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ELFTES KAPITEL.

DIE UNTERREDUNG LIEBNER’S MIT DEM FÖRSTER.

So schwere und arbeitsvolle Tage wie in den letzten Wochen hatte der Stiftssyndikus seit langen Jahren nicht erlebt. Es fiel ihm schwer, sich in diese höchst unbequem werdende Veränderung seiner Lage zu schicken, denn das Syndikat des Stifts galt für eine Sinekure, in deren Vollgenuß ein schon gealterter Geschäftsmann ausruhen, und sich für den noch übrigen Rest seiner Tage erholen und pflegen konnte. Nun aber stürmte alles auf Liebner ein, sodaß er kaum zu Athem kam und die Arbeit sich berghoch aufthürmte.

Am widerwärtigsten war ihm die Untersuchung in Sachen des Kreuz-Matthes. Die Akten über diesen Fall, der sich immer verwickelter gestaltete, schwollen mit jedem neuen Tage mehr an. Liebner erschrak jedesmal, wenn jemand an seine Thür klopfte, denn er vermuthete immer, man wolle ihm neue Mittheilungen machen. Auch war er sehr ärgerlich, daß seine Verwandten dabei so stark betheiligt waren. Zu all diesen Sorgen kam endlich noch der Kummer um Hildegarde, über deren Verbleiben trotz aller Nachforschungen bisher doch gar nichts hatte ermittelt werden können.

Am Weihnachtsabend, als Liebner sich eben anschickte, die ihm lästig werdenden Aktenbündel, mit denen er sich stundenlang herumgequält hatte, wegzuschließen, ward ihm von seinem alten Diener ein Brief überbracht. Die Handschrift war dem Stiftssyndikus unbekannt, der Poststempel verwischt.

»Was mag das wieder sein?« murmelte er, die Lampe näher heranziehend und das Siegel lösend. Der Brief war kurz in leserlichen Schriftzügen geschrieben, die nur durch ihre Steifheit auffielen. Die Namensunterschrift des Briefstellers fehlte, ebenso Datum, Wohn- und Aufenthaltsort des Schreibenden. Wunderte dies schon den alten Juristen, so mußte ihn der Inhalt des Schreibens noch mehr in Erstaunen sehen, denn hier ward mit klaren Worten gesagt, daß der Förster Andreas Frei von Kaltenstein an dem Tode des Kreuz-Matthes völlig unschuldig sei. Schreiber des Gegenwärtigen könne dies beweisen, weil er wider Willen Zeuge des traurigen Vorgangs gewesen. Zugleich aber könne er dem Gericht auch die Versicherung geben, daß der Kreuz-Matthes gar nicht ermordet, sondern nur ganz zufällig erschossen worden sei. Die Wahrheit dieser Angaben werde durch die Aussagen des schuldlos Gefangenen bestätigt werden, wenn man sich bei diesem nach den Geschäftsgängen erkundigen wolle, welche Förster Frei in der Nacht vom 1. zum 2. November zwischen abends 9 und nachts 1 Uhr zurückgelegt habe. Gesetzt, der Förster weigere sich, auf dahin zielende Fragen Antwort zu geben, was sehr wahrscheinlich sei, so könne das Gericht Näheres erfahren von dem frühem Förster Zacharias im Winkel.

»Der Teufel selber hat sich gegen mich verschworen,« rief der Stiftssyndikus verdrießlich aus. »Alle Welt zündet den Christbaum an, um sich der heiligen Zeit, die uns wiedergekehrt ist, zu freuen und alles Leid der Erde zu vergessen; groß und klein hat sich schon ein paar Tage lang den Leibgurt fester geschnürt, um sich auch körperlich und leiblich würdig vorzubereiten auf die geweihten zwölf Nächte, damit weder das Christbrot altbacken und schimmelig wird, noch der Braten verdirbt, an denen sich jeder gute Christ erlaben soll. Mich selber hat die Menschheit, so schlecht sie im Grunde auch ist, doch lieb gehabt, denn ich bin für alle zwölf Tage und Nächte eingeladen und würde mich köstlich unterhalten haben; aber nein, das wird von dem pferdehufigen Gesellen, der niemand eine Freude gönnt, nicht gestattet! Unsereiner ist immer nur da, um den Auswurf der Menschheit zu studiren. Statt mich auszuruhen und menschlich zu genießen, kann ich mich wieder an den Arbeitstisch setzen oder mein ewiges Frage- und Antwortspiel, das ich hasse wie die Sünde, von neuem beginnen.«

Trotz seines Aergers hatte indeß die erhaltene Mittheilung die Neugierde des alten Juristen doch so erregt, daß er den anonymen Brief noch einmal überlas.

