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Über meine militärische Arbeit, die im Frühjahr 1918 begann, ist ebenfalls unter der Führung Stalins der Versuch gemacht worden, die Geschichte umzuschreiben. Man hat wirklich versucht, um gegen den »Trotzkismus« zu kämpfen, oder ehrlicher gesagt, um gegen Trotzki zu kämpfen, die ganze Geschichte des Bürgerkrieges umzuschreiben.
Hier den Hergang der Bildung der Roten Armee und der Beziehung Lenins zu diesem Werk zu erzählen, hieße eine Geschichte des Bürgerkrieges schreiben. Augenblicklich schreiben sie im Auftrage Stalins, Leute wie Gusew. Später werden andere sie schreiben. Ich muß mich begnügen, zwei oder drei, auf Dokumente gestützte Beispiele zu geben.
Als Kasan von unseren Truppen genommen war, erhielt ich einen telegraphischen Glückwunsch von Wladimir Iljitsch, der sich damals grade von seiner Krankheit erholte:
»Mit Begeisterung begrüße ich den herrlichen Sieg der Roten Armee. Er möge uns ein Wahrzeichen sein, daß die Verbindung der Arbeiter und revolutionären Bauern die Bourgeoisie vollständig zerschmettern, daß sie jeden Widerstand der Ausbeuter vernichten und den Sieg des Weltsozialismus sichern wird. Hoch lebe die Arbeiterrevolution.
Lenin.
Den 19. September 1918.«
Die gegen Lenins sonstige Art sehr gehobene Sprache des Telegramms – »Mit Begeisterung begrüße ich« – bezeugt, welche ungeheure Bedeutung er, und zwar mit Recht, der Einnahme von Kasan beilegte. Hier wurde der erste und tief entscheidende Beweis für die Stärke der vereinigten Arbeiter und revolutionären Bauern geliefert, die sich inmitten des wirtschaftlichen Ruins und der durch den imperialistischen Krieg geschaffenen furchtbaren Verheerung doch noch fähig erwiesen, eine kämpfende, revolutionäre Armee zu schaffen. Hier erlebte das System der Roten Armee seine Feuerprobe, und Lenin erkannte die Bedeutung dieser Feuerprobe.
Auf dem achten Parteikongreß hat eine Gruppe von Soldatenabgeordneten die Kriegspolitik kritisiert. Die Stalins und Woroschilows haben sich neuerdings so geäußert, als hätte ich mich nicht getraut auf dem Kongreß zu erscheinen und diese Kritik anzuhören. Wie völlig fern ist das von dem wirklichen Hergang. Ich gebe hier den Beschluß des Zentralausschusses über meine Abreise zur Front am Vorabend des Kongresses:
Auszug aus dem Bericht über die Sitzung des Zentralausschusses vom 16. März 1919. Anwesende Mitglieder: die Genossen Lenin, Sinowjew, Krestinski, Wladimirski, Stalin, Schmidt, Smilga, Tscherschinski, Laschewitsch, Bucharin, Sokolnikow, Trotzki, Stasow.
Gegenstand:
(12) Verschiedene Genossen von der Front, die von dem Beschluß einer sofortigen Rückkehr der Führer an die Front hörten, haben die Richtigkeit dieses Beschlusses angezweifelt, da die Frontorganisationen daraus eine Weigerung der zentralen Regierung, die Beschwerden der Armee anzuhören, herauslesen könnten. Einige bezeichnen es sogar als eine Ausflucht, denn die Abreise des Genossen Trotzki und die Nichtzulassung der Soldatenabgeordneten machten es nutzlos, die Frage der militärischen Politik auch nur anzuschneiden. Genosse Trotzki protestiert gegen die Auslegung des Beschlusses des Zentralausschusses als einer Ausflucht und weist auf die äußerst ernste Lage hin, die durch den Rückzug von Ufa und noch weiter nach Westen geschaffen ist. Er besteht auf seiner Abreise.
