Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
12. Nachdem die Consuln Alles, was sie zu Rom besorgen mußten, abgethan hatten, zogen sie zu Felde. Fulvius ging nach Capua vorauf, und in wenig Tagen kam Fabius nach. Dieser, – der seinem Amtsgenossen mündlich, und dem Marcellus schriftlich die dringendsten Vorstellungen machte, sieUt quam acerrimo bello detinerent.] – So lese ich mit Periz. und Drakenb. statt detineret. möchten, während er selbst Tarent belagerte, den Hannibal durch die hitzigsten Angriffe festzuhalten suchen; denn nach dem Verluste dieser Stadt werde der allenthalben vertriebene Feind, dem jeder Standort, jeder sichere Rückhalt genommen sei, auch nicht einmal einen Vorwand behalten, warum er länger in Italien bleiben müsse; – schickte auch einen Boten nach Rhegium an den Befehlshaber der Besatzung. Consul Lävinus hatte sie gegen die Bruttier hieher gelegt: 361 es waren achttausend Mann, größtentheils, wie ich oben erwähnte, von Agathyrna aus Sicilien herübergeführt und gewohnt, von Raube zu leben: Bruttische Überläufer, hier aus der Gegend, eben so kühn, als nothgedrungen, Alles zu wagen, waren noch zu ihnen gestoßen. Auch diese Mannschaft mußte auf seinen Befehl ausrücken, zuerst auf Plünderung des Bruttischen Gebiets, dann zur Belagerung der Stadt Caulonia. Sie vollzog diesen Auftrag nicht bloß muthvoll, sondern selbst begierig, und nachdem sie die Landbewohner geplündert und verjagt hatte, that sie auf die Stadt die heftigsten Stürme.
Marcellus, welchen theils des Consuls Brief in Bewegung setzte, theils seine eigne Meinung von sich, daß von allen Römischen Feldherren keiner dem Hannibal so ganz gewachsen sei, als er, aus den Winterquartieren aufbrechen ließ, sobald nur Futter auf den Feldern zu haben war, traf den Hannibal bei Canusium. Der Punische Feldherr suchte die Canusiner zum Abfalle zu bewegen. Als er aber Marcells Annäherung erfuhr, brach er auf. Die Gegend war ihm zu offen; ohne alle Schlupfwinkel zu einem Hinterhalte: also zog er sich allmälig in die höheren Waldungen. Marcellus folgte ihm auf dem Fuße, schlug immer Lager gegen Lager auf, und so wie es verschanzt war, trat er mit den Legionen zur Schlacht auf. Hannibal, der seine Reuterei nur geschwaderweise oder von seinem Fußvolke nur die Wurfschützen zu leichten Gefechten kommen ließ, fand das Wagstück eines entscheidenden Treffens nicht nothwendig, und wurde doch zu dem Kampfe, den er mied, gezwungen. Marcellus holte ihn, als er in der Nacht vorwärts gegangen war, in einer ebenen und offenen Gegend ein, und wehrte ihm, als er sich lagern wollte, durch die auf die Schanzgräber von allen Seiten gemachten Angriffe, die Verschanzung. So kam es zur Schlacht: die Truppen sämtlich fochten, und schieden, als die Nacht heranrückte, mit gleichen Vortheilen. Noch vor Nacht wurde die Befestigung beider Lager, die einander sehr nahe standen, vollendet. Am folgenden Tage rückte Marcellus mit frühem Morgen in Schlachtordnung. Auch Hannibal 362 entzog sich dem Kampfe nicht, nachdem er seine Truppen weitläufig ermahnt hatte: «Eingedenk der Schlachten am «Trasimenus und bei Cannä den kecken Feind zu zerstampfen. Er dränge und verfolge sie, lasse sie eben so wenig mit Ruhe weiter gehen, als ein Lager beziehen, gestatte ihnen keine Erholung, keinen Umblick. Die aufgehende Sonne und die Römische Linie sei im Felde der tägliche Anblick. Wenn sie ihn nur in Einer Schlacht mit blutigem Kopfe heimschickten, so werde er seinen Unternehmungen mehr Stillstand und Ruhe geben.» Gespornt durch diese Ermunterungen, und zugleich der Keckheit des täglich andringenden und neckenden Feindes überdrüssig, fingen sie das Treffen hitzig an. Man focht über zwei Stunden, da fingen auf Römischer Seite der rechte Flügel der Bundesgenossen und ihre Auserlesenen an zu weichen. Als dies Marcellus bemerkte, führte er die achtzehnte Legion an die Spitze der Schlacht. Da aber jene voll Bestürzung wichen, diese zögernd nachrückten, so gerieth die ganze Linie in Unordnung, dann wurde sie völlig geworfen, und als die Furcht erst die Scham besiegte, kehrte sie den Rücken. In der Schlacht und auf der Flucht fielen von Bürgern und Bundesgenossen an zweitausend siebenhundert; unter diesen vier Römische Hauptleute, und zwei Obersten, Marcus Licinius und Marcus Helvius. Der Flügel, welcher zuerst gewichen war, büßte vier, die Legion, welche in die Stelle der weichenden Bundesgenossen einrückte, zwei Fahnen ein.
13. Nach der Rückkehr ins Lager machte Marcellus seinen versammelten Soldaten so harte und bittere Vorwürfe, daß ihnen die Rede des zürnenden Feldherrn weher that, als das den ganzen Tag über mit Verlust hingehaltene Treffen. «Den unsterblichen Göttern, sprach er, bringe ich unter solchen Umständen noch obenein mein Lob und meinen Dank dafür, daß der siegreiche Feind, als ihr in voller Angst in die Werke und Thore hineinstürztet, nicht auch das Lager selbst angegriffen hat. Ihr hättet gewiß eben so verzagt euer Lager im Stiche gelassen, als ihr das Treffen aufgegeben habt. So 363 verschüchtert, so verblüfft zu sein! Wie konnte es euch so plötzlich anwandeln, zu vergessen, wer ihr, die Fechtenden, waret, und gegen was für Leute ihr fochtet? Sind es doch gerade dieselben Feinde, mit deren Besiegung und siegreicher Verfolgung ihr den ganzen vorigen Sommer zugebracht habt; die ihr noch in diesen Tagen auf ihrer Flucht bei Tage und bei Nacht verfolgtet; die ihr in leichten Gefechten erschöpftet; denen ihr noch gestern weder fortzugehen, noch ein Lager zu beziehen gestattetet. Nichts mehr von dem, worauf ihr stolz sein müsset: an das muß ich erinnern, was schon ganz allein mit Scham und Unmuth euch erfüllen muß. Hobet ihr doch noch gestern die Schlacht unter gleichen Vortheilen auf. Hat diese einzige Nacht, dieser eine Tag, neue Verhältnisse aufgestellt? Wurden in dieser Zeit eure Scharen vermindert? die feindlichen verstärkt? Mir ist gar nicht so, als redete ich zu meinem Heere, zu Römischen Soldaten. Nur die Gestalten und Waffen sind noch dieselben. Oder hätte der Feind, wenn ihr den alten Muth noch hattet, euch auf den Rücken sehen, einer einzigen Rotte oder Cohorte die Fahne nehmen können? Bisher rühmte er sich bloß niedergehauener Legionen von Römern: durch euch ward ihm zum erstenmale die Ehre, das Heer gejagt zu haben.»
