser der Conduitelisten. Denn, nochmals sei es gesagt, der Hausmeister ist in vielen Fällen auch Mensch, d. h. dem Einflusse und dem Eindrucke materieller Bestimmungen unterworfen, und selbst der minder Gebildete wird es dem Vielgeplagten nicht verargen, wenn ihm ein Seitel Wein lieber ist als – keines! –
Aber auch sonst noch ist dem »richtigen« Hausmeister Gelegenheit gegeben, es zu zeigen, daß sein Herz nicht das eines Tigers, sondern auch – wenn auch nur sporadisch – menschlich-edler Empfindung fähig ist. Ich meine nicht die freudigen Kundgebungen des noch unverdorbenen Theiles seines Gemüthes bei gewissen festlichen Anlässen, etwa zu Neujahr, am Geburts- oder Namenstage des Hausherrn oder der Hausfrau oder anderer Mäcene – derlei versteht sich in seiner exceptionellen Stellung vis-à-vis der übrigen Menschheit von selbst. Ich meine vielmehr jene sympathischen Regungen seines Herzens, wenn er Sonntag Nachmittags in seinem Alkoven, wie der ehrwürdige Bruder Lorenzo in seiner dürftigen Klause, den Liebenden ein flüchtiges Asyl gewährt, d. h. es gestattet, daß der Schneidergeselle Romeo von »schräg übri«, dem's auf ein' Maß Wein nicht ankommt, der Juli vom zweiten Stock, die immer »a brav's urdentlich's Mad'l war«, und stets ein paar böhmische Dalkerln oder sonstige Ersparnisse als Opfergabe spendet, in traulichem Geplauder von den Träumen der letzten Nacht und den Plänen für die Zukunft vorerzählt.
Derlei unter den schützenden Fittigen des Hausmeisters arrangirte tête-à-tête, von Mißgünstigen oder Unbegünstigten mit dem vulgären Namen » Schluf« bezeichnet, verschaffen ihm nach und nach das » moralische« Uebergewicht im Hause und auf fünfzig Schritte in der Nachbarschaft, d. h. er macht nicht nur sämmtliche Köchinnen tributär und von seiner Gnade abhängig, er wird, da er die Zufluchtsstätte der Liebenden, schließlich überhaupt das Asyl aller Bedrängten (Köchinnen) und da er tolerant genug ist, nebst Liebesgeflüster auch profanem Klatsch und Tratsch ein gastliches Obdach zu bieten, so zittert eben die ganze Bevölkerung des Hauses, vor den fürchterlichen Areopag in der Hausmeisterkuchel gebracht zu werden.
Aus dem Gesagten erhellt, daß eigentlich der Hausmeister der Schutzgott der Liebenden ist. Seine Macht ist in dieser Richtung eine unumschränkte, er bindet und löst, er knüpft und zerreißt, er erhält und vernichtet die Herzensallianzen auf seinem Herrscherterritorium, denn wenn der allgewaltige Hausmeister eine Liaison protegirt, dann gedeiht sie, wenn er sie aber nicht duldet, dann mögen die Englein des Himmels herabsteigen und sich für das bedrohte Pärchen verwenden, ihr Flehen wäre doch fruchtlos.
Denn er haßt in allen Dingen den Trotz und verlangt Gehorsam und Anerkennung seiner Stellung. Er ist ja nicht unempfindlich für die Leiden der Liebe, ach! er liebte ja selbst einst, und wenn auch seine »Alte« im »rauschenden Lenz der Jugend« mehr Prügel als Küsse von ihm empfing, so weiß er doch, was Liebe ist und kennt die Qualen der Sehnsucht liebender Herzen. Aber seine Protection muß »erworben« werden! Ist dies geschehen, dampft der Altar von den Opfergaben, d.h. »braselt das Halbpfund Jungschweinerne«, das ihm die Jungfer Sali zum Gabelfrühstück in die Wirtschaft gelegt, in seiner Bratröhre, dann schmilzt auch die Eisrinde seiner starren »Grundsätze«, er würdigt die Verdienste der Spenderin, er erklärt ohne Rückhalt, daß die Sali immer »a Muster von an Dienstboten« war und er gestattet ihr deshalb, seine Appartements als Correspondenzbureau zu benützen, in welchem Sonntag Nachmittags der schriftliche Verkehr mit dem Herzallerliebsten vermittelt wird. Er ertheilt ihr dann sogar stylistische Rathschläge und gibt textliche »Schlager« von, wie er aus eigener Erfahrung weiß, untrüglicher Wirkung an, und offerirt ihr schließlich sein eigenes »Petschierstöckel«, um die Schwüre ewiger Treue besiegeln zu können. Von solchen Zügen fast idealer »Liebenswürdigkeit« ist das Leben und Wirken des sonst so rauhen Hausmeisters oft geschmückt.
Wehe aber den Unglücklichen, die seiner Huld nicht theilhaftig zu werden sich bestreben. Der »verdächtige Kerl«, der unter der Hausflur auf die »klane Böhmin« wartet, wird »außig'feuert«, »denn man kann nit wissen, was so a Schäbiak eigentli für Absichten hat und ob er nit eppa gar bei der Hausfrau einbrechen möcht'«. Dem vermummten Unbekannten, der im unnumerirten Fiaker gekommen, um bei der »Zimmerfräul'n« im dritten Stocke eine Visite abzustatten, wird beim Retourwege ein Schaffel Kalk über die Lackstiefletten geschüttet, und selbst der soliden Beamtenswaise, die meist etwas spät von ihrer »kranken Tante« heimkehrt, aber stets vom »Cousin« oder gar vom »Onkel« bis zur Stiege begleitet wird, wird die denkwürdigste Beschämung nicht erspart, denn als einmal der Abschied ein allzu herzlicher zu werden drohte, intonirt der Tugend- und Schlüsselbewahrer des Hauses ein »Mordspectakel« und schreit, daß es in allen Stockwerken zu vernehmen: »No, wird's bald? Nimmt das Gspusi kan End'? Himmelsacrament', i leid' kan Techtl-Mechtl in mein' Haus – schamen's Ihna!! u. s. w.
Das alte Geschlecht der Hausmeister, jenes mit dem Kanonenkreuze gezierten Urtypus der Brutalität, droht übrigens in kürzester Frist auszusterben. Nur Einzelne raisonniren noch hie und da in einer »Schwemm'« und machen ihrem Haß gegen den alten »Napolion« oder irgend einem Zimmerherrn, den sie gerade »am Zug haben«, in haarsträubenden Verwünschungen Luft. Der Nachwuchs verflacht allmählich, die charakteristischen Merkmale ihrer Gilde verschwinden, selbst der Name Hausmeister kommt bereits außer Gebrauch und macht der verfeinerten Titulatur: »Hausinspector« oder gar »Intendant« Platz – kaum daß die gesammte Genossenschaft noch ein Kennzeichen unter einander verbindet und von der übrigen Welt absondert – der unaufhörliche Durst! –