Beschluß:
In dem Vorstehenden hat man ein klares Beispiel des Parteiregimes jener Zeit. Alle, die den Zentralausschuß wegen seiner militärischen Politik angriffen, und besonders der Führer der militärischen Opposition, V. M. Smirnow, durften trotz der schwierigen Lage an der Front auf dem Parteikongreß bleiben. Diejenigen, die die offizielle Politik unterstützten, wurden vor der Eröffnung des Kongresses an die Front gesandt. Heutzutage würde man genau umgekehrt handeln.
Die Berichte der militärischen Sektion des achten Parteikongresses, in der Lenin entschieden die von mir auf Weisung des Zentralausschusses durchgeführte Politik verteidigte, sind bisher nicht veröffentlicht worden. Warum? Weil sie vernichtend das falsche Verhalten Stalins und Gusews während des Bürgerkrieges treffen.
Stalin hat den Versuch gemacht, einen lächerlich übertriebenen Bericht über eine militärische Meinungsverschiedenheit, die sich zu Beginn des Jahres 1919 im politischen Bureau hinsichtlich der Lage der östlichen Front bildete, in Umlauf zu setzen. Diese Meinungsverschiedenheit beruhte in der Hauptsache auf der Frage, ob es besser sei, in Sibirien weiter vorzugehen oder am Ural eine feste Stellung einzunehmen und alle unsere Kräfte nach dem Süden zu werfen, um die Bedrohung Moskaus aufzuheben. Ich war eine Zeitlang für den zweiten Plan. Viele militärische Mitarbeiter, darunter Smilga, Laschewitsch, I. N. Smirnow, K. I. Grünstein und andere zogen den ersten Plan vor. Der erste Plan wurde angenommen und erzielte bewundernswerte Ergebnisse. Es befand sich nichts Tiefgehendes in dieser Meinungsverschiedenheit; es handelte sich um eine rein praktische Frage. Der Versuch bewies, daß die Armee Koltschaks in vollständiger Auflösung begriffen war, und das Vorgehen in Sibirien hatte einen durchschlagenden Erfolg.
Die Wiederherstellung der militärischen Disziplin war eine rauhe Arbeit. Sie wurde nicht ohne Unterdrückung und Gewaltanwendung durchgeführt. Mancher Stolz wurde verletzt – manchmal, weil es notwendig war, manchmal aber auch infolge eines Irrtums. Daraus entstand nicht selten Unzufriedenheit, die natürlich häufig ganz berechtigt war. Als sich die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der östlichen Front bildeten, und sich der Zentralausschuß über die Frage eines Wechsels der obersten Leitung schlüssig werden mußte, bot ich meinen Rücktritt von dem Posten des Volksbeauftragten für Heeres- und Marineangelegenheiten an. An demselben Tage, am 6. Juli 1919, faßte der Zentralausschuß einen Beschluß, dessen hauptsächlichen Teil ich in folgendem wiedergebe:
»Das Organisationsbureau und das politische Bureau des Zentralausschusses haben die Erklärung des Genossen Trotzki allseitig erwogen und sind einmütig zu dem Schluß gekommen, daß sein Rücktritt nicht angenommen werden kann.
Das Organisationsbureau und das politische Bureau des Zentralausschusses werden alles tun, was sie können, um die Arbeit an der Südfront, die Genosse Trotzki sich selbst ausgewählt hat, und die die schwierigste, die gefährlichste und wichtigste im gegenwärtigen Augenblick ist, für den Genossen Trotzki bequemer und für die Republik ersprießlicher zu machen. In seiner Stellung als Volkskommissar für den Krieg und Präsident des militärisch-revolutionären Sowjets der Südfront ist Genosse Trotzki, zusammen mit dem von ihm ernannten und vom Zentralausschuß bestätigten Beauftragten der Südfront, Jegorow, vollkommen frei in seinen Handlungen.