Da erhob sich ihr Geschrei: «Er möge ihnen den heutigen Tag verzeihen. Wo er künftig wolle, müsse er den Muth seiner Soldaten auf die Probe stellen.» – «Sie soll gemacht werden, Soldaten, diese Probe!» sprach er. «Morgendes Tages führe ich euch ins Treffen, um euch die erbetene Verzeihung als Siegern, nicht als Besiegten, zu gewähren.» Den Cohorten, welche ihre Fahnen verloren hatten, ließ er Gerste reichen. Von den Rotten, welche ihre Fahnen vermissten, ließ er die Hauptleute ohne Gurt, mit Degen ohne Scheide, zur Schau ausstellen, und befahl, auf den folgenden Tag sollten sich Alle, Reuterei und Fußvolk, mit ihren Waffen einfinden. So wurden sie aus der Versammlung entlassen, nicht ohne eigenes Geständniß, den Verweis habe er ihnen mit Fug und Recht gegeben, und der einzige, der an diesem Tage als Mann in der 364 Römischen Linie gestanden habe, sei der Feldherr selbst, dem sie entweder durch den Tod, oder durch ausgezeichneten Sieg Genüge leisten müßten. Tages darauf stellten sie sich dem Befehle, völlig bereit und gewaffnet. Der Feldherr, der ihnen seinen Beifall bezeigte, kündigte ihnen an: «Er werde diejenigen, welche gestern zuerst geflohen wären, und die Cohorten, die ihre Fahnen verloren hätten, im Treffen voranstellen. Jetzt erkläre er ihnen, daß er Fechten und Siegen von ihnen Allen fordere. Jeder einzeln und Alle im Ganzen müssten dahin streben, daß die Nachricht von ihrer gestrigen Flucht nicht früher zu Rom eintreffe, als vom heutigen Siege.» Dann hieß er sie, sich gütlich thun, damit die Kräfte ausreichten, wenn die Schlacht länger dauern sollte. Wie Alles, was ihren Muth beleben konnte, gesagt und gethan war, rückten sie aus in die Kampfreihen.
14. Als dem Hannibal dies gemeldet wurde, rief er: «Das sage ich ja; wir haben mit einem Feinde zu thun, der weder Glück noch Unglück vertragen kann. Hat er gesiegt, so drängt er keck den Besiegten nach: ist er geschlagen, so stellt er sich den Siegern zu neuem Kampfe.» Er ließ die Trompeten blasen und rückte aus.
Von beiden Seiten focht man weit hartnäckiger, als Tags zuvor, da die Punier ihre Kräfte daran setzten, die Ehre von gestern zu behaupten; die Römer, den Schimpf zu tilgen. Auf dem Römischen linkenSinistra ala – – et legio vicesima.] Im vorigen Cap. hieß diese ala nicht sinistra, sondern dextera, und die Legion duodevicesima. Die letztere Verbesserung nehme ich von Perizonius und Drakenborch an. Für sinistra will Drakenb. sinistro lesen, und dies auf cornu beziehen. Des Übellauts wegen, wenn auf das o am Ende ein a zu Anfange des nächsten Wortes folgt, stimme ich dem sinistro ala nicht bei. Wenn ich annähme, es habe hier sinistrae gestanden und vom ae sei nur das Häkchen weggefallen, so wären die cohortes, quae amiserant signa und die ala zugleich sinistrae ab Romanis genannt, und sie könnte immerhin dextra an und für sich oder nur gestern gewesen sein; heute stand sie auf dem linken Flügel, und die cohortes und die ala sociorum selbst waren heute sinistrae. Flügel fochten jene Bundesgenossen und Cohorten, welche ihre Fahnen verloren hatten, an der Spitze; und die achtzehnte Legion war als rechter Flügel aufgestellt. Lucius Cornelius 365 Lentulus und Cajus Claudius Nero, die Legaten, befehligten die Flügel: Marcellus kräftigte durch seine Gegenwart, als Ermunterer und Zeuge, das Mitteltreffen. Auf Hannibals Seite machten die Spanier die Vorderreihe, und sie waren der Kern des ganzen Heers. Als die Schlacht lange unentschieden blieb, ließ Hannibal die Elephanten als Vorderreihe aufführen, um dadurch vielleicht Verwirrung oder Schrecken zu bewirken. Anfangs brachten sie auch die Fahnen und Glieder in Unordnung, und weil sie Alles umher entweder niedertraten oder durch den Schrecken zerstreuten, so bewirkten sie auf der einen Seite der Linie eine Blöße, und die Flucht würde allgemeiner geworden sein, hätte nicht der Oberste Cajus Decimius Flavus, der dem Fähnriche der ersten Rotte im ersten Gliede die Fahne wegriß, die Rotte dieser Fahne aufgefordert, ihm zu folgen. Er führte sie dahin, wo die zusammengedrängten Ungeheuer das größte Getümmel verursachten, und hieß auf sie mit Wurfpfeilen schießen. Wo der Schuß so wenig fehlen konnte, in einer solchen Nähe, auf so große vom Gewühle zusammengeschobene Körper, trafen die Pfeile alle. Wenn aber auch nicht alle Elephanten verwundet wurden, so rissen doch die, in deren Rücken der haftende Wurfpfeil steckte, durch ihre Flucht – wie diese schreckliche Thierart so leicht sich schrecken läßt –(ut est genus anceps)] Ich glaubte anfangs, dem Crevier und Sigonius folgen zu können, welche dies so erklären: ut belua illa eiusmodi est, quae tam in suos, quam in hostes ruat, und wollte es etwa so ausdrücken: «Ein so mißliches Hülfsmittel sind diese Thiere.» Allein ich glaube, wenn Livius dies hätte sagen wollen, so würde er es schicklicher bei den nachfolgenden Worten: eo magis ruere in suos beluae angebracht haben. Hier, an unsrer Stelle, giebt er, wie mich dünkt, nur den Grund an, warum die unverwundeten Elephanten durch die Flucht der verwundeten sich mit wegreißen lassenGenus anceps, tam ad accipiendum, quum ad inferendum terrorem.. Ich fühle es, wie weit ich hinter der Kürze der Urschrift zurückbleibe. Mich tröstet der Gedanke, daß Sigonius und Crevier, wenn sie diese Übersetzung lesen könnten, wenigstens darüber nicht ungewiß sein würden, was für einen Sinn ich dieser Stelle leihe. auch die Unverwundeten mit sich fort. Da schoß nicht mehr die Eine Rotte, sondern jeder Soldat nach Möglichkeit, wenn er nur die Schar der fliehenden Elephanten erreichen konnte, mit 366 Wurfpfeilen auf sie. So viel gewaltiger stürzten die Thiere auf ihr eigenes Heer, und warfen hier noch so viel schrecklicher Alles nieder, als sie unter den Feinden gethan hatten, weil die treibende Angst auf das gescheuchte Thier eine viel stärkere Wirkung hat, als der auf ihm sitzende Lenker seinem Gebote zu geben vermag. Auf die bei diesem Durchbruche ihrer Elephanten zerrüttete Linie rückte jetzt das Römische Fußvolk an, und ohne großen Kampf schlug es die Getrennten und Bestürzten in die Flucht. Gleich schickte Marcellus den Fliehenden seine Reuterei nach, und die Verfolgung hörte nicht eher auf, als bis die Gescheuchten in ihr Lager getrieben waren, Denn außer den übrigen Veranlassungen des Schreckens und der Verwirrung waren auch zwei Elephanten im Thore selbst zu Boden gestürzt, und die Soldaten waren genöthigt, über Graben und Wälle in ihr eigenes Lager einzubrechen. Hier wurde das Blutbad unter den Feinden am stärksten. An achttausend Menschen wurden getödtet und fünf Elephanten. Aber auch auf Seiten der Römer hatte der Sieg Blut gekostet. Von den zwei Legionen waren beinahe tausend siebenhundert Mann und von den Bundesgenossen über tausend dreihundert geblieben. An Verwundeten hatten Bürger und Bundesgenossen sehr viele. In der nächsten Nacht brach Hannibal mit seinem Lager auf. Ihm zu folgen, so sehr Marcellus es wünschte, erlaubte die Menge der Verwundeten nicht.