»Sieh, sieh!« sprach er dann. »Einen Versuch wäre die Geschichte wohl werth. Zacharias? ... Den Burschen hätten wir ja schon, und der beste Bruder scheint dieser Einäugige nicht zu sein ... Heute Abend aber will ich mir die Mohnmilch schmecken lassen beim guten Warnkauf. Sabine hat mich so freundlich zu dieser Weihnachtsdelicatesse eingeladen, daß es sündhaft wäre, nicht zu erscheinen ... Nachher, wenn ich mit Warnkauf allein bin und er mir ein Gläschen von seinem Est! Est! vorsetzt, den ihm der hochwürdige Bischof verehrt hat, bringe ich die Geschichte zur Sprache, um, ehe ich handle, die Ansicht des besonnenen, vorurtheilsfreien geistlichen Herrn zu hören.«

Liebner hielt sich selbst. Wort Er nahm den anonymen Brief, dessen Verfasser ermittelt werden mußte, zu sich und fuhr nach Mariendorf. Hier verlebte er glückliche Stunden, vergaß während der ihm bereiteten Genüsse alle Sorgen und Qualen seines Amtes, vergoß wiederholt Thränen, erst über die wahrhaft bewundernswürdige Kochkunst Sabine’s, dann über den göttlichen Wein des Domdechanten und zuletzt infolge des reichen Zuspruchs, wodurch er die Güte desselben anerkannte. Ganz zuletzt erst und tief in der Nacht fiel dem Stiftssyndikus der anonyme Brief wieder ein. Er versuchte, den Prälaten zu unterrichten, konnte sich aber nicht so deutlich ausdrücken, daß Warnkauf seinen Vortrag ganz verständlich fand, und deshalb resolvirte er sich kurz, gar nicht mehr davon zu sprechen.

»Eklich ist die Geschichte ja doch, eklich zum Aergerlichwerden,« sagte er abbrechend. »Der Cousin steckt im Loche und die Feiertage muß er auch noch darin bleiben ... die gute, unvorsichtige Seele! ... Ich kann’s nicht ändern! Leben wir also wie Menschen, lieber Bruder! ... Da ist der vertrackte Papierfetzen! ... Studiren Sie ihn morgen früh ... vor der Messe! ... Es muß ein kluger Kopf sein, der ihn geschrieben hat ... Aber wir packen ihn doch, wir; denn uns hat das Leben und die goldene Praxis erleuchtet!«

Der Domdechant nahm den Brief und legte ihn unter den Fuß des Crucifixes, das auf seinem Schreibtische stand, dann erwiderte er die schon mehrmals wiederholten Segenswünsche des Stiftssyndikus in freundlichster Weise, reichte dem sehr gerührten alten Herrn dreimal die Wange zum Kusse und empfahl, als er ihn endlich glücklich in den Wagen gepackt hatte, dem Kutscher Vorsicht, damit ja auf der Heimfahrt kein Unglück geschehe.

Während der Feiertage gedachte Liebner wiederholt des erhaltenen Schreibens, und obwohl er von Anfang an entschlossen gewesen war, sich gar nicht mit der Untersuchung in der heiligen Zeit zu beschäftigen, ließ ihm sein juristisches Gewissen doch keine Ruhe. Verdrießlich, aber von dem Wunsche beseelt, dem Cousin die Freiheit möglichst bald wiederzugeben, blätterte er die Acten noch einmal durch und notirte sich einzelne, besonders wichtige Punkte in der Untersuchung. Freilich gab es da noch sehr viel zu enträthseln. Es war nöthig, Personen zu vernehmen, die der Stiftssyndikus lieber ganz aus dem Spiele gelassen hatte. Dies war aber völlig unmöglich, wenn der Förster sich nicht zu einer Aussage bewegen ließ, die seine Unschuld unwiderleglich darthat. Die Andeutungen in dem anonymen Briefe, dessen Absendungsort leider nicht zu errathen war, konnte nach Liebner’s Dafürhalten dazu beitragen. Es freute ihn deshalb, als er am zweiten Weihnachtstage schon das Schreiben von dem Domdechanten zurückerhielt. Ein Billet des geistlichen Herrn mit Bemerkungen, wie Liebner sie wünschte, bestärkte diesen in seiner Annahme.

