Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Zeugenschaft

Nox erat et coelo fulgebat luna sereno
      Inter minora sidera,
Quum tu magnorum numen laesura Deorum
      In verba iurabas mea.
                Horat. V. 15.

       

Nacht war's, geöffnet sahn die Augen
Des Himmels all' auf uns herab,
Als ew'ge Zeugen jenes Wortes,
Das feierlich ihr Mund mir gab.

Bei Tage wandelten wir wieder
Gleichgültig aneinander hin;
Bei Tage fiel kein Wort der Liebe –
Nicht für die Welt war unser Sinn.

Das Wort, das sie bei Nacht gesprochen,
Der Tag hat nichts davon gehört;
Doch Nacht und Mond und Sterne wissen's
Und wissen, daß sie mich betört.

Drum will ich auch dem Tag nichts klagen,
Den sie mit keinem Schwur entweiht;
Der Nacht nur kann ich's nicht verhehlen, –
Sie ist zur Zeugenschaft bereit.

Nicht quälend zwar soll sie mich rächen,
Nicht foltern sie mit Pein dafür,
Sie soll sie nur bisweilen mahnen,
Sie fragen: Was sie tat an mir?

Nur schaudernd durch die Seel' ihr zucken,
Wenn oft der Schlummer spröde säumt,
Und kalt die Wangen ihr behauchen,
Wenn sie von Liebesschwüren träumt!

 


 


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