15. Die dem Zuge nachgeschickten Kundschafter kamen am folgenden Tage mit der Nachricht zurück, Hannibal ziehe sich gegen das Bruttische. Ungefähr in denselben Tagen ergaben sich an den Consul Quintus Fulvius nicht nuret ad Q. Fulvium – – accepti. Et Bruttiis] Ich lese mit Drakenb. aus den meisten und besten Mss. accepti sunt, verwandle aber das Punctum vor Et Bruttiis nur in ein Semikolon. Zu dem ersten et ad Q. Fulvium gehört meiner Meinung nach das zweite et Bruttiis als Nachsatz. die Hirpiner, Lucaner und Volcenter, lieferten Hannibals Besatzungen, die in ihren Städten lagen, aus, und wurden vom Consul, der ihren ehemaligen Fehltritt bloß mit Worten rügte, sehr gütig aufgenommen; 367 sondern da sich auch von Seiten der Bruttier die Brüder Vibius und Pactius, bei weitem die angesehensten Männer jenes Volks, mit der Bitte bei ihm einfanden, sich auf eben die Bedingungen, wie die Lucaner, ergeben zu dürfen, so machte er auch ihnen Hoffnung zu einer ähnlichen Verzeihung.
Der Consul Quintus Fabius eroberte im Sallentinischen die Stadt Manduria mit Sturm, machte hier an viertausend Gefangene und außerdem ansehnliche Beute. Von hier brach er nach Tarent auf und nahm sein Lager selbst am Eingange des Hafens. Die Schiffe, mit welchen Livius seine Zufuhr gedeckt hatte, nahm Fabius theils zu Vorrichtungen und Veranstaltungen des Mauersturms, theils versah er sie mit Wurfgeschützen, Steinen und Geschoß aller Art; eben so auch die Lastschiffe und nicht bloß die mit Rudern versehenen; so daß seine Leute hier mit Sturmzeugen und Leitern an die Mauern kommen, dort aber aus der Ferne von den Schiffen auf die Vertheidiger der Mauer schießen konnten. Diese Schiffe hatten die Einrichtung und den Zweck, vom offenen Meere aus die Stadt anzugreifen. Und das Meer war frei, weil die Punische Flotte zu dem Angriffe, den Philipp auf die Ätoler unternahm, nach Corcyra gegangen war. Unterdeß hatten sich im Bruttischen die Belagerer von Caulonia bei Hannibals Annäherung, um nicht aufgehoben zu werden, auf einen Hügel gezogen, der sie nur für den Augenblick gegen einen Angriff schützen konnte. Dem Fabius aber war bei der Belagerung Tarents ein geringfügiger Umstand zur Erreichung seines großen Zwecks behülflich.
Unter den Truppen ihrer Besatzung hatten die Tarentiner eine Cohorte Bruttier, die ihnen Hannibal gab. Der Oberste dieser Mannschaft war sterblich in eine Dirne verliebt, deren Bruder im Heere des Consuls Fabius stand. Als dieser aus seiner Schwester Briefe ihren neuen Umgang mit dem reichen und bei seinen Landsleuten so angesehenen Fremden erfuhr, so theilte er, in der Hoffnung, durch seine Schwester den Verliebten zu Allem vermögen zu können, seine Aussichten dem Consul mit. Als sein Anschlag nicht 368 für unstatthaft erklärt wurde, mußte er als Überläufer nach Tarent hineingehen, gewann durch seine Schwester den Obersten, stellte anfangs dessen Gesinnungen unvermerkt auf die Probe und als er von seinem Leichtsinne Begriffe genug hatte, machte er ihn durch die weiblichen Liebkosungen geneigt, auf dem Posten, der ihm anvertrauet war, die Wache zu verrathen. Als sie über das Wie und Wann eins geworden waren, meldete der bei Nacht über die unbesetzten Lücken heimlich aus der Stadt gelassene Soldat dem Consul, wie weit die Sache gediehen und was nach der Verabredung zu thun sei. Fabius, der um die erste Nachtwache die Besatzung der Burg und den Posten am Hafen durch ein Zeichen benachrichtigte, nahm für sich mit Umgehung des Hafens auf der östlichen Seite der Stadt eine verdeckte Stellung. Dann ertönten die Trompeten zugleich von der Burg, vom Hafen und von den Schiffen, die auf der freien Seeseite anlegten: Geschrei und schreckliches Getümmel machte man geflissentlich auf allen Stellen, wo am wenigsten zu fürchten war. Noch immer hielt der Consul seine Leute in aller Stille an sich. Wie also Democrates, der vormalige Flottenführer, der gerade den Oberbefehl an dieser Stelle hatte, Alles um sich her ruhig sah, zu andern Gegenden aber ein so lautes Getöse vernahm, daß das Geschrei zuweilen als aus der schon eroberten Stadt emporzusteigen schien, so zog er aus Besorgniß, der Consul möchte, während er hier säume, an irgend einer Stelle stürmen und eindringen, seine Mannschaft in die Gegend der Burg, von wo das Getöse am fürchterlichsten zu ihm herüberscholl. Als Fabius aus der Länge der Zeit und aus der Stille selbst abnehmen konnte, daß hier die Besatzung abgeführt sei; – denn wo man noch kurz zuvor die Schlafenden aufschrie und zu den Waffen rief, da war jetzt auch nicht ein Laut zu hören –; so ließ er an derjenigen Stelle Leitern an die Mauer legen, wo nach der Aussage des Unterhändlers bei diesem Verrathe, die Bruttische Cohorte die Posten versah. Hier wurde die Mauer zuerst erstiegen, weil die Bruttier den Soldaten hinaufhalfen und ihnen die Hände reichten. Diese kamen in 369 die Stadt hinüber und erbrachen hier das nächste Thor, so daß ganze Züge unter den Fahnen einrücken konnten. Nach erhobenem Geschreie kamen sie fast mit Tagesanbruch, ohne auf Bewaffnete zu stoßen, auf den Marktplatz, und zogen von allen Seiten den Angriff Aller, die bei der Burg und am Hafen fochten, auf sich.