»Es soll ein Ende gemacht werden,« sagte der Stiftssyndikus entschlossen. »Morgen schon überrumple ich den unglücklichen Cousin in seiner Zelle. Ich will ihn gar nicht fragen, denn Fragen weicht er meisterhaft aus; ich werfe mich lieber mit groben Keulenschlägen auf ihn, daß er ganz betäubt wird, noch ehe er sich besinnen kann. Auf solche Weise lock’ ich ihn wohl unversehens aus seinem Fuchsbau heraus.«

Brief, Actennotizen und die Bemerkungen des Domdechanten bei sich führend, trat der Stiftssyndikus in die Zelle des Försters Frei.

»Gesunde Feiertage, Cousin,« redete er den Gefangenen an, »vergnügte kann ich Ihnen nicht wünschen, obwohl Sie ganz allein selber dran schuld sind.«

Andreas lächelte bitter.

»Haben Sie noch nichts erfahren von Hildegarde?« fragte der Förster den Stiftssyndikus. »Ich gräme mich zu Tode um das Kind! Habe ich doch ihre Seele auf meinem Gewissen!«

»Wir wollen gleich mehr von dem tollköpfigen Kinde sprechen, Cousin,« versetzte Liebner, »zuvor aber muß ich Ihnen den Kopf waschen. Haben Sie denn ganz und gar vergessen, daß Schweigen so schlimm ist wie Lügen? Sie haben mich belogen, daß ich Ihnen bös werden könnte, hätte ich nicht Mitleid mit Ihrem entsetzlichen Unglück!«

Der Stiftssyndikus mußte sich die Augen trocknen, sein Mund zitterte, als könne er gleich in lautes Schluchzen ausbrechen.«

»Ich bin mir nicht bewußt, Herr Cousin,« erwiderte Andreas, »Sie mit Unwahrheiten bedient zu haben.«

»Still!« rief Liebner. »Sie wissen, glaub’ ich, gar nicht mehr, wenn Sie lügen. Das Flunkern ist Ihnen, wie den meisten Weidmännern, zur andern Natur geworden! Soll ich Ihnen was sagen? Was Heiteres?«

»Das hörte ich der Abwechselung wegen wohl gern,« sprach Andreas seufzend. »Das Leben hat mich in dieser Beziehung nicht sehr verwöhnt.«

»Sie sind frei, Cousin, wenn Sie wollen! ... Ja, ja! Sie brauchen mich nicht anzuglotzen, als wollten Sie mich mit den Augen verschlingen! Aber lügen dürfen Sie nicht, sonst laß ich Sie, weiß Gott, und weil ich mich über solche Dummheit erbosen kann, krumm schließen!«

»Aber was wollen Sie denn eigentlich von mir, Herr Cousin?« sagte der Förster, vor Erstaunen und freudiger Aufregung fast sprachlos.

»Sie haben den Kerl ja mit eigenen Augen gesehen, der dem Kreuz-Matthes die Kugel in den Leib jagte!« fuhr der Stiftssyndikus fort. »Es ist so, ich weiß es! Andere Leute sind mehr bedacht auf Ihr Wohl als Sie selbst!«

Er trat dem verstummenden Förster näher und sagte leiser und mit überlegenem Lächeln:

»Cousin, haben Sie nach Ihrer Uhr gesehen, als Sie am Hieronymussteine in der Erde wühlten und die daselbst vergrabenen beiden Kelche nebst der Kassette mit den verschimmelten Species- und Theresienthalern fanden? Es geschah dies, wenn Sie es vergessen haben sollten, gegen 10 Uhr. Als Sie den Ort verließen, mochte es 20 Minuten über 10 sein. Nun gingen Sie quer durch die Büsche, überschritten den Bach oberhalb der Buschhäuser und schlugen den Weg ein nach Mariendorf. Weil der Sturm Ihnen entgegenwehte, und der Sack, den Sie trugen, mit den goldenen und silbernen Geräthschaften im Verein mit der Furcht, es könne Ihnen ein Bekannter begegnen, Sie an raschem Gehen hinderte, erreichten Sie den Schalkstein kurz vor Mitternacht ... Nicht wahr, Cousin, ich bin gut unterrichtet?«

Die schlaffen Gesichtszüge des Försters sagten mehr als Worte. Es lag in ihnen das Geständniß einer Handlung, die Frei um jeden Preis geheim zu halten wünschte. Große Perlen kalten Schweißes glänzten auf der Stirn des erschütterten Mannes; er zitterte wie ein auf der That ertappter Verbrecher. Die Anklage auf Mord hatte er mit männlicher Fassung ertragen, der Gedanke aber, daß man ihm beweisen könne, er habe sich an ihm nicht gehörigem, freilich seit lange schon herrenlos gewordenem Kirchengut vergriffen, drückte ihn völlig zu Boden.

