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Die Wiedererstarkung des Kapitalismus und die Taktik der kommunistischen Internationale

Einer der Hauptlehrsätze des Bolschewismus ist der, daß mit dem Weltkrieg und unserer Revolution die Epoche der sozialistischen Revolution begonnen hat. Die kommunistische Internationale wurde als eine »Partei der Weltrevolution« gegründet. Eine Anerkennung dieser Tatsache wurde in den »einundzwanzig Punkten« festgelegt. Und es war in erster Linie auf diesem Gebiete, daß die Kommunisten sich mit den sozialdemokratischen, unabhängigen Menschewisten aller Schattierungen entzweiten.

Natürlich bedeutet eine Anerkennung der Tatsache, daß mit dem Kriege und dem Oktobertag eine Epoche der Weltrevolution begonnen hat, noch nicht, daß wir zu jeder gegebenen Zeit unmittelbar vor einer revolutionären Situation stehen. In gewissen Perioden, in einzelnen Ländern und in besonderen Produktionszweigen ist der »sterbende Kapitalismus« (Lenin) einer gewissen Wiederherstellung seiner Wirtschaft und selbst einer Weiterentwicklung seiner produktiven Kräfte fähig. Die Epoche der Weltrevolution wird ihre Perioden der Hebungen und Senkungen haben. Um so wichtiger wird es für die arbeitende Klasse und ihre Partei sein, sich bereit zu halten, nicht dem Einfluß der konterrevolutionären Sozialdemokratie zu verfallen und eine tüchtige Führerschaft in der Internationale zu besitzen. Aber diese Ebbe und Flut in der Revolution ändert nichts an der grundsätzlichen Leninschen Einschätzung unserer gegenwärtigen Epoche im ganzen. Nur diese Einschätzung kann die Grundlage der revolutionären Strategie der kommunistischen Internationalen bilden.

Nun ist aber die Stalin-Gruppe infolge einer Reihe von Niederlagen der internationalen revolutionären Bewegung und der daraus entstandenen pessimistischen Stimmung, ohne daß sie es selbst merkte, zu einer vollständig »neuen« und im Grunde sozialdemokratischen Einschätzung der augenblicklichen Epoche gekommen. Die neue »Theorie«, daß der Sozialismus auch in einem bestimmten Lande allein durchgeführt werden könnte, entspringt natürlich der Annahme, die Wiedererstarkung des Kapitalismus würde noch eine Reihe von Dekaden andauern. Es ist kein Zufall, daß die Theorie eines Sozialismus in einem einzelnen Lande von den Sozialrevolutionären sowohl des rechten wie des linken Flügels warm begrüßt wurde. Tschernow hat anläßlich dieses Themas über den »Kommunistischen Populismus« Stalins und Bucharins geschrieben. Das Organ der linken Sozialrevolutionäre schrieb: »Stalin und Bucharin versichern, genau wie Narodniks, daß der Sozialismus auch in einem Einzelland gewinnen kann.« Die Sozialrevolutionäre unterstützen diese Theorie deshalb, weil sie darin einen Verzicht auf die Taktik der Weltrevolution sehen.

In dem auf einen Bericht Stalins durch den vierzehnten Parteikongreß angenommenen Beschluß befindet sich folgende, offenbar falsche Feststellung: »Auf dem Gebiete der internationalen Beziehungen haben wir eine Verstärkung und Verlängerung der ›Atempause‹, die sich zu einer ganzen Periode ausdehnt.« Auf dem siebenten verstärkten Plenum stellte Stalin am 7. Dezember 1926 in seinem Bericht die ganze Politik der Internationale auf die gleiche, vollständig falsche Einschätzung der Weltsituation ein. Diese Einschätzung hat sich inzwischen als offensichtlich falsch erwiesen.

Die Resolution des vereinigten Plenums des Zentralausschusses und des zentralen Kontrollausschusses von Juli und August 1927 spricht ohne die geringste Einschränkung von der technischen, wirtschaftlichen und politischen Wiedererstarkung des Kapitalismus. Dies bringt die Stalinsche Einschätzung der Weltlage noch viel näher an die der Führer der zweiten Internationale (an Otto Bauer, Hilferding, Kautsky und andere) heran.