16. Allein der Kampf hier am Eingange des Marktes begann mit größerer Hitze, als Beharrlichkeit. Weder an Muth, noch an Waffen und Kriegesübung, an Munterkeit so wenig als an Körperkraft waren die Tarentiner den Römern gleich. Kaum hatten sie ihre Wurfpfeile abgeschossen, so kehrten sie, fast noch ehe sie handgemein wurden, dem Feinde den Rücken, und zerstreuet entkamen sie, bei ihrer Bekanntschaft mit den Straßen der Stadt, in ihre oder ihrer Freunde Häuser. Zwei von ihren Anführern, Nico und Democrates, fielen unter tapferer Gegenwehr. Philemenus, der dem Hannibal Tarent verrathen hatte, jagte zwar im Schnelllaufe aus dem Gefechte; man erkannte aber gleich nachher sein in der Stadt umherlaufendes Pferd, ohne seinen Körper finden zu können. Man glaubte allgemein, er habe sich vom Pferde in einen offenen Brunnen gestürzt. Carthalo, der Befehlshaber der Punischen Besatzung, der die Waffen gestreckt hatte und unter Berufung auf die väterliche Gastfreundschaft schon dem Consul nahete, wurde von einem herzukommenden Soldaten niedergemacht. Die andern tödteten hier diese, dort jene, Bewaffnete und Unbewaffnete ohne Unterschied, Tarentiner so gut, als Carthager. Auch hieb man viele Bruttier nieder, entweder aus Irrthum, oder aus altem eigenthümlichen Hasse gegen sie, oder auch, um das Gerücht von der Verrätherei niederzudrücken, daß man eher glauben sollte, Tarent sei im Sturme und durch Waffen erobert. Nach dem Gemetzel vertheilten sich die Soldaten zur Plünderung der Stadt. Sie machten, wie es heißt, dreißigtausend Sklaven zu Gefangenen, fanden an verarbeitetem und geprägtem Silber eine gewaltige Menge, dreiundachtzig tausend PfundLXXXIII millia pondo] Selbst für das reiche Tarent ist diese Summe von mehr als 27 Millionen Gulden Conv, M., wie schon Glareanus erinnert, zu groß. Vermuthlich aber gehören die Worte octoginta tria millia zu der durch die Abschreiber weggefallenen Summe des rohen Silbers, die Livius, bei seinen Angaben der Beute, gewöhnlich auf das Gold folgen lässet. Denn vorher hatte er bloß den Betrag des verarbeiteten und geprägten Silbers angegeben. Gold, 370 und der Statüen und Schildereien so viele, daß sie beinahe dem Reichthume der Syracuser Kunstschätze gleichkamen. Aber hochherziger als Marcellus, konnte sich Fabius der Beute dieser Art enthalten. Auf die Aufrage, wie er es mit den Standbildern gehalten wissen wolle – und es waren lauter Götter in Riesengröße, jeder mit seinen Waffen im Angriffe dargestellt – gab er dem Schreiber zur Antwort: «Die zürnenden Götter sollen den Tarentinern bleiben.» Die Mauer, welche die Burg von der Stadt schied, ließ er noch niederreißen und aus einander werfen.
Als Hannibal, an den sich während dieser Ereignisse zu Tarent die Belagerer von Caulonia ergeben mußten, die Belagerung Tarents erfuhr, und nach mehreren zur Beschleunigung des Entsatzes Tag und Nacht fortgesetzten Eilmärschen hörte, die Stadt sei erobert, sagte er: «Auch die Römer haben ihren Hannibal. Über Tarent müssen wir denken: Wie gewonnen, so verloren.» Um indeß bei seinem Rückzuge nicht als der Fliehende zu erscheinen, schlug er da, wo er sein Heer hatte halten lassen, beinahe fünftausend Schritte von der Stadt, ein Lager auf. Dann zog er sich nach einem Aufenthalte von wenigen Tagen auf Metapontum zurück. Von hier ließ er zwei Metapontiner mit Briefen von den Häuptern der Stadt zum Fabius nach Tarent gehen, um sich vom Consul die Zusage zu erbitten, daß ihnen alles Vorige verziehen sein sollte, wenn sie ihm Metapontum mit der Punischen Besatzung überlieferten. Fabius, der ihre Anträge für Wahrheit nahm, bestimmte ihnen den Tag, wann er vor Metapontum ankommen wollte, und gab ihnen an jene Häupter Briefe mit, die dem Hannibal geliefert wurden. Dieser, über seine glücklich angelegte Falle so viel mehr erfreuet, wenn sich selbst Fabius von ihm überlisten lassen müßte, stellte in der Nahe von Metapontum einen Hinterhalt an. Dem Fabius, der vor seinem Aufbruche von Tarent 371 Vogelschau hielt, zeigten die Vögel Einmal und abermals nichts Gutes an, und da er auch im ausgeschlachteten Opferthiere den Wink der Gottheit zu vernehmen suchte, warnte ihn der Opferschauer vor feindlicher List und Nachstellung. Als die Metapontiner, wie er auf den bestimmten Tag nicht kam, sich wieder einfanden, um den Säumenden aufzufordern, wurden sie geschwind festgenommen, und entdeckten, aus Furcht vor härterer Folter, den ganzen Anschlag.
