Es ist die Zeit ein Riesenferner,
Für jedes Menschenmaß zu groß,
Der an dem Nebelrand der Welten
Emporragt aus der Urnacht Schoß.
Wie mit des Alpenlandes Fernern,
So ist es auch mit dem – der Zeit;
In seinem Innern kocht und gäret
Geheimnisvolle Tätigkeit:
Ein ew'ger Kampf von Elementen,
Ein ewig Wachsen und Vergehn,
Ein Dehnen und Zusammenschrumpfen,
Wovon wir nur die Wirkung sehn.
Bald quillt aus seinen tiefsten Adern
Ein reiner Labequell hervor,
Bald wälzt er Ströme der Zerstörung
Aus berstendem Kristallentor.
Bald haucht er in des Tales Schwüle
Den frischen Alpenwind hinab,
Bald schmettert er mit Sturzlawinen
Ein blühend Hirtental zu Grab.
Und so entströmt bald Fluch, bald Segen
Ans unbekanntem Labyrinth,
Und was wir Monden, Jahre nennen,
Sind Quell und Strom und Sturz und Wind. –
So stehn wir wieder stumm erwartend,
Was uns der Ferner bringen will;
O wär', was er geheim bereitet,
Ein klares Bächlein, sanft und still.
Ein Bächlein, wie's die Hirten lieben,
Das Fluren tränkt und Blumen netzt,
Und Friedensauen freundlich spiegelt
Und Herden labt und Wandrer letzt.
Ein Bächlein, das, gereift zum Flusse,
Beglückter Städte Wäll' umfließt,
Und Bilder heitren Menschenfleißes
In seinen Silberrahmen schließt.
Ein Wasser, das mit seinem Rauschen
Gar sanft zum Chor der Musen stimmt,
Ein Wasser, das nicht Trauen mehret,
Nein, – Tränen mit von hinnen nimmt;
Ein Wasser, drein wie in die Lethe
Die Trauer ihre Last begräbt,
Indes aus seinem Wellenbade
Die Freude sich verjüngt erhebt;
Ein Wasser, das einst an der Grenze,
Wo's mündet in den Ozean,
Befrachtet mit der Völker Segen,
Ausströmen und zerfließen kann!
Um das, o Zeit, du Riesenferner,
Fleht heut' die Menschheit tiefbewegt:
Zeig ihr, daß in der Brust von Eise
Dir doch ein Herz voll Liebe schlägt! |