Otto Ernst
Semper der Mann
Otto Ernst

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XI. Kapitel.

Wie Asmus Semper gemacht werden sollte.

Auf dem Heimwege mußte Asmus immer über dieses merkwürdige Wort nachdenken; aber er hatte dabei das angenehme Gefühl, daß ein reicher Mann und Verleger sich offenbar für sein Schaffen interessiere.

Es war nur drei Tage später, daß Asmus, über seine Hefte gebückt, plötzlich vom Flur seiner Wohnung her Hundegebell und laute Begrüßungsworte vernahm.

»Guten Tag, guten Tag, gnädige Frau, wie geht's, wie ist Ihnen der Abend bei uns bekommen, hoffentlich gut, ist Ihr Herr Gemahl zu Hause, kann man ihn sprechen?« Alles nach der üblichen Weise der Höflichkeit gesprochen, aber ohne Unterbrechung. weil die Antwort nicht interessierte.

Herein kamen eine riesige deutsche Dogge und der kleine, kugelrunde, kahlköpfig glänzende Herr Hübscher. Der Hund benahm sich sehr rüpelhaft, bis Hübscher ihn mit Mühe zum Kuschen brachte. Herr Hübscher hielt es nicht für nötig, sich deswegen zu entschuldigen.

»Also, Herr Semper, wir müssen mal mit 'nander reden. Ich seh': Sie korrigieren Schularbeiten. Nu, das is doch nix. Is doch keine Beschäftigung für 'n Mann wie Sie. Pegasus im Joche. Sie werden sagen: ich muß Geld verdienen. Soll'n Se auch. Ich werd' Ihnen was sagen. Ich kann natürlich nich alles bewältigen, was mir zum Verlage angeboten wird. Ich brauch' Leute von Bildung, Urteil und Geschmack, die für mich lesen und gutachten. Werden Se Lektor für meinen Verlag; daß ich anständig zahle, brauch' ich Ihnen nicht zu sagen.«

»Ja, das wäre ja wunderschön,« rief Asmus froh erregt.

»Also is gemacht. Weiter. Ich zahl' Ihnen, sagen wir, auf drei Jahre jährlich 2000 Mark ohne jede Gegenleistung, als daß Sie sich verpflichten, in Zukunft Ihre Werke bei mir erscheinen zu lassen.« Asmussens Herz zuckte ein wenig. Sechstausend Mark waren schrecklich viel Geld; aber – war das nicht so etwas wie Zwang, Fessel, Festlegung für immer? Freilich: Hübschers Verlag war sehr leistungsfähig, machte viel Reklame für seine Dichter, und mancher gute Name gehörte ihm an; aber – Fesseln –?

»Das müßte ich mir natürlich noch überlegen,« sagte Asmus schüchtern.

Hübscher machte ein Gesicht wie: Überlegen will er sich's auch noch – überlegen will er sich's, ob er eintreten will in meinen Verlag! – sagte aber doch:

»Gut, überlegen Se sich's. Übrigens brauchen Sie nich zu glauben, daß Sie bloß der Empfangende sind – ich will auch was von Ihnen,« sagte Hübscher mit jener schönen Diplomatie der Offenheit und Aufrichtigkeit. »Sie kennen ja meine Rundschau, die ›Palästra‹.«

Asmus nickte.

»Also. Unsere »Rostra« muß doch so bald wie möglich 'n Organ haben.«

Asmus zuckte die Achseln.

»Muß se!« entschied Hübscher. »Na, da kann doch nur die ›Palästra‹ in Frage kommen.«

»Es bewerben sich mehrere Blätter darum,« bemerkte Asmus.

»Was heißt mehrere Blätter?« rief Hübscher. »Wir sind doch eine moderne Vereinigung und brauchen 'ne moderne Zeitschrift. Wo gibt's denn so was außer der ›Palästra‹? Die moderne Literatur is doch mein Verlag, und mein Verlag is de moderne Literatur!«

»Nun – das ist doch wohl nur mit Einschränkung richtig!« lachte Asmus.

»Nu, wissen Se's anders?« machte Hübscher gekränkt.

»Und dann«, fuhr Asmus fort, »legt unsere Vereinigung ja mehr Wert auf die Güte der Literatur als auf ihre Modernität.«

Hübscher warf die Augen nach oben links und oben rechts und dachte: »Chammer!«

»Wir werden ja im Vorstand über alle Angebote verhandeln, und ich werde dafür sorgen, daß Ihrer ›Palästra‹ volle Gerechtigkeit widerfahre –«

»Kunststück!« meinte Hübscher.

»– aber bevorzugen könnte ich sie um so weniger, als ich ja als Lektor sozusagen ein Angestellter Ihrer Firma wäre –«

»Nu wer weiß denn das?« rief Hübscher. »Das bleibt doch unter uns!«

Hierauf konnte Asmus nichts erwidern. Er lächelte nur stark verwundert und sagte kühl: »Sie überschätzen ja auch vollkommen meinen Einfluß im Vorstande –«

»Wenn Sie die Sache empfehlen, is se gemacht,« rief Hübscher.

Asmus wollte widersprechen.

»Reden Se nich! So is es. Is ja auch ganz in der Ordnung so,« rief Hübscher mit einem letzten Appell an die Eitelkeit.

»Ich versichere Ihnen, daß Sie sich irren!« sagte Asmus jetzt ernst und fest, indem er sich erhob. »Ich kann nichts durchdrücken, und ich will nichts durchdrücken.«

»Na,« machte Hübscher. »Komm, Pluto!« An der Tür rief er: »Bitte Empfehlung an die Frau Gemahlin,« machte dabei aber nur eine Viertelwendung zu Asmussen zurück, so daß dieser auch seine Verbeugung sparte.

Der Vorstand lehnte alle Organe ab, und Hübscher ließ nichts wieder merken, weder von sich, noch vom Lektorat, noch vom Dichtergehalt, noch von Diners mit Tenören und Austern. Abgesehen davon, daß er vorläufig nichts machen konnte, gehörte Hübscher zu den Leuten, die die Rache kalt genießen.


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