17. Im Anfange des Sommers, in welchem dieses vorfiel, kam zum Publius Scipio, welcher in Spanien den ganzen Winter dazu angewandt hatte, die Herzen der Ausländer. theils durch Geschenke, theils durch Zurücksendung der Geisel und Gefangenen zu gewinnen, Edesco, der bei den Spaniern als Feldherr Ruf hatte. Seine Gattinn und Kinder waren in der Römer Händen: allein außer dieser Veranlassung führte ihn eine Art von unwillkürlicher Zuneigung her, welche fast das ganze Spanien bewog, aus der Punischen Oberherrschaft zur Römischen überzutreten. Dies war auch der Grund, warum Indibilis und Mandonius, unstreitig die ersten Häupter des gesammten Spaniens, mit allen ihren Landestruppen sich vom Hasdrubal trenneten und auf den an sein Lager stoßenden Anhöhen ihre eigene Stellung nahmen, um von hier über die zusammenhängenden Bergrücken einen ungehinderten Weg zu den Römern zu haben. Da Hasdrubal die Macht der Feinde durch so großen Zuwachs sich verstärken, die seinige in Abnahme sah, und voraussehen konnte, daß sie sich, wie sie schon anfinge, völlig auflösen würde, wenn er nicht durch ein Wagstück eine Änderung bewirkte, so beschloß er, je eher je lieber zu schlagen. Noch sehnlicher wünschte Scipio ein Treffen, theils aus Hoffnung des Siegs, die der glückliche Fortgang seiner Unternehmungen verstärkte, theils weil er lieber, ehe die feindlichen Heere sich vereinigten, mit Einem Feldherrn und Einem Heere schlagen wollte, als mit allen zugleich. Doch auch auf den Fall, auf einmal mit Mehreren fechten zu müssen, hatte er ein Mittel gewußt, seine Truppen zu vermehren. Weil er sah, daß er von seinen Schiffen keinen Gebrauch machen konnte – 372 denn die ganze Spanische Küste hatte jetzt keine Punische Flotte – so ließ er die Seesoldaten von den Schiffen, die zu Tarraco auf den Strand gebracht wurden, zu seinen Landtruppen stoßen. Und Waffen hatte er in Überfluß, theils zu Neu-Carthago erbeutet, theils nach der Eroberung durch die Menge eingeschlossener Handwerker gefertiget. Mit diesen Truppen zog Scipio, der zu Anfang des Frühlings von Tarraco ausrückte, – denn auch Lälius war schon von Rom zurückgekommen, ohne den er nichts Wichtiges unternehmen wollte, – gerade gegen den Feind. Auf diesem Zuge durch lauter Freundesland, auf welchem ihn jede Völkerschaft der Bundesgenossen, so wie er durch ihre Gränzen ging, begleitete und empfing, kamen Indibilis und Mandonius mit ihren Truppen ihm entgegen. Indibilis führte in beider Namen das Wort, und gar nicht als der vermessene, rücksichtslose Barbar, sondern vielmehr mit bescheidener Würde, und mehr im Tone dessen, der seinen Übertritt mit der Nothwendigkeit entschuldigt, als daß er sich dessen berühmt hätte, bei dieser ersten Gelegenheit gleichsam zugegriffen zu haben. «Den Namen Überläufer, das wüßten sie sehr gut, treffe, bei den vorigen Bundesgenossen, ihr Fluch, bei den neuen, ihr Mistrauen: auch wollten sie diese Sitte der Menschen nicht tadeln, so lange dieser zwiefache Haß von einem Grunde, nicht aber vom Namen erzeugt werde.» Dann erwähnte er ihrer Verdienste um die Carthagischen Feldherren; wie habsüchtig hingegen, wie übermüthig und in allen Stücken ungerecht sich jene gegen sie und ihre Landsleute benommen hätten. «Darum wären sie bis jetzt auch nur mit ihrem Körper auf jener Partei gewesen; ihr Herz sei längst schon da, wo ihrer Überzeugung nach Gerechtigkeit und Gottesfurcht geachtet werde. Auch die Hülfesuchenden, welche die Gewaltthätigkeiten und Mishandlungen von Menschen nicht länger tragen könnten, nähmen ja ihre Zuflucht zu den Göttern. Sie bäten den Scipio nur darum, in ihrem Übertritte so wenig einen Nachtheil für sie, als eine Empfehlung zu finden, sondern den Werth ihres Diensteifers nur darnach zu bestimmen, wie sie seinen Erfahrungen über sie 373 vom heutigen Tage an sich bewähren würden.» Der Römische Feldherr antwortete: «Er werde sich ganz so verhalten, und Männer nicht als Überläufer ansehen, weil ihnen ein Bündniß mit Menschen ungültig gewesen sei, denen weder göttliche noch menschliche Rechte heilig wären.» Jetzt zeigten sich ihren Blicken ihre vorgelassenen Gemahlinnen und Kinder, die den vor Freude Weinenden zurückgegeben wurden; und Scipio nahm sie für heute als Gäste mit sich in sein Quartier. Am folgenden Tage nahm er vermittelst eines Vertrages die Zusage ihrer Treue an, und entließ sie zur Herbeiführung ihrer Truppen. Seitdem standen ihre Zelte im Römischen Lager, und sie brachten als Wegweiser das Heer vor den Feind.
