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Die Verlangsamung des allgemeinen Tempos der sozialistischen Entwicklung; das Anwachsen der neuen Bourgeoisie in Stadt und Land; die Stärkung der bürgerlichen Intelligenzschichten; die Vermehrung des Bureaukratismus in den staatlichen Organen; die schlechte Parteileitung; und in Verbindung mit alledem das Anschwellen eines Großmachtchauvinismus und ein nationalistisches Denken im allgemeinen – alles dieses findet seinen höchst ungesunden Ausdruck in dem Problem der Nationalitäten und der autonomen Republiken innerhalb der Sowjetunion. Die Schwierigkeiten verdoppeln sich dadurch, daß in einigen dieser Republiken noch Überreste einer vorkapitalistischen Kultur vorhanden sind.
Unter der neuen Wirtschaftspolitik verstärkt sich die Rolle des Privatkapitals mit besonderer Schnelligkeit in den industriell rückständigen Grenzgebieten. Hier verlassen sich die wirtschaftlichen Organe oftmals ganz und gar auf die Privatkapitalisten. Sie setzen Preise fest, ohne die wirkliche Lage der armen und mittleren Bauernmassen zu beachten. Sie senken künstlich die Löhne der ländlichen Arbeiter. Sie verbreiten maßlos das System privater Vermittlungsagenturen zwischen den Industrien und den Bauern, die Rohmaterial brauchen. Sie leiten die Genossenschaften in die Richtung größerer Dienstleistungen gegenüber den reichen Schichten in den Dörfern. Sie vernachlässigen die Interessen jener besonders rückständigen Gruppe, der Viehzüchter und Kleinviehzüchter. Die wichtigste Aufgabe – die Durchführung einer planmäßigen Industrieentfaltung, besonders in der Bearbeitung ländlicher Rohprodukte – bleibt vollständig im Hintergrund.
Bureaukratismus, gestützt auf Großmachtchauvinismus, hat es dahin gebracht, die Sowjetzentralisierung zu einer Quelle von Streitereien über die Verteilung von behördlichen Stellen unter den Nationalitäten zu machen (die südkaukasische Föderation). Er hat die Beziehungen zwischen dem Zentrum und den Grenzbezirken verdorben. Er hat ganz unbestreitbar den Begriff des Sowjets der Nationalitäten zu einem Nichts herabgesetzt. Er hat die bureaukratische Bevormundung der autonomen Republiken soweit gebracht, daß diese nicht einmal mehr das Recht haben, Landstreitigkeiten zwischen der eingeborenen und der russischen Bevölkerung zu entscheiden. Bis zum heutigen Tage bleibt dieser Großmachtchauvinismus, besonders wie er sich durch den Regierungsapparat ausdrückt, der Hauptgegner eines Zusammenrückens und Verschmelzens der Arbeiter verschiedener Nationalitäten.
Eine wirkliche Unterstützung der Armen, ein engeres Band zwischen den mittleren Bauern, den armen Bauern und den Landarbeitern, eine Organisierung der letzteren zu einer unabhängigen Klassenmacht – alles dieses ist von besonderer Wichtigkeit in den nationalen Territorien und Republiken. Ohne eine wirkliche Organisation der Landarbeiter, ohne genossenschaftliche und organisatorische Zusammenfassung der Armen, laufen wir Gefahr, unsere rückständigen östlichen Regionen in ihrem herkömmlichen Zustand der Sklaverei zu lassen und unsere Parteizentren in diesen Regionen ganz der ehrlichen Mitglieder aus den unteren Klassen zu berauben.
Es sollte die Aufgabe der Kommunisten im Bereich der mehr rückständigen oder gerade erwachenden Nationalitäten sein, den Prozeß des nationalen Erwachens in sowjetsozialistische Kanäle zu leiten. Wir sollten die arbeitende Masse für das wirtschaftliche und kulturelle Werk des Aufbaus heranziehen, besonders durch die Entwicklung der lokalen Sprachen und Schulen und durch Nationalisierung des Sowjetapparates.
In Regionen, in denen eine Reibung mit andern Nationalitäten oder nationalen Minderheiten herrscht, wird der Nationalismus, wenn er von einem Anwachsen bürgerlicher Elemente begleitet ist, oft ganz aggressiv. In solchen Fällen wird die Nationalisierung meist auf Kosten der nationalen Minderheiten durchgeführt. Grenzfragen werden zu einer Quelle nationalen Grolls. Die Atmosphäre in der Arbeit der Partei, des Sowjet und der Gewerkschaften ist dann durch Nationalismus vergiftet.
