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Raskolnikos zwei Meinungen

Genosse Raskolnikow hat in der letzten Zeit ziemlich viel Papier beschrieben, um meine Haltung im Jahre 1917 zu der Haltung Lenins in einen Gegensatz zu bringen. Es ist unnötig, Beispiele aufzuführen, besonders da das, was er schreibt, sich in nichts von den andern Fälschungen über diese Periode unterscheidet. Es genügt, wenn ich einige Worte wiedergebe, die dieser selbe Raskolnikow einige Zeit früher über jene Periode geäußert hat.

Er schrieb 1923 in der »Proletarischen Revolution« in einem Artikel »Kerenskis Gefängnis«: »Die früheren Mißhelligkeiten aus der Vorkriegsperiode waren vollständig verschwunden. Keine Unterschiede gab es mehr zwischen der taktischen Haltung Lenins und der Trotzkis. Die Vereinigung, die sich schon während des Krieges bemerkbar gemacht hatte, war eine vollständige und endgültige geworden von dem Augenblick an, da Trotzki nach Rußland zurückkehrte. Bei seiner ersten öffentlichen Rede fühlten wir alten Leninisten alle, daß er einer der Unsrigen war.«

Diese Worte waren geschrieben, nicht um etwas zu beweisen oder um jemand anzugreifen, sondern einfach, um zu erzählen, wie es war. Später zeigte dann Raskolnikow, daß er auch zu erzählen weiß, wie es nicht ist. Als er seine Artikel im Organ des Bureaus für Parteigeschichte von neuem herausbrachte, entfernte er sorgfältig aus ihnen, was war, um es zu ersetzen mit dem, was nicht war.

Vielleicht lohnt es sich nicht, bei dem Genossen Raskolnikow zu verweilen, aber sein Beispiel ist so einleuchtend. In seiner Besprechung des dritten Bandes meiner Werke fragt Raskolnikow: »Und welche Haltung nahm Genosse Trotzki im Jahre 1917 ein?« Und er antwortete darauf: »Genosse Trotzki betrachtete sich noch immer als Mitglied derselben allgemeinen Partei mit den Menschewisten, mit Tseretelli und Skobelew.« Und weiter sagt er: »Genosse Trotzki war sich seiner Wahl zwischen dem Bolschewismus und dem Menschewismus noch immer nicht klar geworden. Zu jener Zeit nahm Genosse Trotzki noch immer eine schwankende unentschlossene und unentschiedene Haltung ein.«

Wie kann man diese wirklich unverschämten Behauptungen mit den oben angeführten Worten desselben Raskolnikow in Übereinstimmung bringen: »Die früheren Mißhelligkeiten aus der Vorkriegszeit waren vollständig verschwunden?« Wenn Trotzki sich noch nicht klar geworden war über seine Haltung gegenüber dem Bolschewismus und dem Menschewismus, wie war es dann möglich, daß, »alle wir alten Leninisten fühlten, daß er einer der Unsrigen war?«

Aber das ist nicht alles. In dem Artikel »Julitage« in der Proletarischen Revolution schrieb dieser gleiche Raskolnikow 1923:

»Leo Davidowitsch (Trotzki) war zu jener Zeit formell kein Mitglied unserer Partei, aber tatsächlich arbeitete er in ihr ununterbrochen von dem Tage seiner Ankunft in Amerika an. Jedenfalls betrachteten wir alle ihn nach seiner ersten Rede im Sowjet als einen unserer Parteiführer.«

Das klingt klar und deutlich, und es erscheint fast unmöglich, eine falsche Auslegung in diese Worte hineinzulegen. Aber keine Angst, den planvoll vorgehenden und durch behördliche Anweisungen gestützten Fälschern ist alles möglich.

Damit nun das Verhalten Raskolnikows, das so charakteristisch ist, nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für das ganze jetzige System unserer Führerschaft, in seiner vollen Schönheit erstrahlt, muß ich aus seinem Artikel über »Kerenskis Gefängnis« einen längeren Absatz zitieren. Er lautet:

»Trotzkis Haltung gegenüber Wladimir Iljitsch war die der höchsten Verehrung. Er stellte Lenin über alle Zeitgenossen, die er in Rußland und im Ausland kennengelernt hatte. In dem Ton, in dem Trotzki von Lenin sprach, fühlte man die Ehrfurcht eines Schülers. Zu jener Zeit hatte Lenin dreißig Jahre, Trotzki zwanzig Jahre für das Proletariat gearbeitet. Die früheren Mißhelligkeiten aus der Vorkriegszeit waren vollständig verschwunden. Keine Unterschiede gab es mehr zwischen der taktischen Haltung Lenins und der Trotzkis. Die Vereinigung, die sich schon während des Krieges bemerkbar gemacht hatte, war eine vollständige und endgültige geworden von dem Augenblick an, da Trotzki nach Rußland zurückkehrte. Bei seiner ersten Rede fühlten wir alten Leninisten alle, daß er einer der Unsrigen war.«

Dieses Zeugnis Raskolnikows über die Beziehungen zwischen Lenin und Trotzki hindert ihn natürlich nicht, in gehässiger Weise einen Brief an Scheidse, einen Führer der Menschewisten, zu zitieren, in dem ich – es war 1912, zur Zeit meines heftigsten Disputs mit Lenin – diesen scharf angriff.

Ich muß noch hinzufügen, daß Raskolnikow mich oft während seiner Tätigkeit in den Sommermonaten des Jahres 1917 traf. Er brachte mich im Wagen nach Kronstadt, wandte sich oft an mich um Rat, hielt mit mir lange Unterredungen im Gefängnis usw. Seine Erinnerungen haben daher eine unschätzbare Beweiskraft, während seine späteren »Verbesserungen« weiter nichts sind, als die Arbeit eines Fälschers, der auf Befehl seinen Auftrag erfüllt.


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