18. Das nächste Carthagische Heer stand unter Hasdrubal bei der Stadt Bäcula. Vor dem Lager waren Posten von Reuterei aufgestellt. Auf diese thaten die Leichtbewaffneten, die erste Linie und der Vortrab, so wie sie auf dem Marsche ankamen, ehe sie noch einen Platz zum Lager nahmen, ihren Angriff mit so vieler Verachtung, daß man schon hieraus auf den Muth beider Theile schließen konnte. Die Reuterei wurde in unordentlicher Flucht auf ihr Lager geworfen, und die Römischen Fahnen rückten beinahe in die Thore selbst. Für heute blieb es bei der bloßen Aufforderung zum Kampfe, und die Römer schlugen ein Lager auf. In der Nacht zog Hasdrubal seine Truppen auf einen Hügel zurück, der sich oben in eine flache Ebene ausbreitete, im Rücken einen Strom hatte und dessen ganzen Rand vorn und auf den Seiten gleichsam ein steiles Ufer umgab. Unter jener Ebene lag tiefer herab eine zweite, schräg ablaufende. Ein zweiter, eben so schwer zu ersteigender Abhang zog sich auch um diese. Auf dies tiefer gelegene Feld schickte Hasdrubal am folgenden Tage, als er die feindliche Linie vor ihrem Lager in Stellung sah, die Numidische Reuterei und die Baliarischen und Africanischen leichten Truppen herab. Scipio, der bei seinen Gliedern und Fahnen herumritt, hieß sie nicht unbemerkt lassen, «daß der Feind, der, mit Verzichtleistung auf eine Schlacht im freien Felde, nur Höhen zu gewinnen suche, – 374 bloß. im Vertrauen auf seine Stellung, nicht auf Tapferkeit und Waffen, ihnen unter die Augen getreten sei. Allein Neu-Carthago habe noch höhere Mauern gehabt; und doch habe sie Roms Krieger überstiegen. Dort hätten ihren Waffen keine Bergschanzen, keine Burg, nicht einmal das Meer widerstehen können. Die Höhen, welche die Feinde besetzt hätten, würden zu weiter nichts dienen, als daß sie in Sprüngen über Klippen und Abstürze fliehen müßten. Aber auch diese Flucht wolle er ihnen versperren.» Und so ließ er zwei Cohorten, die eine den Eingang des Thals besetzen, durch welches der Strom hinabging, die andre sich an den Weg legen, der von der Stadt am Abhange des Hügels hin ins Feld leitete. Er selbst führte seine Leichtbewaffneten, welche den Tag vorher die feindlichen Vorposten geworfen hatten, gegen die feindlichen leichten Truppen, die auf der unteren Wimper des Berges standen.
Anfangs gingen sie auf rauhem Boden, durch nichts, als durch den Weg selbst, aufgehalten. Als sie jetzt dem Feinde in den Wurf kamen, wurden sie von einer schrecklichen Menge Geschosse aller Art überströmt: sie selbst erwiederten dies mit Steinen, welche allenthalben auf dem Boden zerstreuet und zum Wurfe tauglich sich darboten; und dies thaten nicht die Soldaten allein, sondern auch der den Bewaffneten zugegebene Schwarm der Holzknechte. So schwer ihnen indeß das Hinansteigen ward und ob sie gleich mit Geschossen und Steinen beinah überschüttet wurden, so kamen dennoch, des Sturms auf Mauern gewohnt und im Muthe beharrend, die Ersten hinauf. Kaum hatten diese nur ein Plätzchen der Ebene gewonnen, wo sie festen Fuß fassen konnten, so jagten sie einen leichtbewaffneten Feind, der sich nur auf den schnellen Ansprung versteht, sich in seiner sichern Ferne hält, so lange man von weitem mit Geschossen spielend ficht, der aber dem Handgefechte in der Nähe nicht Stand halten kann, von seinem Platze, und warfen ihn mit großem Verluste gegen die auf dem oberen Hügel aufgepflanzte Linie. Da theilte Scipio, der die Sieger gegen das Mitteltreffen hinanrücken 375 ließ, seine übrigen Truppen mit dem Lälius, hieß ihn die rechte Seite des Hügels umgehen, bis er einen sanfteren Aufweg fände, und brach selbst von der linken, nach einem kleinen Umwege, den Feinden in die Flanke. Hier gerieth ihre Linie zuerst in Unordnung, als sie nach dem auf allen Seiten sie umtönenden Geschreie ihre Flügel schwenken und den Gliedern dar Linie die Richtung auf die Flügel geben wollten. Während dieser Verwirrung gewann auch Lälius die Höhe, und als sie sich zurückzogen, um nicht im Rücken verwundet zu werden, lösete sich ihre vordere Linie und machte den im Mitteltreffen Angreifenden das Hinaufsteigen möglich, die auf einem so nachtheiligen Boden, wenn die Glieder unverrückt stehen geblieben wären, vor denen noch dazu Elephanten aufgepflanzt standen, den Platz nie erstiegen hätten. Als schon auf allen Seiten das Niederhauen anfing, hatte Scipio, der mit seinem linken Flügel auf den rechten eingedrungen war, den Hauptvortheil, gegen die unbeschildete Seite des Feindes zu fechten. Schon war ihnen auch kein Ausweg zur Flucht mehr offen. Denn theils hatten sich Römische Posten auf beiden Seiten, zur Rechten und zur Linken, an den Weg gelegt; theils hatte die Flucht des Feldherrn und der Vornehmsten das Lagerthor gesperrt, wozu noch das Getümmel der Elephanten kam, welche jetzt in Scheu ihnen eben so furchtbar waren, als der Feind. Also blieben achttausend Menschen auf dem Platze.
19. Hasdrubal, der das geraubte Geld schon vor der Schlacht, nun auch die Elephanten voraufschickte, und von seinen Flüchtlingen, so viele er konnte, an sich zog, eilte am Flusse Tagus hinauf den Pyrenäen zu. Scipio, der nach der Eroberung des feindlichen Lagers die ganze Beute, mit Ausnahme der Freigebornen, den Soldaten überließ, fand bei Musterung der Gefangenen zehntausend vom Fußvolke, zweitausend von der Reuterei. Die darunter befindlichen Spanier entließ er sämtlich ohne Lösegeld in ihre Heimat; die Africaner mußte der Schatzmeister verkaufen. Da wurde er von der ihn umströmenden Menge Spanier, die sich theils früher ergeben hatten, theils gestern 376 gefangen waren, mit dem einstimmigen Zurufe: König! begrüßt. Scipio ließ durch den Herold Stille gebieten und sagte ihnen: «Für ihn sei die Benennung Oberbefehlshaber, welche ihm seine Soldaten gegeben hätten, die höchste. An andern Orten sei der königliche Titel etwas Großes, zu Rom aber unausstehlich. Daß er königlichen Sinn habe, möchten sie, wenn sie dies für die erhabenste menschliche Gesinnung hielten, bei sich in der Stille anerkennen, allein des Gebrauchs der Benennung sich enthalten.» Selbst den Barbaren machte sich diese Geisteserhabenheit fühlbar, die auf dem Gipfel ihrer Höhe eine Würde zurückwies, deren Wunderglanz andre Sterbliche in Staunen setzt.
