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Mit Lenin in der Bauernfrage

Als Bucharin aus reiner Ablehnung oder Geringschätzung der Bauern zu seiner reaktionären Losung: »Bereichert euch!« gekommen war, glaubte er mit einem Wort alle seine Fehler verbessert zu haben. Noch mehr, er glaubte er könnte die Bauernfrage auf demselben Faden aufreihen wie meine Meinungsverschiedenheit mit Lenin über Brest-Litowsk und meine anderen kleinen Differenzen mit ihm. Die Albernheiten und Dummheiten, die die Parteischule Bucharins über diesen Gegenstand in Umlauf gesetzt hat, sind einfach nicht zu zählen. Man müßte ein besonderes Buch schreiben, um sie alle zurückzuweisen. Ich will daher nur die wichtigsten Punkte erwähnen:

Auf die alten, vorrevolutionären Meinungsverschiedenheiten, die wirklich bestanden haben, gehe ich nicht ein. Ich will nur sagen, daß sie durch die Stalinschen Agenten und die Schule Bucharins maßlos übertrieben, verdreht und entstellt worden sind.

Im Jahre 1917 bestand nicht die geringste Meinungsverschiedenheit zwischen mir und Lenin über diese Frage.

Das Sozialrevolutionäre Landprogramm wurde von Wladimir Iljitsch in vollem Einvernehmen mit mir entworfen.

Ich habe zuerst Lenins Verordnung über die Landfrage in der Bleistiftniederschrift gelesen. Es gab darüber nicht die Spur einer Meinungsverschiedenheit. Wir waren der gleichen Ansicht.

In der Ernährungspolitik nimmt die Bauernfrage natürlich keinen geringen Platz ein. Oberflächliche Menschen wie Martinow sagen, diese Politik sei »trotzkistisch« gewesen. Nein, sie war eine bolschewistische Politik. Ich führte sie Hand in Hand mit Lenin durch. Es herrschte dabei nicht der Schatten einer Meinungsverschiedenheit.

Der sich auf die mittlere Bauernschaft stützende Kurs wurde mit meiner allertätigsten Teilnahme angenommen.

 

Die Mitglieder des politischen Bureaus wissen, daß nach dem Tode Swerdlows der anfängliche Gedanke Wladimir Iljitchs war, den Genossen Kamenew zum Vorsitzenden des allrussischen Exekutivausschusses zu ernennen. Der Vorschlag, statt dessen einen Bauernarbeiter zu wählen, stammt von mir, und ich habe auch die Kandidatur des Genossen Kalinin vorgeschlagen. Er erhielt, ebenfalls durch mich, den Titel eines »allrussischen Starosten«. Alles dieses ist natürlich von nebensächlicher Bedeutung, und es würde sich gar nicht lohnen, es besonders zu erwähnen. Aber heutzutage haben solche Kleinigkeiten, solche Symptome, eine vernichtende Bedeutung gegenüber den Fälschern der Vergangenheit.

Neun Zehntel unserer ganzen militärischen Politik und Organisation gehen auf das Problem der Beziehungen zwischen Bauern und Arbeitern zurück. Diese Politik – gegen die kleinbürgerlichen Parteigänger und die Hausindustrie – führte ich Hand in Hand mit Wladimir Iljitsch durch.

Zu Anfang 1920, also ein Jahr bevor die Neue Wirtschaftspolitik durch Lenin vorgeschlagen und angenommen wurde, schlug ich auf Grund einer Untersuchung der bäuerlichen Wirtschaftslage dem politischen Bureau eine Reihe von Maßnahmen vor, die ähnlich waren wie die der Neuen Wirtschaftspolitik. Dieser Vorschlag von mir konnte doch wirklich nicht durch »Gleichgültigkeit« gegen die Bauern diktiert sein.

Die Diskussion der Gewerkschaften war, wie ich schon sagte, ein Suchen nach einem Ausweg aus einer wirtschaftlichen Sackgasse. Der Übergang zur Neuen Wirtschaftspolitik wurde in völliger Einmütigkeit durchgeführt.

Alles dieses kann durch unanfechtbare Dokumente bewiesen werden. Eines Tages wird es auch geschehen. Hier begnüge ich mich mit zwei Zitaten.

In Beantwortung einer Frage über unser Verhältnis zum Kulak, zum mittleren und zum ärmeren Bauern, und über die angeblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Lenin und Trotzki über die Bauernfrage, schrieb ich im Jahre 1919 in der Iswestia:

»Es hat über diese Frage in den Zentren der Sowjetmacht keine Meinungsverschiedenheiten gegeben, und es gibt auch jetzt keine darüber. Den Gegenrevolutionären, deren Sache immer hoffnungsloser wird, ist, um die arbeitenden Massen zu täuschen, weiter nichts mehr geblieben, als dieser angebliche Konflikt, der auch den Sowjet der Volksbevollmächtigten ergriffen haben soll.«

Lenin schrieb über dieses Thema in Beantwortung einer Frage des Bauern Gulow im Februar 1919 in der Prawda folgende Worte:

»In der Iswestia vom 7. Februar erschien ein Brief des Bauern G. Gulow, der die Frage des Verhältnisses unserer Arbeiter- und Bauernregierung zur mittleren Bauernschaft berührt und von Gerüchten spricht, daß Lenin und Trotzki nicht mehr übereinstimmten, daß schwere Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen beständen, vor allem über dieses Problem des mittleren Bauern.

Genosse Trotzki hat hierauf schon am 7. Februar in der Iswestia geantwortet. Genosse Trotzki erklärt die Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und mir für eine ungeheure Lüge, die von den Landeigentümern und Kapitalisten oder ihren bewußten und unbewußten Lakaien verbreitet wird. Ich für meinen Teil schließe mich durchaus der Erklärung des Genossen Trotzki an. Es gibt über die Bauernfrage keine Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und mir, noch überhaupt in der kommunistischen Partei, deren Mitglieder wir doch beide sind.

Genosse Trotzki hat in seinem Brief klar und im einzelnen auseinandergesetzt, warum die kommunistische Partei und die von den Sowjets und den Mitgliedern der Partei gewählte Arbeiter- und Bauernregierung die mittleren Bauern nicht als ihre Feinde betrachten. Ich unterschreibe ganz und gar alles, was Trotzki hierüber geschrieben hat.«

Hier stoßen wir wieder auf dieselbe Geschichte. Das Gerücht wurde zuerst von der weißen Garde in die Welt gesetzt. Jetzt wird es von den Anhängern Stalins und Bucharins aufgegriffen, vergrößert und bewußt verbreitet.


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