Das Organisationsbureau und das politische Bureau des Zentralausschusses geben dem Genossen Trotzki die volle Berechtigung, mit allen Mitteln jede ihm nötig erscheinende militärische Maßnahme zu treffen und selbst dem Parteikongreß vorzugreifen.«
Die Unterschriften unter diesem Beschluß waren: Lenin, Kamenew, Krestinski, Kalinin, Serebriakow, Stalin, Stasow. Der Beschluß spricht natürlich für sich selbst. Er beendete die Meinungsverschiedenheit und brachte die Arbeit in das richtige Geleise.
Noch eine Bemerkung hierzu: Auf der gemeinsamen Sitzung des politischen Bureaus und des Vorstandes des Kontrollausschusses am 8. September 1927 trat Stalin nach dem stenographischen Protokoll dafür ein, der Zentralausschuß solle mir verbieten, die südliche Front zu berühren. Auf diesen Antrag gab ja der oben angeführte Beschluß eine erschöpfende Antwort.
Aber war denn die Meinungsverschiedenheit wegen der östlichen Front die einzige Meinungsverschiedenheit ihrer Art? Keineswegs. Da gab es eine Meinungsverschiedenheit wegen des strategischen Plans gegen Denikin. Da gab es eine Meinungsverschiedenheit wegen Petrograds – ob man es Judenitsch überlassen oder es verteidigen sollte. Da war eine Meinungsverschiedenheit über das Vorgehen auf Warschau und über die Möglichkeit eines zweiten Feldzuges, nachdem wir uns auf Minsk zurückgezogen hatten. Meinungsverschiedenheiten solcher Art entstanden aus dem praktischen Tageskampf und wurden auch im Kampf entschieden.
Über das Vorgehen an der Südfront sind die notwendigen Dokumente in meinem Buch »Wie sich die Revolution bewaffnete« enthalten.
Während Judenitschs Vormarsch auf Petrograd glaubte Lenin einmal, es lohne sich nicht, die Stadt zu verteidigen, und wir sollten unsere Verteidigungslinie näher an Moskau heranrücken. Ich widersprach aber. Genosse Sinowjew unterstützte mich, und wenn ich nicht irre, auch Genosse Stalin. Am 17. Oktober telegraphierte mir Lenin nach Petrograd:
»Genosse Trotzki!
Ich verbrachte die letzte Nacht im Sowjet für Verteidigung und habe Ihnen in Chiffreschrift seinen Entschluß zugesandt.
Wie Sie sehen, wurde Ihr Plan angenommen. Der Rückzug der Petersburger Arbeiter nach dem Süden wurde nicht abgelehnt (man erzählte mir, Sie hätten diese Idee mit Krassin und Rykow entworfen). Vorzeitig hiervon reden würde aber die Aufmerksamkeit von dem Kampf ablenken.
Ein Versuch, Petersburg einzuschließen und abzuschneiden würde natürlich eine entsprechende Veränderung Ihres Handelns verlangen, wozu Sie sofort übergehen wollen.
Bestimmen Sie in jeder Abteilung des dortigen ausführenden Ausschusses jemand, der die Sowjetpapiere und Dokumente sammelt für den Fall, daß eine Räumung nötig wird.
Ich füge ein vom Sowjet für Verteidigung genehmigtes Manifest bei. Ich befand mich etwas in Eile, und so ist das Manifest nicht besonders gut geworden. Setzen Sie meine Unterschrift unter die Ihrige.
Grüße! Lenin.«
Ich könnte viele solcher Geschehnisse aufführen. Sie waren in dem bestimmten Augenblick von großer praktischer Wichtigkeit, aber der Streit darüber hatte keine grundsätzliche Bedeutung. Es war kein Kampf um Grundprinzipien, sondern ein Ausarbeiten des besten Plans zur Bekämpfung des Feindes zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort. Die Stalins und Gusews sind dabei, die Geschichte des Bürgerkrieges umzuschreiben. Es wird ihnen nicht gelingen.