Darauf theilte er den Spanischen Fürsten und Großen Geschenke aus, und ließ den Indibilis unter der großen Menge erbeuteter Pferde dreihundert nach Belieben sich auswählen. Als der Schatzmeister, dem Befehle des Feldherrn gemäß, die Africaner verkaufte, und unter ihnen einen Knaben in den ersten Jünglingsjahren von außerordentlicher Schönheit fand, so schickte er ihn, als er hörte, er sei von königlicher Abkunft, an den Scipio. Auf die Fragen des Scipio: Wer, woher er sei und warum er so jung schon dem Lager folge, antwortete er: «Er sei ein Numider, heiße mit seinem Landesnamen Massiva; als Waise vom Vater hinterlassen, sei er bei seinem mütterlichen Großvater, dem Numidischen Könige Gala, erzogen, und mit seiner Mutter Bruder Masinissa, welcher neulich den Carthagern Hülfstruppen an Reuterei zugeführt habe, nach Spanien übergegangen. Er sei noch nie in eine Schlacht gekommen, weil es Masinissa seiner Jugend wegen nicht erlaubt habe. Am Tage der Schlacht mit den Römern habe er ohne Vorwissen des Oheims in aller Stille seine Waffen und sein Pferd genommen und sei ins Treffen gegangen; hier aber von seinem stürzenden Pferde vornüber zur Erde geschleudert und von den Römern gefangen.» Nach ertheiltem Befehle zur Verwahrung des Numiders that Scipio seine Geschäfte auf der Richterbühne ab. Dann ließ er, als 377 er in sein Feldherrnzelt zurückgegangen war, ihn rufen und fragte ihn, ob er wohl Lust habe, wieder zum Masinissa zu gehen. Als der Jüngling unter hervorströmenden Freudenthränen antwortete: «O sehr große!» schenkte er ihm einen goldenen Ring, ein breitverbrämtes Unterkleid nebst einem Spanischen Kriegsrocke mit der goldnen Schnalle und ein stattlich aufgeschirrtes Pferd, und entließ ihn mit dem Befehle an einige Reuter, ihn, so weit er es verlange, zu begleiten.
20. Nun wurde Kriegsrath gehalten. Da ihm Einige riethen, sogleich den Hasdrubal einzuholen, so widmete er dennoch in Betracht der Gefahr, daß sich Mago und der andre Hasdrubal mit jenem vereinigen möchten, den Rest des Sommers der Wiederaufnahme Spanischer Völkerschaften in seinen Bund, und schickte bloß zur Besetzung der Pyrenäen einige Mannschaft ab. Und wirklich kamen auch wenige Tage nach der Schlacht bei Bäcula, als Scipio, schon auf der Rückkehr nach Tarraco, sein Heer aus dem Gebirgswalde von Castulo herausgezogen hatte, die Feldherren Hasdrubal, Gisgons Sohn, und Mago aus dem jenseitigen Spanien bei dem Hasdrubal an, freilich zur Hülfe nach geschehenem Unglücke zu spät, aber zu dem über die weitere Führung des Krieges zu verabredenden Entwurfe sehr zur rechten Zeit. Nach gegenseitigen Mittheilungen über die Gesinnungen der Spanier, wie sie jeder von ihnen in der Gegend seiner Provinz gefunden hatte, war der einzige Hasdrubal Gisgons der Meinung, die entfernteste Küste Spaniens am Oceane und gegen Gades sei noch mit den Römern unbekannt und eben darum Carthago völlig treu. Der andre Hasdrubal hingegen und Mago hielten es für ausgemacht, «daß Scipio durch seine Gefälligkeiten die Herzen Aller, der Völker sowohl, als der Einzelnen, schon gewonnen habe, und daß die Spanischen Soldaten nicht eher aufhören würden, zu ihm überzugehen, bis sie alle entweder in das äußerste Spanien entfernt oder nach Gallien übergeführt wären. Wenn es also auch der Senat zu Carthago nicht verlangt hätte, so würde 378 Hasdrubal dennoch nach Italien haben gehen müssen, weil dort vom Hauptsitze des Krieges die Entscheidung des Ganzen abhänge, und zugleich damit er die sämtlichen Spanier, um in der Ferne nichts vom Scipio zu hören, von Spanien wegführte. Sein Heer, durch den häufigen Überlauf, besonders durch das unglückliche Treffen geschwächt, müsse er durch Spanische Soldaten wieder vollzählig machen. So müsse auch Mago nach Übergabe seines Heers an Hasdrubal, Gisgons Sohn, mit einer ansehnlichen Geldsumme, um Miethvölker zu werben, auf die Baliaren übergehen; Hasdrubal Gisgons sich mit seinem Heere in das innere Lusitanien entfernen und sich mit den Römern gar nicht einlassen; Masinissa aber von den ausgesuchtesten Truppen der ganzen Reuterei volle dreitausend Mann haben und in dem (ihnen) diesseitigen Spanien zur Vertheidigung der Bundesgenossen, zu Angriffen auf feindliche Städte und Verheerungen ihres Gebiets umherschwärmen.» Nach diesen Beschlüssen traten die Feldherren, ihre Verabredungen auszuführen, ihre verschiedenen Wege an. Dies geschah in diesem Jahre in Spanien.
Zu Rom stieg der Ruf des Scipio mit jedem Tage. Dem Fabius gereichte die Eroberung Tarents, wenn gleich mehr durch List, als durch Tapferkeit bewirkt, dennoch zur Ehre. Der Ruf des Fulvius war im Sinken. Vom Marcellus sprach man sogar übel, weil er, außer dem ersten unglücklichen Gefechte, seine Soldaten mitten im Sommer, während Hannibal in Italien umherzog, nach Venusia in die Quartiere gebracht hatte. Der Bürgertribun Cajus Publicius Bibulus war sein Feind. Dieser hatte schon seit der ersten unglücklichen Schlacht nicht aufgehört, in seinen öffentlichen Reden den Claudius bei den Bürgern verrufen und verhaßt zu machen, und jetzt trug er darauf an, ihm den Oberbefehl absprechen zu lassen: doch bewirkten des Marcellus Verwandte, daß er, mit Hinterlassung eines Legaten zu Venusia, nach Rom kommen durfte, um sich gegen die von seinen Feinden vorgeschlagenen Beschlüsse zu vertheidigen, und daß man 379 die Anfrage über seine Entsetzung vom Oberbefehle in seiner Abwesenheit ruhen ließ. Es traf sich, daß Marcellus, um sich dieser Kränkung durch Gegenvorstellungen zu erwehren, und Consul Quintus Fulvius zur Haltung der Wahlversammlungen, um dieselbe Zeit nach Rom kamen.
