Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 7. Dezember 1869 (an Mörike)

Verehrter Freund! Wenn einer eine so große Arbeit wie die Melusina anfängt, ist er eigentlich ein Narr, und wenn er sie durchführt, ist er noch einmal einer. Aber was nützt es, das zu wissen! Das Laster sitzt zu fest und läßt einem keine Ruhe. Heute habe ich den letzten Unterrock gemalt und einige grüne Blätter. Ex est, an die Wand gestellt und ein Tuch darüber! Herogegen das Ränzel gepackt und morgen geht's nach Wien! Seit dem neuen Jahr, also zwölf volle Monate hange ich nun, mit Ausnahme eines Ausflugs im Frühjahr und sechs oder acht lausigen Zeichnungen, hange ich an diesem opus und onus, kein Wunder, daß ich vollständig auf dem Hund bin. »Non sono fiacco, ma sono mezzo morto« schreibt ein italienischer Maler an den Herzog von Mailand.

Jetzt wird einmal vierzehn Tage gefaulenzt, dann wollen wir sehen, was wir gemacht haben. Ohne Zweifel das achte Weltwunder. Wenn nur Freund Mörike in einem guten Pelz und geheiztem Waggon die Rundfahrt um die Welt, von Stuttgart nach München, zu wagen zu bewegen wäre. Es ist gar leicht sagen: wir packen das Zeug in eine Kiste; wenn's aber drum und dran geht, wird einem grün und gelb, und ob das aufgezogene Papier die Kälte aushält ohne Schaden, weiß der Teufel. Die Gläser sind ohnedem hin, Gläser, deren Anschaffung meine mangelhaften Kenntnisse im Einmaleins bedeutend gefördert haben wird. Ich weiß jetzt ganz genau und für immer, daß 9 · 9 = 81 ist. So was merkt man sich.

Ich kann die Wiener, die sich lang und bestimmt auf mich freuen, nicht sitzen lassen; sonst ließe ich die Gelegenheit nicht vorbei, mit Ihnen und Lachner zusammen einen Abend zu verkneipen. Aber es geht nicht mehr. Grüßen Sie den Alten vielmals und gratulieren zu den Leipziger und hoffentlich auch Stuttgarter Erfolgen. Ich habe heute gegen die Tochter Mimi geprahlt, wenn sie mit mir zu der Aufführung der »Catharina«Franz Lachners Oper »Catharina Cornaro« wurde damals in Stuttgart aufgeführt. dem Papa zur Überraschung nach Stuttgart führe, würde sie bei Mörike statt meiner auf dem Kanapee einquartiert werden. Ist das wahr oder nicht?

Morgen früh werde ich sehr behaglich aufstehen, weil die verdammte Arbeit nicht mehr auf mich wartet. Jetzt muß was her in größerem Maßstab, wenige Figuren und recht durchgebildete Hände, Köpfe, Falten. Mit der Kohle gezeichnet und leicht gefärbt; das geht auch vom Fleck. Leben Sie tausendmal wohl und gönnen Sie mir die Freude, Ihnen das angenehme Ereignis gleich mitzuteilen. Ein Stein ist vom Herzen.

Ihr alter M. v. Schwind.


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