Seit dem vierzehnten Kongreß sind etwas über anderthalb Jahre verflossen. Im Verlauf dieser Zeit hatten wir, um nur die allerwichtigsten Ereignisse anzuführen, den Generalstreik in England, die gewaltigen Ereignisse der chinesischen Revolution, den Arbeiteraufstand in Wien. Diese mit ihrer ganzen explosiven Kraft hinter den Verhältnissen der »Wiedererstarkung« versteckten Ereignisse zeigen uns, wie viel an zerstörendem Material der Kapitalismus angesammelt hat, wie schwach es in Wirklichkeit mit seiner Erstarkung steht. Diese Ereignisse widersprechen direkt der Theorie des Sozialismus in einem einzelnen Land.

Andere dunkle Seiten der Erstarkung des Kapitalismus sind die 20 Millionen Arbeitslose, die kolossale Untätigkeit des produktiven Apparats, das ungesunde Wachsen der militärischen Rüstungen, die außerordentliche Unsicherheit der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen. Nichts enthüllt so sehr die Eitelkeit der Hoffnung auf eine lange Friedensperiode als die Kriegsgefahr, die gerade jetzt wieder über Europa hängt. Nur der Kleinbürger träumt, verblendet durch den Sieg des Kapitalismus über die Arbeiter, verblendet durch den technischen, wirtschaftlichen und politischen Erfolg des Kapitalismus, von einer Verfestigung der Verhältnisse für Dekaden. Aber die wirklichen Tatsachen, die sich in der Richtung auf einen Krieg hin entwickeln, werden jede Wiedererstarkung in die Luft sprengen. Außerdem werden die Arbeiterklassen und die unterdrückten kolonialen Massen des Ostens immer wieder versuchen, mit Gewalt diese Erstarkung zu vernichten. Jetzt in England, jetzt in China, jetzt in Wien. Wir hatten einen Generalstreik in England bei nur 5000 Mitgliedern der englischen kommunistischen Partei. Wir hatten einen Arbeiteraufstand in Wien bei nur 6000 Mitgliedern der österreichischen kommunistischen Partei. Wir hatten einen bewaffneten Aufstand der Arbeiter- und Bauernmassen in China, während der Zentralausschuß der chinesischen kommunistischen Partei, wie sich jetzt herausstellt, nur ein Anhängsel der bürgerlichen Führerschaft der Kuomintang war. Dies sind die schreienden Widersprüche der gegenwärtigen Weltlage. Dies sind die Tatsachen, die die Erstarkung des Kapitalismus stützen und verlängern sollen. Unser größtes Problem ist heute, die kommunistischen Parteien zu der Höhe der riesigen Anforderungen hinaufzuentwickeln, die die Gegenwart an sie stellt. Aber das verlangt in erster Linie ein richtiges Verstehen der ganzen Weltlage durch die kommunistische Internationale selbst.