»Es ist schuftig!« stammelte er endlich. »Jetzt fehlt mir nichts als meine Büchse und eine Freikugel!«

Der Stiftssyndikus schwieg, bis Andreas sich wieder etwas erholt hatte. Dann fuhr er fort:

»Geben Sie jetzt zu, daß Sie gelogen haben, Cousin?«

»Ich gebe alles zu und liefere mich willenlos in Ihre Hände!«

»Das freut mich, Cousin, und dieses vernünftigen Wortes wegen sollen Sie auch noch vor Ablauf dieses Jahres Ihre Freiheit wiedererhalten!«

Der Förster glaubte, Liebner wolle ihn quälen.

»Täuschen Sie mich nicht, Herr Cousin, ich weiß ja doch, daß ich verloren bin und daß es mit mir zu Ende geht!«

»Wenn ich Ihnen sage, Sie sollen frei sein,« erwiderte der Stiftssyndikus, »so kommt mir das Wort aus dem Herzen. Um Sie zu ängstigen, bin ich viel zu gutmüthig. Das Zeug, von dem ich sprach, hat man gefunden, und der Kerl, der es besaß, ist gesichert. Er hat schon gestanden.«

»Zacharias hat gestanden?« sagte der Förster ungläubig.

»Nun, habe ich denn nicht recht, Sie der Lüge zu zeihen?« fuhr der Stiftssyndikus grollend fort. »Jetzt, wo ich Ihnen ohne Umschweife all Ihre Thorheiten zu Ihrem eigenen Besten auf den Kopf zusage, wissen Sie ganz genau, daß Sie in jener verdammten Nacht wieder nach Schätzen gruben, und wie immer, wenn der Teufel auf dumme Seelen Jagd macht, ließ er Sie richtig die Stelle finden, wo das vor achtzig Jahren vergrabene Kirchengut verborgen lag. Freilich, freilich, Geld mußten Sie schaffen, denn Zacharias setzte Ihnen schon lange Zeit stark zu, der Vorschüsse wegen, die er Ihnen gemacht hatte. Nun besaßen Sie, was Sie wünschten, und liefen in blinder Eile dem Orte des Stelldicheins zu, wo Ihnen von schlechten Menschen der erste Unterricht in den Elementen unehrenhaften Wandels gegeben worden war. Ihre Absicht war gut, Cousin, das weiß ich. Sie frohlockten schon, daß die Stunde erschienen sei, wo ein rascher und edler Entschluß Sie Ihren übereilten Versprechungen entbinden konnte und sollte. Aber Sie bedachten nicht, daß, wenn der Teufel den kleinen Finger erfaßt hat, er nicht eher zufrieden ist, bis er auch im Besitz der Hand, womöglich des ganzen Menschen gelangt ist! Zacharias war Ihr Beelzebub, Cousin, und der Kreuz-Matthes sein oberster Geselle. Es gab Zank und Streit ... Sie wurden heftig und drohten zu sprechen ... Da nahm Sie der Kreuz-Matthes beiseite, während Zacharias den gehobenen Schatz in Sicherheit brachte. Sie ließen sich bereden und folgten dem Wilderer; Zacharias schlich Ihnen nach. Er hörte, was der entsprungene Bleidieb Ihnen mittheilte.

Sie widersprachen, denn Sie konnten nicht daran glauben. Da näherte sich von der Grenze her ein Wagen ... Soll ich Ihnen sogen, wer in diesem Wagen saß?«

Der Förster machte eine verneinende Bewegung.

