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»Träume ich? Wandelst du im Schlaf, Kai? Hier stehst du im Keller, die im Windzug flackernde Kerzenflamme entreißt einer Dunkelheit, die Nirwana ist, unförmige Gestalten, am Tag Tisch und Schrank, nun seltsam erstarrt in einer Stunde, da du ungebetener Gast bist.«
»Tritt näher. Nein, nicht fällt die Decke auf dich. Scheint sie auch im huschenden Lichte zu stürzen – schon meinst du das Rieseln von kalkigem Schutt zu spüren –, so will sie doch nichts von dir. Anderes will dich.«
»Was zögerst du? Tritt näher!«
»Du verweilst? Dort in der Schrankecke – kein bleiches Gesicht hebt sich als zuckende Blume dir zu; es ist ein Tuch, das die Mädchen auf der Leine vergaßen. – Dort am Boden der Verkrümmte, er greift nicht nach deinem Fuß; ein zusammengerollter Teppich, ohne Leben. Anderes will dich.«
»Tritt näher. Dort im Winkel ...«
»... du atmest nicht ...?«
»Ah! Du weißt!«
Kai glitt, stürzte. Wände taumelten, schwarz und weiß funkelten sie in seine Augen, kaltes Sausen zerblies seinen Nacken, ein endloser Arm griff nach ihm, – das zu Boden geglittene Licht erlosch.
Eine Stimme, fiebrig und ganz klein, blies ins Dunkel Worte, schon aufgelöst und nie dagewesen: »Papa! Mama! Papa, hilf mir! Hier liege ich! Sie greifen mich! Hilfe! Hilfe!«
Das Gesicht, den Leib dem Bretterboden angeschmiegt, fühlte er Kälte in den nur hemdbekleideten Leib aufsteigen, Kälte, die von jenem kleinen Schwarzen in der Ecke streicht.
»Wie eisig mein Arm! Schmiegt er sich an mich? Hans! Hans! Es war Papa! Es war Papa!«
Er lauscht. Es ist still, schwarz und still. So schwarz: Es kann sich auf ihn legen und ihn erfrieren machen, nichts wird er kommen sehen. Schon schleicht es vielleicht. Und in dieser Stille wird jeder Hilferuf verhallen, wie ein Stein, kaum aufspritzend, in den schon wieder geschlossenen Wasserspiegel fällt.
»Was zauderst du? Entzünde die gefallene Kerze. Es ist nichts. Hebe den Kopf. Die Hand vor das Licht gehalten, richte seinen Schein nach jedem Winkel. Alles wie sonst.«
»Fürchtest du etwa das Kleine dort, das Gestreckte, das Starre, das Eisige? Auch das ist nichts – ein krepiertes Kaninchen, das du verscharren wirst.«
»Tritt näher. Es tut dir nichts. Es ist ganz tot. Nicht mehr da. Nur noch Form.«
»Was zitterst du? Deine Hände beben. Du brauchst es nicht anzurühren. Schiebe den Spaten darunter.«
»Hier, den Gang. Der Schlüssel zum Garten steckt im Schloß. Öffne!«
»Ah! – – – Siehst du, im Garten ist Mondschein. Den erwartetest du dir nicht. Laß das Licht auf der Treppe.«
»Leise. Der Kies schmerzt kaum an den Sohlen. Denk dich hinein in das über den Spaten stehende, das Starre; so wirst du nichts wissen. – Linkerhand.«
»Hier, auf den Laubhaufen lege es. Grabe. Kaum ist der Boden gefroren. Du mußt es ja tun, auch diese Form will Ruh haben, selbst das Ausgeleerteste ist noch so erfüllt von Leben, daß du's vergraben mußt, sonst zersprengt es dich.«
»Die Grube ist tief genug. Du magst ihm aus Laub, vergilbt, ein Bett richten. Laß es hineingleiten, langsam. Langsam! Es erwacht nicht, aber du!«
»So. Gib Erde darauf.«
»Sieh nicht hin!«
»Zuerst die Pfoten, der Leib, – du brauchst nicht hinzuschauen, es ist recht so. Gleich ist es bedeckt. Noch ein Spaten voll.«
»Sieh nicht hin!!! – Zu spät, daß du das Gesicht beiseite zwängst ...!«
Kai erschauerte: stumpf zum Mond das blaue Kaninauge, bestreut mit einem Krümel Sand, zerstört das Glasklare.
»Hans!!!«
Zusammenschreckend umkrampft er den Spatenstiel; in Klage das verzerrte Gesicht zum Durchleuchteten erhoben, stößt er den Spaten in den Leib des Geliebten, den er zerklaffen fühlt; mit den Händen, den Füßen scharrt er die Erde darüber; stampft sie fest.
Vorgebeugt von der Verandatreppe sah er gegen die dunkle Bretterwand das weiße Kreuz des Spatenstiels. Und es schien ihm, seltsam erhoben wie erleichtert, als gäbe es von nun keine Sünde mehr, die nicht entsühnt sei durch Legen der Hand auf dieses Kreuz. Denn im haarumgebenen Fleisch mündend, schien es nur ein ander Symbol jenes zu sein, der, am Kreuz sterbend, eine Welt zu entsühnen begehrte.
»Kehre um. Zögere nicht, dies, leicht am Morgen zu finden, darf nicht bleiben. Entferne den Spaten.«
»So.«
»Du willst gehen? Noch ist deine Arbeit nicht getan. Von neuem scharre den Boden auf. Greif hinein, greif fest zu.«
»Was fürchtest du dich! Nicht noch einmal erwachst du. Nimm es, schwing es über den Zaun.«
»Es fiel. Hörtest du das Klatschen? Es ist fort, die Hunde werden es fressen. Schon ist es nicht mehr da.«
»Du darfst schlafen gehen.«