Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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66.

Schubra, den 9, November 1864.

Der Nil sinkt. Seine hundert Inseln heben da und dort ihre weißen Kämme aus der gelben Fläche. Die Felder, gestern unter Wasser, bedecken sich heute mit üppigem Grün. Hartnäckig kämpft noch die tödliche Sonne mit dem frischen Ost, der vom Sinai und Syrien herüber der Natur ihr neues Leben einbläst. Alles regt sich. Kamel und Ochse keuchen am tausendjährigen Pflug oder beginnen aus den alttestamentlichen Josephsbrunnen Wasser zu schöpfen. Meine Maschinen sind im Feld und brechen mit gewohnter Emsigkeit durch die feuchte Erde, während die Baumwolle noch schneeflockenartig in meilenlangen Strecken an den Büschen hängt, tausendstimmiges Kindergeschrei die Erntetätigkeit verkündet und Züge von Kamelen den kostbaren Stoff den Ginfabriken zuschleppen – reges, heiteres, sonniges Leben, worin Frühling und Herbst, Ernte und Saatzeit sich mengen.

In Alexandrien, wo ich einige Tage mit der Absicht zubrachte, in das Gewirr ankommender Maschinen, soweit sie mich angehen, Ordnung zu bringen, sieht es anders aus. Die mehrere Hektar großen Landungsstellen im »Arsenal« sind ein Chaos von zerbrochenen Kisten, Kesseln, Kaminen, Stahl-, Guß- und Schmiedeeisenstücken aller und jeder Gattung. Wochenlang stehen Züge, beladen mit Maschinen auf den unter Bergen von Geräten verschwindenden Geleisen und können aus Mangel an Lokomotiven nicht befördert werden. Vom Bahnhof durch die Stadt bis zu den Docks sind die engen Straßen bestreut mit Maschinenteilen: hier ein riesiger Dampfkessel, unter dem noch die Spuren eines zusammengebrochenen Wagens zu entdecken sind, dort eine Baumwollenpresse, unter Schmutz und Staub halb begraben, und offenbar als unrettbar aufgegeben, dort endlich eine geborstene Kiste, deren Inhalt: niedliche Regulatoren, Exzenter, Schmierbüchsen und so weiter, der frohlockenden arabischen Schuljugend ohne Schule zur Beute wird!

Und dies ist der Weg, auf dem wir Ingenieure Land und Leute der Kultur entgegenführen sollen!


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