Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 20. Dezember 1835 (an Schober)

Nach so langem Schweigen ist es mir unmöglich, mich hinzusetzen und vom Anfang bis zum Ende zu erzählen; je mehr ich das will, desto weniger komme ich dazu. Am 24. September reiste ich von Rom weg, ging über Ancona nach Venedig, dann nach Triest, war einige Tage in Laibach bei Max [Spaun], der ganz der alte, nur sehr glücklich ist. Von da reiste ich durch Schnee und Eis nach Salzburg, dann nach Gmunden zu meinem Bruder, wo ich eine Woche blieb, von da nach Linz und kam dann den letzten Oktober wieder hier an. Ich hoffte, Geld zu finden, das ich ausstehen habe, und den Ritter Kurt anzufangen, den ich auf der Reife fleißig durchgedacht und, wie ich meine, in ein stattliches Lustspiel umgewandelt habe, bekam aber anstatt 6–700 Gulden keinen roten Heller. Zum Glück hat der Kronprinz mit Arbeit auf mich gewartet und so geht es. Dieser Treffliche ist mir sehr geneigt und hat, wenn auch nicht die richtigsten Begriffe, doch sehr viel Leidenschaft für Kunst und Sinn für selbsterfundene Sachen. Es ist von so einem Herrn genug, wenn er sich 2–3 Stunden mit unsereinem bespricht, ohne zu ermüden. Genug, wenn sonst nichts dazwischen kömmt, da wäre ich geborgen. Von meiner Arbeit in der Residenz macht auch alles ein großes Wesen, mir ist aber bei alledem angst und bang. Mein Leben entscheidet sich von außen günstig, wie es eigentlich einst zu hoffen war, und doch unglücklich, denn ich stehe nicht da, wo ich stehen sollte. Ich habe alle Freude verloren und es geschieht mir immer wieder, daß, wo ich es gut meine und Zutrauen und Neigung verschwende, Täuschung und möglich Hohn der Gewinn ist. Soll ich daran glauben, daß manchmal einer dem Unglück preisgegeben ist, oder ist alles, was ich Gutes glaube und suche, nicht wahr? Ein selbständiges Wirken ist etwas, aber nicht viel, und auch das traue ich mir nicht mehr recht zu. Wäre ich in meiner Jugend statt bewundert und übermütig, fleißig gewesen und still, es wäre eine Freude für mich und manchen, der Geist und Liebe genug hat, sein Leben geformt und verschönert zu sehen und sich daran zu erholen. Mir wird schwer mehr wohl werden. Wir zwei haben uns auch so lieb gehabt und hängen uns, denk' ich, noch ebenso an, aber wieviel Freude hast Du denn an mir erlebt? wie gut haben wir's gemeint und in welche Verwirrungen hat es geführt. – An eines denke ich in Ernst: hier alles auszugeben und in Wien allem miteinander die Stirne zu bieten. Not werde ich nicht brauchen zu leiden, und ich bin doch das Elend los, immer zu machen, was mich nicht freut. Zimmermalen ist auch eine schöne Kunst und ernährt als ehrlichen Mann, nicht als Possenreißer. Hier muß ich zugrunde gehen. – Leb wohl, und wenn es Dich auch etwas Überwindung kostet, so setz Dich nieder und schreib mir, daß wir einmal etwas in Takt kommen. Ich lebe so allein, daß es mir wirklich not tut, von Auswärtigen etwas zu hören. Ich schreibe an eine Menge von Leuten, aber niemand antwortet recht nacheinander. Für Gesellschaft bin ich verdorben und dieses Handwerksleben ist mir unleidlich. Von Herzen wünsche ich, daß Du mehr Freuden hast als ich. Schwind.

 


Franz von Schober
Bleistiftzeichnung von M. v. Schwind

 


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