Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Ebenbürtigkeit

Is there upon earth a gem so
precious, as the human soul?
              O. Goldsmith.

       

»Schön ist das Mädchen,« sagst du, »jung und gut,
Doch arm, entsprossen aus gemeinem Blut;
Ich lieb' es, fand kein bessres noch auf Erden,
Doch, wie ich bin, kann es mein Weib nicht werden.

Entstammt bin ich aus altem Blut, bin reich,
Drum ist sie vor den Menschen mir nicht gleich;
Im Reich der Liebe muß ich sie verehren,
Im Reich der Welt ihr, ach! den Rücken kehren!«

So klagst du, Freund; pfui! nimm das Wort zurück!
Daß du sie liebst, gesteht dein trunkner Blick;
In deinem Auge liegt dein Herz, das frage,
Und schände nicht den Mund durch schnöde Klage.

Sie hangt an dir so inniglich, so warm,
Vergessend, daß du reich, sie will dich arm,
Sie sieht durch deines Standes starre Hülle
In deines Herzens bessre Lebensfülle.

Wirf ihn von dir, den stolzen Wahn der Welt,
Erkenn' es, welch Gefühl die Brust dir schwellt,
Es liegt so viel im Tiefsten ihrer Seele,
Was sich vereint zum köstlichsten Juwele.

Und diesen wunderbaren Edelstein
Löst alles, was du hast und bist nicht ein!
Kann's einen schönren Diamant im Leben
Als eine schöne Menschenseele geben?

Geschmückt mit dieses Kleinods heil'ger Zier,
Steht sie, o Freund, erhaben über dir;
Worauf du stolz bist, leg es ab als Bürde,
Dann wirb um sie, erst würdig ihrer Würde!

 


 


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