Die internationale kommunistische Partei müßte sich die Aufgabe stellen, die ganze internationale Arbeiterklasse zusammenzufassen zur Verhinderung des Krieges, zur Verteidigung der Sowjetunion und zur Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg für den Sozialismus. Dazu sollte man aber vor allem auch die revolutionär gesinnten, noch nicht kommunistischen Arbeiter gewinnen, die Nichtorganisierten, die Syndikalisten, Anarchisten, Gewerkschaftler und sogar die ehrlichen Arbeiter, die noch Mitglieder rein bürgerlicher Organisationen sind. »Unter der vereinten Arbeiterfront muß man die Einheit aller Arbeiter verstehen, die gegen den Kapitalismus kämpfen wollen, und dies schließt auch diejenigen Arbeiter ein, die den anarchistischen Syndikalisten usw. folgen. In den romanischen Ländern ist die Zahl solcher Arbeiter noch recht beträchtlich.« So lautete die Resolution des vierten Kongresses der kommunistischen Internationale unter Lenin. Sie behält noch heute ihre volle Kraft und Geltung. Das gegenwärtige Handeln der Führer der zweiten Internationale und der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale zeigt ganz deutlich, daß sie in einem zukünftigen Krieg in ihrer Unehrlichkeit und ihrem gewissenlosen Verrat noch die Rolle übertreffen werden, die sie 1914 bis 1918 gespielt haben. Der Franzose Paul Boncour hat ein Gesetz eingebracht, das den Verrat der Arbeiterklasse schon jetzt durch einen für den Krieg vorgesehenen bürgerlichen Diktator sichert. Der Generalausschuß der englischen Gewerkschaften verteidigt die Mörder Woikows und billigt die Verschiffung von Truppen nach China. Kautsky in Deutschland predigt einen bewaffneten Aufstand gegen die russische Sowjetmacht, und der Zentralausschuß der deutschen Sozialdemokratie organisiert einen »Handgranatenfeldzug«. Die sozialdemokratischen Minister Finnlands und Litauens und die Führer der polnisch sozialistischen Partei sind ständig bereit, einen Krieg gegen die Sowjetunion zu unterstützen. Die Führer der amerikanischen Gewerkschaftsunion reden wie die giftigsten Reaktionäre und kämpfen offen gegen die Anerkennung der Sowjetunion. Die »Sozialisten« der Balkanstaaten unterstützen die Henker ihrer eigenen Arbeiter und werden ebenfalls ständig bereit sein, einen Krieg gegen die »feindliche« Sowjetunion mitzumachen. Die österreichischen sozialdemokratischen Führer sind in Worten »für die Sowjetunion«, aber Leute, die ihren Faschisten geholfen haben, sich bei dem Aufstand in Wien im Blute der Arbeiter zu baden, werden natürlich im entscheidenden Augenblick auf der Seite der Kapitalisten stehen. Die russischen Menschewisten und Sozialrevolutionäre treten nur deswegen nicht für eine Intervention gegen die Sowjetunion ein, weil bisher noch keine von den stärkeren Nationen zur Intervention bereit sind. Die Führer der sogenannten »linken Sozialdemokratie«, die ihre im Grunde konterrevolutionären Ansichten verbergen, bilden die Hauptgefahr, weil sie mehr als sonst jemand die Arbeiter, die noch dem sozialdemokratischen Banner folgen, daran hindern, endgültig mit diesen Agenten der Bourgeosie in der Arbeiterbewegung zu brechen. Ehemalige Mitglieder der kommunistischen Internationale (wie Katz, Schwartz, Korsch und Rosenberg) spielen dadurch, daß sie mit dem Kommunismus durch eine Ultralinksschwenkung gebrochen haben, dieselbe Verräterrolle.

Ein Liebäugeln mit diesen sozialdemokratischen Führern (die in allen ihren Schattierungen, von den offen Rechtsgerichteten bis zu den angeblich Linksgesinnten, absolut antirevolutionär sind) wird immer gefährlicher werden, je mehr sich uns der Krieg nähert. Die Taktik der vereinten Front dürfte unter keinen Umständen zu einer Vereinigung mit den Verrätern des Generalausschusses der Gewerkschaften oder zu einer Verständigung mit Amsterdam führen. Solch eine Politik würde die Arbeiterklasse verwirren und schwächen, die Stellung der zweifellosen Verräter stärken und die höchste Anspannung unserer Kräfte hindern. Der falsche Kurs, der in der Stalinschen Phrase »Gefahr von links!« gipfelt, hat es in den letzten zwei Jahren so weit gebracht, daß heute die vorherrschende Führerschaft in den wichtigsten Sektionen der Internationale gegen den Willen der Arbeiterkommunisten in die Hände des rechten Flügels geraten sind. (Dies ist in Deutschland, in Polen, in der Tschechoslowakei, in Frankreich, Italien und England geschehen.)

Die Politik dieser herrschenden rechten Gruppen geht dahin, den ganzen linken Flügel der kommunistischen Internationale auszuscheiden, wodurch die Macht der ganzen Partei geschwächt und unheilvolle Gefahren heraufbeschworen werden.

Besonders hat sich diese Politik der Beseitigung des ganzen linken Flügels der Internationale beim Ausschluß der Urbangruppe in Deutschland gezeigt. Indem man einige scharfe, polemische Ausdrücke, die die Parteigänger Urbans und Maslows gebrauchten, um sich gegen Beschimpfungen wie »Renegaten«, »Konterrevolutionäre «, »Agenten Chamberlains« usw. zu wehren, in ungehöriger Weise hervorhob, hat die Stalingruppe es so weit gebracht, die deutsche Linke mit Gewalt auf den Weg der Gründung einer zweiten Partei zu bringen. Sie tut überhaupt ihr Bestes, um die Spaltung in den Reihen der deutschen Kommunisten zu einer dauernden Tatsache zu machen.

In Wirklichkeit verteidigt die Urbangruppe in allen Grundfragen der internationalen Arbeiterbewegung die Ansichten Lenins. Sie verteidigt die Sowjetunion und wird sie auch im entscheidenden Augenblick bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Sie umfaßt Hunderttausende der alten Arbeiterbolschewisten, die mit den breiten Massen des Proletariats verbunden sind. Sie besitzt auch die Sympathie vieler Tausende von Arbeiterkommunisten, die in der deutschen kommunistischen Partei verblieben sind.