»Sie haben recht,« fuhr der Stiftssyndikus fort, »es ist viel besser, daß man davon schweigt, sonst kommen wir in zehn Jahren aus den Untersuchungen nicht heraus. Ich werde gewiß nicht davon sprechen. ... Nun entsetzten Sie sich vor einer schattenhaften Gestalt, die händeringend durch die Bäume schlich ... Sie glaubten den Geist Corneliens zu sehen ... Da fiel ein Schuß, ein jammernder Schrei hallte durch den Sturm und das Sausen des Forstes ... Sie stürzten sich ins Dickicht, ein Wagen mit schnaubenden Rappen bespannt jagte quer über die schmale Lichtung, Sie aber, Cousin, liefen noch in derselben Nacht zurück nach dem Hieronymusfelsen, um dort die Spuren Ihrer Schatzgäberei zu vertilgen, und kamen erst gegen 2 Uhr morgens in Ihrer Behausung an! ... Wenn ich mich irren sollte, berichtigen Sie mich wohl?«

»Ich habe nichts hinzuzusetzen, Herr Cousin,« erwiderte Andreas zerknirscht, »nur vor Schande bewahren Sie mich, wenn Sie können!«

»Hätten Sie meine Warnungen nicht in den Wind geschlagen, damals, als der Finger Gottes so hart an Ihre Thür klopfte, dann wäre es dahin nicht gekommen,« fuhr Liebner fort. »Bei alledem nimmt sich der gütige Himmel Verirrter an, wenn nicht böse Lust, sondern nur Schwachheit ihre Verführer sind. Das Stift hat den Schatz, von dem Ihnen nur ein kleiner Theil in die Hände fiel, vollends gehoben und man ist Ihnen gewissermaßen Dank schuldig, daß der Ort durch Ihr Suchen aufgefunden wurde. Man wird deshalb gern ein Auge zudrücken und sich dem unglücklichen Finder auch erkenntlich erweisen. Finden ist nicht Stehlen, Cousin, und da ich ganz gewiß weiß – hören Sie, Cousin, ganz gewiß! – daß Sie von dem Funde Anzeige gemacht hätten, wäre die dumme Geschichte mit dem Todten nicht dazwischengekommen und hätte Ihr löbliches Vorhaben zunichte gemacht, so ist der Rest, wie bei allen Dingen, die durch langes Rühren und Schütteln nicht besser und klarer werden, Schweigen! ... Ich hoffe, Cousin, diese vergitterten Fenster werden Sie die Kunst des Schweigens vortrefflich gelehrt haben.«

Andreas antwortete mit Blicken, welche die Augen des leicht gerührten Stiftssyndikus mit Thränen füllten.

»Bin ich denn wirklich noch ein ehrlicher Mann?« fragte der Förster.

»Darüber wird Ihre Schwester Ihnen die beste Auskunft geben können.«

»Aber Hildegarde, Herr Cousin!«

»Still!« befahl Liebner. »Kein Mensch kann zweien Herren dienen – Sie kennen das biblische Wort, und obwohl ich, dem Gerede der Leute nach, zu den bösen Christen gehören soll, richte ich mich doch immer gern nach Gottes Wort. Ist es mir gelungen, Sie hinter diesen Stäben wieder herauszukriegen, so werd’ ich mit der Zeit wohl auch ein junges Mädchen wiederfinden, wäre es auchnoch klüger als die Schlange im Paradies, der das schöne Geschlecht die Entstehung der Moden zu danken hat.«

»Wer aber hat den Kreuz-Matthes erschossen!« rief jetzt der Förster. »Zacharias besaß ja keine Büchse!«

»Also doch nicht?« sagte der Stiftssyndikus. »Da hätte der einäugige Schelm ja wirklich die Wahrheit gesagt!«

»Er war ohne jegliche Waffe, Herr Cousin!« betheuerte Andreas.

Liebner fühlte nach dem anonymen Briefe.

»Desto besser,« sprach er, »so können wir vielleicht die ganze Untersuchung niederschlagen, wenn nicht etwa das Papier hier und der, der es so hübsch bekritzelt hat, Aufschluß darüber zu geben vermag. Kennen Sie die Hand, Cousin? Lesen Sie die paar Zeilen immerhin durch.«

Der Förster kam dieser Aufforderung des Stiftssyndikus nach und war über den Inhalt des Schreibens mehr noch als dieser erstaunt.

»Das wird der finstere Schatten gewesen sein, vor dem ich floh,« sprach er, »und der mein Herzblut gerinnen machte!«

»Am Ende war’s gar der Teufel!« sagte lachend der Stiftssyndikus. »Gewiß ist es wenigstens, daß er in jener Unheilsnacht unter verschiedener Gestalt einen lauernden Weltgang hielt! Und nun, Cousin, Gott befohlen! Auf Wiedersehen zum Neujahr im festlich decorirten Forsthause!«


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