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Asmus macht wieder ein Zigarrengeschäft und spielt mit hohem Einsatz.
Am folgenden Montag versammelte er etwa ein Dutzend Freunde um sich: die alten, treuen Gefährten aus streitbaren und glücksfrohen Nächten: Dr. Rosenberg, Globendorff, Dr. Lohfeld, Freudenthal, dann Dr. Oßmann, jenen Chefredakteur, einen Theaterdirektor, einen Regisseur und außer seiner Frau noch ein paar Damen.
»Ich werde das Stück mit Vergnügen geben,« sagte der Theaterdirektor. »Natürlich müssen Sie sich darauf gefaßt machen, daß man Sie der Übertreibung bezichtigt und daß man Sie wahnsinnig anfeindet. Die Kritik verträgt keine Kritik, und die Presse gewährt keine Preßfreiheit.«
»Ich finde,« versetzte der Regisseur in trockenstem Tone, »daß Herr Semper maßlos untertrieben hat.«
»Jedenfalls«, erklärte der Chefredakteur, »kann ich für alles und jedes, was unser Freund Semper dargestellt hat, aus dem Kreise meiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen die Belege vorbringen.«
»Natürlich kann ich das auch,« bemerkte Asmus; »aber man wird mich nichtsdestoweniger der Übertretung zeihen. Und zwar werden das nicht nur die Revolverjournalisten tun – das ist ja begreiflich – sondern auch hunderttausend andere. Die Menschen glauben nämlich jede Lüge eher als die Tatsachen des wirklichen Lebens. Als unsere Maler anfingen, lebendige Farben zu malen – ich denke nicht an die Farbenschwindler – da schrie alle Welt, das gebe es nicht. Die erdrückende Mehrzahl der Menschen ist lebensblind. Sie sieht nicht mit der Seele, was die Sinne aufnehmen. Noch mehr: sie vergißt auch sofort, was sie soeben erlebt hat. An die Affäre Dreyfus hätte nicht nur vorher niemand geglaubt; es glaubt auch nachher keiner daran, sobald Sie Ort und Namen ändern. Das wunderbar wahre Wort »Life is stranger than fiction«, ›das Leben ist befremdlicher als die Dichtung‹, begegnet noch immer keinem Verständnis.«
Salomon Freudenthal wiegte nachdenklich und lange seinen feinen Liebermann-Kopf und sagte, indem er seinen Freund liebevoll wie ein Vater anblickte:
»Djunge, Djunge, Djunge! Du grippst dor ober düchtig rin in dat Weepsennest. Dee ward di orndli um de Oohrn susen, de Weepsen! Dor is Smäuken good gegen – wullt du'n feine Henry Clay hem'm, du Schopskopp?«
Dieses Geschäft wurde, wie immer, ohne Schwierigkeiten abgeschlossen, und Asmus sagte:
»Ooh – so slimm ward dat woll nich war'n.«
»Djä,« machte Freudenthal achselzuckend, »ick deeh dat nich. Ober ick bin jo ook nich du, un roden lettst du di jo doch nich.«
»Nee!« rief Asmus lachend, »rod mi good; ober rod mi nich af! sä de Brut.«
Natürlich hatte Hilde, wie immer, sein Stück sofort nach der Vollendung in einem Privatissimum kennen gelernt. In Gegenwart anderer äußerte sie sich fast nie über seine Arbeiten, wenn sie nicht dazu aufgefordert wurde, und auch dann blieb sie zurückhaltend bis zu scheinbarer Kalte. Sie wußte, daß Frauen gegenüber den Leistungen ihrer Gatten für blind gelten, und wußte auch, wie oft sie es sind. Als sie daheim die Handschuhe von den schmalen, weißen Händen zog, sagte sie nachdenklich:
»Dein Stück hat mir noch viel besser gefallen als neulich, und das ist ein gutes Zeichen. Aber es wird dir wieder viele Feinde machen, und nützen wird es nichts.«
»Wieso wird es nichts nützen?« rief Asmus etwas ärgerlich.
»Ach – Asmus! Kannst du denn zweifeln, daß sie alle über dich herfallen werden?«
»Was heißt ›alle‹? Natürlich werde ich von den Leuten, denen die Schuhe passen,
›erst gespießt, dann gehangen, dann gezwickt mit heißen Zangen‹; |
aber es gibt doch weiß Gott auch noch an ständige Blätter und Zeitungsmenschen!«
»Ja, ja; aber wenn sie auch anständig sind und wenn sie auch wissen, daß du tausendmal recht hast – hören wollen sie's doch nicht.«
»Wenn du dir nur das Schwarzsehen abgewöhnen könntest,« sagte er mit mildem Vorwurf. »Ihr Pessimisten aus Überzeugung oder Stimmung – du bist ja nur ein Stimmungspessimist – ihr seht immer nur, was ist, und nie, was wird. Ihr überschaut immer nur Jahrzehnte, und wenn's hoch kommt, Jahrhunderte. Warum nicht Jahrtausende und mehr? Pessimismus ist Mangel an Überblick.« Er faßte ihr zärtlich unters Kinn und sagte mit scherzendem Hochmut:
›Wo solch ein Köpfchen keinen Ausgang sieht, Stellt es sich gleich das Ende vor.‹ |
Du gehörst doch sonst zu den Weibern, die ins Gewitter schauen. Hast du mir nicht erzählt, daß du mit Wonne in den Blitz starrtest und auf den Donner hörtest, wenn deine Mutter und deine Schwestern im Winkel kauerten und die Schürze über den Kopf schlugen? Was schadet's denn, wenn sie mich zwanzig Jahre lang anfeinden, wenn sie mich bis zu meinem Ende anfeinden und übers Grab hinaus? Einmal kommt doch der Tag, da sie sagen: Er hat recht gehabt und hat recht getan. Er hat die furchtbarste Pest, die jemals die Menschheit befallen, die Pest der Lügenpresse erkannt und zu beschwören versucht. Und darauf kommt's doch an! Sieh, wenn ich nach zwanzig Jahren nur in Einem den Mut erwecke, mein Werk aufzunehmen und fortzusetzen – ist das nicht schon unendlich viel? Sieh, wir sind so glücklich, so grenzenlos glücklich; alles gerät uns jetzt nach Wunsch. Auf so viel Glück, finde ich, hat man nur ein Recht, wenn man auch bereit ist, ein Stück davon zu opfern, wenn man einen Teil seiner Ruhe und seines Friedens darangibt, schon, weil man sonst im Glück verkommt! Ja, ich kann mir denken, daß man sein ganzes Glück aufs Spiel setzt, um ein höheres, reineres dafür zu gewinnen. – Das wird ein Stück, Hilde, paß auf, das wird ein neues Stück!« schrie er plötzlich. »›Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein!‹ – das ist viel mehr als ein schöner Reiterspruch, das gilt vom ganzen Lebenskrieg!«
Da lächelte sie wieder.
»Nun halt einmal an, du wilder Reiter,« sprach sie sanft; denn er war wieder ins Rennen gekommen. »Komm einmal her und gib mir deine Hand.«
Und sie zog seine rechte Hand an ihre Lippen und küßte sie lange und andächtig. Das tat sie nur dann, wenn ihr das, was diese Hand geschrieben hatte, absonderlich gefallen hatte. –