Eine Wiederaufnahme aller ausgeschlossenen Genossen, die die Autorität des Kongresses der Internationale anerkennen – vor allem der Genossen aus der Urbangruppe – ist der erste Schritt dazu, Stalins Handeln, das auf eine Zersplitterung der Partei gerichtet war, wieder gut zu machen. In seiner Schrift »Kinderkrankheiten der Linksbewegung«, in denen Lenin die Irrtümer der Ultralinksgerichteten schilderte, sagte er, der Hauptfeind des Bolschewismus in der Arbeiterbewegung sei und bleibe der Opportunismus. »Dieser Feind bleibe auch der Hauptgegner auf dem internationalen Gebiete.« Dieser Feststellung fügte Lenin auf dem zweiten Kongreß der Internationale noch hinzu, daß »im Vergleich mit diesem Problem es ein leichtes sein würde, Irrtümer des linken Flügels im Kommunismus wieder gut zu machen.« Als Lenin von der Linken sprach, dachte er an die Ultralinksgerichteten, während Stalin, wenn er von dem Kampfe gegen die äußerste Linke spricht, die revolutionären Leninisten im Auge hat.

Ein entschiedener Kampf gegen die rechtsgerichtete opportunistische Bewegung als dem Hauptfeind und eine Verbesserung der Irrtümer der links gerichteten Bestrebungen – das war das Programm Lenins. Wir, die Anhänger der Opposition, schlagen dasselbe Programm vor.

Die Macht des »sozialistischen« Opportunismus ist letzten Endes die Macht des Kapitalismus. Während der ersten Jahre der Nachkriegskrisis (1918 bis 1921), als der Kapitalismus schnell dem Abgrund entgegenglitt, sank mit ihm auch die offizielle Sozialdemokratie. Die Niederlage der italienischen Arbeiter in den Jahren 1920 und 1921, die des deutschen Proletariats 1921 bis 1923, der Zusammenbruch des großen Streiks in England 1926 und die Besiegung des chinesischen Proletariats 1927 haben, was auch sonst die Ursachen davon waren, eine zeitweilige Unterdrückung der revolutionären Welle in den oberen Schichten des Proletariats zur Folge gehabt. Sie haben für eine gewisse Zeit die Sozialdemokratie auf Kosten der kommunistischen Partei gestärkt. Und innerhalb der kommunistischen Partei geben sie dem rechten Flügel eine vorübergehende Herrschaft auf Kosten des linken Flügels. Die Rolle der Arbeiteraristokratie, der Arbeiterbureaukratie und ihrer kleinbürgerlichen Verbündeten wird in einer solchen Zeit besonders stark und besonders rückschrittlich.

In gewisser Hinsicht müssen diese Prozesse unvermeidlich die kommunistische Partei der Sowjetunion beeinflussen. Die behördliche Zentrale richtet ihr Feuer ausschließlich nach links und hat so einfach auf mechanische Weise das Schwergewicht der Kräfte noch mehr zuungunsten des linken, leninistischen Flügels verschoben. Es hat sich eine Situation herausgebildet, in der die Partei überhaupt nicht mehr bestimmt, sondern nur noch der Apparat.

Dies sind die allgemeinen Gründe für den sinkenden Einfluß des leninistischen Flügels auf die Politik der Internationale, der russischen kommunistischen Partei und den Sowjetstaat. Die Folge davon ist nun, daß die rechtsstehenden, halbsozialdemokratischen Elemente, die sich noch lange nach der Oktoberrevolution in den Reihen unserer Feinde befanden und schließlich wie zur Probe in die kommunistische Internationale aufgenommen wurden (hierzu gehören Martinow, Schmeral, Rafies, D. Petrowski, Pepper und andere) jetzt immer häufiger und immer lauter im Namen der Internationale sprechen. Und zu ihnen muß man die Namen von absoluten Abenteurern hinzufügen, wie es Heinz Neumann und ähnliche Menschen sind. In den Massen aber schließen sich die Elemente zu einer neuen Bewegung nach links, zu einer neuen revolutionären Erhebung, bereits zusammen. Die Opposition ist dabei, sich auf diesen Tag theoretisch und politisch vorzubereiten.


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