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73

Stiller Park, dunkelnder. Streicht Wind durch die Wipfel, steht warm doch drunten nebliger Erddampf, feuchtet die Wange und verheißt Schritt um Schritt neuen Trost. Ihre Worte waren hinten geblieben, wo Laternenschein flackerte; nun sang still ihr Gang selbstbesinnende Ruhe, bis es geboren ward, stark und beinahe Frage: »Und ich glaube doch an ihn! Er ist unschuldig! Einen Grund, sagt einen Grund, warum er es tat! – Umsonst ... Unschuldig ist er!«

Irene schwieg, und Kai fragte in sich, ob auch sie's nicht merkte, wie umsonst Reden, da Wind vorher wie nun wehte, – Wind, der nichts weiß. Wandern ... Auf unsichtbarem Fluß standen die glostenden Lampenreflexe der Uferpromenade.

Über das Geländer gelehnt, spürten die drei das leise Beben des Kettenbrückchens, lauschten dem endlosen Hingang des Wassers.

Nun klagte Irene: »Sie schweigen, Goedeschal? Schon den ganzen Abend schweigen Sie; doch so verhalten ist das, kein einfaches Stillsein, Protest loht ...«

»Oh ...«

»Schonen Sie den Freund ...«

Und da spürte er es wieder, das leise Prickeln, eine qualmige Süße füllte den Mund dehnend, Speichel lief. Weigerung kam, warnende Lichter blitzte Hirn, doch das Herz sprang auf, und das erste Wort schon schlug die flehende Hand: »Freund ...?!«

Dieses Schweigen marschierte. Sein Rhythmus war das hastige Atmen der Mädchen, wie Angst den Wanderer auf umwaldeter Landstraße nachts hetzt, während – Kai! Oh, Kai! – sinnloser Pan zwischen den Büschen sich gebärdet.

»Freund?«

»Oh, was ist? Sind Sie's nicht?! Sagen Sie ... oh, dann wäre ja ...«

Und da sie schwieg, sah er's in einer Sekunde, da er das Wehen eines Nebelschleiers liebte. »Der Grund: Ja, der Grund, da ist er!«

Geht weiter! Wo ist Dunkel tief genug, die hastige Röte eurer Wangen zu bergen? Tastend stoßt ihr aneinander, ein halblautes Wort, weiter schon, derselbe Weg, dieser gleiche Sand knirscht unter euch, aber weiter seid ihr getrennt, jene: glaubst du noch? diese: nie zweifelte ich an ihm; und er: Liebste, du!

Bis, stehenbleibend, Kai die Hand nach oben hob, wo nicht fern dem Gitterwerk der Kronen endlose Wolkenzüge eilten. Ihre Gesichter, von Mond bestrahlt, erglänzten. So verweilten sie, aneinandergedrängt, stumm hingegeben diesem heroischen Tumult, bis ein eingerissener und dunklerer Fetzen sich vor den Mond schob, dessen Silberschein verblaßte, daß der Glanz der Jagd verging.

Und im Weitergehen sagte Kai dies, leise von sich fort, zerfließend, vielleicht zu sehr, daß er gutmachen wollte durch Weiche: »Die Wolken ... so viele Wanderer dort oben schon. Hingegangen. Wie viele hier unten schon, die Gesichter erhoben wie wir! Hingegangen ... fort ... tot ...«

Und Irene da: »Und Kampf? Und Mühe? Und Stolz? Alles umsonst?«

»Umsonst.«

Aber plötzlich war Ilses Stimme da, in die Nacht hinaus sprach sie es still und ohne Gewicht wie ein Gebet: »Weil wir alle einmal sterben müssen ...«

Wann, in welcher Stunde hatte sie, über eine Sonnenuhr gebeugt, jene unerbittlichen und wehmütigen Worte gefühlt: »Una ex hisce morieris«? Und im tiefsten getroffen, tastete Kai nach ihrer Hand, er nahm die fremde und abweisende, seine Lippen ließ er über ihr aufbrechen als einen Dank, einen ungestümen Lobgesang, daß sie ihm diesen höchsten Trost der Gleichheit beließ.

»Aber das ist er, jener Tod ... kein Verbrechen, nicht Freude, noch Leid, das uns endgültig erhöbe, entfremde. Am Ende wird alles umsonst gewesen sein, ausgelöscht; am Ende wird dies allein gelten: daß ich sterben mußte. Wie die andern auch – nicht anders, nicht mehr, nicht weniger ...«


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