Ukrainisierung, Türkisierung usw. kann auf richtige Weise nur nach Ausrottung der bureaukratischen Bestrebungen und Großmachtneigungen in den Einrichtungen und Organen der Union durchgeführt werden. Sie kann nur dann in richtiger Weise fortschreiten, wenn die beherrschende Rolle des Proletariats in der nationalen Republik gewahrt bleibt, wenn wir uns auf die unteren Klassen stützen und einen unaufhörlichen und unerbittlichen Kampf gegen den Kulak und die chauvinistischen Elemente führen.
Diese Fragen sind besonders wichtig in solchen industriellen Zentren, wie der Donniederung oder in Baku, deren proletarische Bevölkerung in ihrer breiten Masse eine andere Nationalität hat, als das umgebende Land. In diesen Fällen verlangt eine richtige kulturelle und politische Beziehung zwischen Stadt und Land ein besonders aufmerksames und echt brüderliches Achten der Städte auf die materiellen und geistigen Bedürfnisse des anders gearteten Landes, ferner einen entschlossenen Widerstand gegen jeden bürgerlichen Versuch, zwischen Stadt und Land durch bureaukratische Anmaßung gegenüber den ländlichen Bezirken, oder durch den reaktionären Haß des Kulak gegen die Stadt einen Keil zu treiben.
Unsere bureaukratische Regierung überläßt die Rolle, eine oberflächliche Schein»nationalisierung« vorzutäuschen, ganz den Beamten, Ingenieuren und kleinbürgerlichen Lehrern, die durch unzählige wirtschaftliche und kulturelle Fäden mit den oberen Schichten von Stadt und Land verbunden sind. Dies reißt den eingesessenen Armen aus der Partei und dem Sowjetverband und treibt ihn in die Arme der Handelsbourgeoisie, der Wucherer, der reaktionären Priester und feudalpatriarchalischen Elemente. Zur gleichen Zeit wirft unsere bureaukratische Leitung die echt kommunistischen Elemente in der Nationalität zum Tor hinaus, verfemt sie als Ketzer und verfolgt sie auf jede nur mögliche Art. Dies erlebte zum Beispiel eine bedeutende Gruppe alter georgischer Bolschewisten, die sich das Mißfallen der Stalingruppe zuzogen und von Lenin in seiner letzten Lebenszeit glühend verteidigt wurden.
Die durch die Oktoberrevolution ermöglichte Erhebung der arbeitenden Massen der nationalen Republiken und Territorien ist der Grund, warum diese Massen nach einer unmittelbaren und freien Teilnahme am öffentlichen Leben streben. Unsere bureaukratische Regierung versucht diese Teilnahme dadurch zu lähmen, daß sie die Massen durch ihr Geschrei über lokalen Nationalismus erschreckt.
Der zwölfte Kongreß unserer Partei betonte die Notwendigkeit eines Kampfes gegen »die Überbleibsel von Großmachtchauvinismus«, gegen »die wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheit der Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion«, gegen »die Überbleibsel von Nationalismus in einer ganzen Reihe von Völkern, die das schwere Joch russischer Unterdrückung ertragen haben«. Die vierte Konferenz der Partei mit den verantwortlichen Leitern der nationalen Republiken und Territorien (1923) erklärte, es sei »die Bildung und Entwicklung von kommunistischen Organisationen unter den proletarischen und halbproletarischen Elementen der lokalen Bevölkerung in den nationalen Republiken und Territorien ein Grundproblem der Partei.« Die Konferenz betonte einmütig, daß Kommunisten, die vom Zentrum nach den rückwärtigen Republiken und Territorien gingen, nicht die Rolle von »Pädagogen und Kindermädchen, sondern von Helfern« zu spielen hätten. Während der letzten Jahre hat sich die ganze Sache genau in entgegengesetzter Richtung entwickelt. Die Häupter des nationalen Parteiapparats nehmen, geleitet durch das Sekretariat des Zentralausschusses, die tatsächliche Entscheidung aller Partei- und Sowjetfragen auf sich. Sie machen die wirklichen Arbeiter der Nationalitäten zu einer Art Zweiterklasse-Kommunisten, die man bei dem Geschäft nur zuläßt, damit sie eine rein formale, repräsentative Rolle spielen (Krimm, Kasakstan, Turkmenistan, Tartarei, die Bergprovinzen des nördlichen Kaukasus usw.). Eine von oben betriebene künstliche Einteilung aller lokalen Parteiarbeiter in »Rechte« und »Linke« wurde eigens geschaffen, um es dem durch die Zentralleitung ernannten Sekretär zu ermöglichen, nach Wahl über beide Gruppen zu verfügen.
Auf dem Gebiete unserer Nationalitätenpolitik ist es ebenso wie auf andern Gebieten notwendig, zu dem leninistischen Standpunkt zurückzukehren: