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Das Drama eines »Verräters«.
»Kennen Sie Michael Kohlhaas von Kleist?«
»Aber natürlich!« rief Danebrog.
»Ich will einen Michael Kohlhaas der Gewissensfreiheit schreiben,« rief Asmus, »will einen Mann hinstellen, der für das Recht des freien Gewissens kämpft und leidet bis zum Tod. Sie wissen, es gibt Siebengescheite, die da meinen, Kleist habe einen Dickkopf geschildert, und die nicht ahnen, daß die Welt ohne Kohlhaase längst in Trümmer gefallen wäre. Kleist hat ein Herz geschildert, in dem das Rechtsgefühl mit reinster Flamme brennt, solange es nicht selbst zum Unrecht greift. Man soll um der Menschheit willen kein Unrecht dulden, hat ein großer Rechtslehrer gesagt, und das ist auch meine Meinung. Die sanfte Lehre, daß man der Bosheit und dem Übel nicht widerstreben solle, ist ein schrecklicher Irrtum: der geduldig Leidende überzeugt den Übeltäter nicht; er bestärkt ihn und nimmt ihm den letzten Rest von Gewissen ab.«
»Un was passiert in Ihrem Stück?«
»Mein Held ist ein tief religiöser Mann, der jede ehrliche Überzeugung peinlich achtet; eben deshalb haßt er aufs bitterste den Zwang der Kirche. Kirche und Staat üben freilich keinen unmittelbaren Zwang mehr. Wir haben eine Gewissensfreiheit – auf dem Papier. Staat und Gesellschaft isolieren den Unbotmäßigen; die gewohnheitsträge Masse, der religiöse Pöbel, der dreimal im Jahr zur Kirche geht, weil's sein muß: sie machen sich zu Vollstreckern der kirchlichen Tyrannei, sie scheiden aus, stellen kalt, was sich von der Kirche ehrlich trennt. Mein Held nun liebt die Tochter eines reichen Hauses, wie sie ihn, und lehnt es ab, mit seiner Braut als Heuchler vor den Altar zu treten. Das ist der Bruch mit den Eltern des Mädchens, die in Wahrheit weder nach Gott noch Teufel fragen, aber eine unkirchliche Ehe als untilgbaren gesellschaftlichen Schandfleck betrachten.
Die Geliebte folgt ihm ohne den metallischen Segen der Eltern; sie geraten in bittere Not, weil unkirchliche Leute der gebildeten Stände nur schwer Beschäftigung finden; aber sie halten zusammen. Da wird ihr Kind krank auf den Tod, und nun fallen sie auseinander. Nun zeigt sich die Schwäche des Weibes gegenüber den Gewohnheitsmächten. Sie sieht in der Krankheit des Kindes die Strafe Gottes. Sie will es taufen lassen. Als er sich weigert, fallen böse, trennende Worte. Da läßt er den Geistlichen kommen; aber der kommt zu spät; das Kind ist ohne Taufe gestorben.
Nun erkrankt aufs schwerste auch die unglückliche Mutter. Das gibt ihm den Rest. Er muß Hilfe suchen bei ihren Eltern und muß Rückkehr zur ordentlichen bürgerlichen Kirchlichkeit geloben, d. h. Trauung durch einen Geistlichen versprechen. Was er verspricht, hält er natürlich. Gesund an Leibe kehrt sein Weib zu ihm zurück; gebrochen in ihrer Seele sind beide. Er weiß, daß er ein Verräter ist an der heiligen Sache der Gewissensbefreiung, die nur gelingen kann durch die Treuen, ein Verräter, den die ehemaligen Gefährten meiden. Sie weiß, daß sie seines Elends Ursache ist. Und doch finden sie noch einmal das Glück, als sie sich erbietet, mit ihm in den Tod zu gehen. Da man die beiden Leichen findet, ruft der Vater und Schwiegervater fassungslos: ›Warum denn? Warum denn bloß? Warum denn?‹ – Er kapiert nicht.«
»Prachtvoll, prachtvoll!« rief Harald, »Sie haben gleich die Kritik des Philisters hinzugefügt, den Epilog des Spießbürgers: › Warum denn bloß?‹ Er versteht es nicht. Oh – holla – sasa – hwiet!« – er pfiff und schnalzte wieder – »das möcht' ich gleich ins Dänische übersetzen; aber diese Frage ist bei uns ausdiskutiert; in Dänemark lassen wir jeden nach seiner Fasson selig werden.«
»Dieses Wort stammt aus Preußen,« versetzte Asmus mit grimmigem Lächeln. »Übrigens haben Sie mein Stück nicht ganz verstanden, wenn Sie sagen: die Frage ist bei uns ausdiskutiert. Sie ist nirgends in der Welt ausdiskutiert. Kehren Sie einmal mein Stück um wie eine Sanduhr, dann stimmt es auch. Denken Sie sich eine vollkommen unkirchliche Gesellschaft und in dieser Gesellschaft ein paar einsame kirchenfromme Menschen, und das Trauerspiel ist genau dasselbe. Es ist ja kein Trauerspiel der heutigen Gesellschaft, sondern der menschlichen Gesellschaft, und es wird sich wiederholen, so lange die Menschheit an dem Wahne klebt, daß man eine Seele zwingen könne. Es ist ja kein Kampf der Überzeugungen, die einander hell ins Auge schauen,« rief Asmus, »der ist ja herrlich und schön.
Ein unsichtbarer Feind ist's, den wir fürchten. – – – – – – – Das ganz Gemeine ist's, das ewig Gestrige, Was immer war und immer wiederkehrt Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten! |
sagt Schiller.«
»Die Deutszen szaggen immer: ›Szagt Schiller!‹« rief Schön Astrid.
»Stimmt!« lachte Asmus. »Sie haben auch guten Grund dazu.«
»Sie müssen nach Kopenhagen kommen und sprechen!« rief König Ringelhaar, »ich will das arrangieren!«
»Was soll ich denn in Kopenhagen?« rief Asmus verwundert.
»Sie sollen so sprechen, wie Sie eben gesprochen haben! Holla, sasa – tempérament, tempérament, das is, was wir brauchen: Sie sollen sehen, ich bringe Sie nach Dänemark und Norwegen und nach Island! In Island kennen mich alle Leute, und die tun alle, was ich ihnen sage; sie sollen Asmus Semper hören – – – –!«
Es war heller, sehr heller Tag, als die Drei von der äußersten Thule in ihre Wohnungen zurückkehrten.
Da Hilde nach dieser schweren Zeit noch sehr erholungsbedürftig war und keine Schulpflichten ihres Mannes sie vom Lager scheuchten, so erwartete er, alles noch schlafend zu finden. Er war daher sehr überrascht, als er schon auf dem Vorplatz bemerkte, daß eine eigentümliche Unruhe im Hause herrschte. Während er noch ablegte, kam ihm schon die kleine Isolde im Nachthemdchen entgegengesprungen und rief mit dem heiteren Interesse kleiner Kinder an allem Ungewöhnlichen: »Gesa ist krank!«