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Schubra, den 18. Oktober 1865.
Die große asiatische Geschäfts-, Vergnügungs- und Pilgerreise liegt hinter mir.
Ich fand etliche dreißig minder erbauliche Geschäftsbriefe vor, deren gereizte Stimmung über mein langes Schweigen einem chorartigen Crescendo gleicht, bis sie mich endlich zornig fragen: »ob ich an der Cholera gestorben sei?« –
Es ist mir gleichgültig. Der alte, liebenswürdige Poet, der vielleicht nach einer Reise von Darmstadt nach Wiesbaden so inniglich auf dem Heimweg sang: »Wem Gott will rechte Gnad' erweisen, den schickt er in die weite Welt!« wird zu allen Zeiten recht behalten. Aber sauer machen sie einem die Gnade doch manchmal.
Dafür kann ich jetzt in allen denkbaren Lagen und Stellungen gehen, stehen, essen, trinken und schlafen; mehr als einmal hat mir ein Stein als Kissen gedient, und zweimal mußte ich, wenn auch innerlich wohlwollend, auf lebende Mitmenschen schießen.
In Alexandrien wurde unser Boot drei Tage in Quarantäne gehalten. Da wir diese liebliche Pause auf dem Wasser abzumachen hatten, konnte ich mich nicht, wie zwischen Jerusalem und Jaffa, mit dem Revolver in der Hand durch die Polizeisperre schlagen. Indessen war das Schiff mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet. Drei lustige französische Choleradoktoren, welche den Orient auf Regierungskosten bereisen, ein halbes Dutzend syrischer Frauen von überwältigender Schönheit, in Seide und Samt und köstliche Leinwand gekleidet, ein alter, fuchsköpfiger französischer Ingenieur, der mit allen erdenklichen Mitteln mir meine Aufnahmen der Umgebung von Beirut abzuschwindeln versuchte, und seine junge, schwarzköpfige Tochter, die schändlicherweise mit dem alten Fuchs unter einer Decke spielte – dies war die Gesellschaft. Der Mann bekam die Höhenmessungen und ich fand mit Entsetzen, wie jung ich noch bin in meinem Alter!
Doch war die Zeit nicht verloren, die ich in etwas ruhigerer Gesellschaft allerdings besser hätte ausnutzen können. In Alexandrien lebt ein Mr. Valenti, ein Grieche, früher Halims Hauptagent in nichtenglischen Dingen, halb Kaufmann, halb Höfling. Dieser hat einen jüngeren Geschäftsteilhaber, den bereits erwähnten Mr. Zucco, ebenfalls Grieche, ebenfalls Kaufmann, ebenfalls Höfling. Letzterer war mit Halim-Pascha in Beirut gewesen und hatte es übernommen, von dortigen Freunden angeregt und mit dem ganzen technischen Unverstand eines Bankiers ausgestattet, Halim für den Plan der Beiruter Wasserleitung zu begeistern.
Dies gelang ihm so weit, daß Halim die Konzession von der türkischen Regierung forderte und erhielt. Jetzt erst begann man zu untersuchen, um was es sich eigentlich handle. Ich habe nun im Schweiß meines Angesichts fünf Pläne ausgearbeitet, was in einer Gegend, von der auch nicht die geringste vernünftige Karte existiert, keine kleine Arbeit war. Der einzige vorhandene Stadtplan Beiruts selbst befindet sich in Stambul; ich mußte also auch diesen machen. Das billigste und vernünftigste meiner Projekte kommt auf 60 000 bis 70 000 Pfund Sterling, eine Summe, welche die kindlichen Vermutungen der Herren Bankiers wesentlich übersteigt.
Halim-Pascha kann selbst nicht so viel Geld an die Sache rücken, da er das seine in Ägypten braucht. Außer ihm bekommt aber niemand die Konzession. Valenti möchte daher unter Halims scheinbarer Leitung eine Aktiengesellschaft gründen, die das Wasserwerk ausführen würde. Nebenbei behauptet er, daß man ohne mich sich auf die Sache nicht einlassen könne; ich müsse nach Beirut übersiedeln, wogegen mir ein Anteil an dem künftigen Gewinn des Unternehmens zugesichert werden sollte. Halim dagegen sagt, es sei unmöglich, mich in Ägypten zu entbehren. Zucco meint, ich könnte ja hin und her reisen. Und ich, wenn auch etwas höflicher als in diesen Worten, deute an, daß letztere Ansicht die dümmste sei, welche das Trio bis jetzt ausgeheckt habe. So weit sind die Verhandlungen bis jetzt gediehen.