21. Die Verhandlung über des Marcellus Oberbefehl ging unter großem Zulaufe der Bürger und aller Stände auf der Flaminischen Rennbahn vor sich; und der Bürgertribun beschuldigte nicht den Marcellus allein, sondern die Adlichen alle. «Ihre Unredlichkeit, ihr Zögern sei Schuld daran, daß Hannibal Italien schon ins zehnte Jahr zu seinem Tummelplatze habe, daß er hier mehrere Jahre gelebt habe, als zu Carthago. Da sehe nun das Römische Volk die Früchte vom verlängerten Oberbefehle des Marcellus: sein zweimal geschlagenes Heer stehe zu Venusia in Sommerquartieren.» Diesen Ausfall des Tribuns schlug Marcellus durch Darlegung seiner Thaten so völlig zu Boden, daß nicht allein der Antrag, ihn des Oberbefehls zu entsetzen, verworfen, sondern er selbst den Tag nachher von allen Centurien mit großer Einstimmung zum Consul ernannt wurde. Zum Amtsgenossen gab man ihm den Titus Quinctius Crispinus, der damals Prätor war. Am folgenden Tage wurden zu Prätoren gewählt der Hohepriester Publius Licinius Crassus Dives, Publius Licinius Varus, Sextus Julius Cäsar, Quintus Claudius Flamen. Selbst in den Tagen der Wahlversammlung befürchtete die Bürgerschaft einen Abfall Hetruriens. Nach einem Briefe des Cajus Calpurnius, welcher als Proprätor über jene Provinz gesetzt war, gaben die Einwohner von Arretium hierzu den Ton an. Also wurde ungesäumt Marcellus, der nächstkünftige Consul, hingeschickt, die Sache zu untersuchen, und wenn er es nöthig fände, durch Herbeiholung seines Heers den Krieg aus Apulien nach Hetrurien zu verlegen. Hiedurch in Schrecken gesetzt, hielten die Hetrusker Ruhe. Die Tarentinischen Gesandten mit ihrem Gesuche um Frieden, Freiheit und Beibehaltung ihrer Gesetze beschied 380 der Senat zur Wiederkehr, wann Consul Fabius in Rom angekommen sei. Die Römischen und die Bürger-Spiele wurden dies Jahr, jede auf Einen Tag, wieder gegeben. Curulädilen waren Lucius Cornelius Caudinus und Servilis Sulpicius Galba; Bürgerädilen Cajus Servilius und Quintus Cäcilius Metellus. Den Servilius beschuldigte man, er sei eben so widerrechtlich Bürgertribun gewesen, als er jetzt Ädil sei, weil sein Vater, den die Bojer, wie man seit zehn Jahren irrig glaubte, als einen der Dreiherren bei der Landvermessung in der Gegend von Mutina erschlagen haben sollten, wie man jetzt gewiß wußte, noch am LebenS. Buch XXX. Cap. 18. und in Feindes Händen war.
22. Im elften Jahre dieses Punischen Krieges traten Marcus Marcellus zum fünftenmale (wenn ich das Consulat mitzähle, welches er wegen des Wahlfehlers nicht bekleidete) und Titus Quinctius Crispinus das Consulat an. Bei den Consuln bestimmte man Italien zum Standorte, und zu ihren Heeren die beiden consularischen des vorigen Jahrs; – das dritte stand damals zu Venusia und hatte den Marcus Marcellus zum Anführer gehabt – so, daß sie sich aus diesen dreien nach eigner Wahl zwei aussuchen konnten, und das dritte dem übergäben, der Tarent und das Sallentinische zum Standorte bekäme. Die übrigen Geschäftsstellen wurden unter die Prätoren so vertheilt: Publius Licinius Varus wurde bei der Gerichtspflege in Rom angestellt, Publius Licinius Crassus, der Hohepriester, bei der auswärtigen oder wozu ihn sonst der Senat bestimmen würde; Sextus Julius Cäsar in Sicilien, Quintus Claudius Flamen zu Tarent. Auf ein Jahr verlängerten Oberbefehl bekam Quintus Fulvius Flaccus, so daß er Capua, den bisherigen Standort des Prätors Titus Quinctius, mit einer Legion haben sollte. Man verlängerte ihn auch dem Cajus Hostilius Tubulus, der als Proprätor bei den zwei Legionen in Hetrurien in die Stelle des Cajus Calpurnius rücken sollte; verlängerte ihn auch dem Lucius Velurius Philo, der nun als 381 Proprätor dieselbe Provinz Gallien mit denselben Legionen behalten sollte, die er als Prätor gehabt hatte. Wie über den Lucius Veturius, eben so verfügte auch der Senat über den Cajus Aurunculejus, und dahin ging auch der Antrag bei dem Gesamtvolke, ihm den Oberbefehl zu verlängern, da er als Prätor die Provinz Sardinien mit zwei Legionen gehabt hatte. Auch wurden ihm zur Deckung der Provinz funfzig Schiffe zugegeben, die ihm Publius Scipio aus Spanien senden würde. Sowohl dem Publius Scipio, als dem Marcus Silanus wurden beide Spanien ferner nebst ihren Heeren auf ein Jahr bestimmt. Scipio sollte von den achtzig Schiffen, welche er theils aus Italien mitgenommen, theils in Neu-Carthago erobert habe, funfzig nach Sardinien übergehen lassen: denn das Gerücht sagte, zu Carthago mache man für dieses Jahr große Seerüstungen und wolle mit zweihundert Schiffen alle Küsten Italiens, Siciliens und Sardiniens überdecken. Auch für Sicilien traf man folgende Eintheilung. Dem Sextus Cäsar wurde das Heer von Cannä gegeben. Marcus Valerius Lävinus – denn auch ihm verlängerte man den Oberbefehl – sollte die bei Sicilien stehende Flotte von siebzig Schiffen haben, die dreißig Schiffe, welche voriges Jahr bei Tarent gewesen waren, dazu nehmen, und mit dieser Flotte von hundert Schiffen, wenn er es gerathen fände, auf Plünderungen nach Africa übergehen. Auch dem Publius Sulpicius wurde der Oberbefehl auf ein Jahr verlängert, so daß er für Macedonien und Griechenland dieselbe Flotte behielt. Mit den beiden Legionen, welche zu Rom gestanden hatten, traf man keine Änderung. Ergänzungstruppen, wo sie auch nöthig sein möchten, sollten die Consuln ausheben dürfen. Roms Oberherrschaft wurde dies Jahr von einundzwanzig Legionen vertheidigt. Auch dem Stadtprätor Publius Licinius Varus gab man den Auftrag, die dreißig alten Kriegsschiffe, welche zu Ostia standen, auszubessern und zwanzig neue mit Seeleuten zu bemannen, um mit einer Flotte von funfzig Schiffen die Rüste in der Nähe der Stadt Rom zu decken. Cajus Calpurnius 382 erhielt Befehl, mit seinem Heere nicht eher von Arretium aufzubrechen, als wenn sein Nachfolger angekommen sei. EbenIdem et Tubulo.] – Perizonius, der dies idem in zu strengem Sinne auf das vorige bezieht, will deswegen Eidem et Tubulo lesen, und Drak. Crev. und Duker, die ihm beitreten, wollen dann auch nachher caveret in caverent abändern. Wenn man idem ungefähr in dem Sinne nähme, wie eadem cautio, eadem providentia Tubulo imperata, wie ich in der Übersetzung gethan habe, so könnte man dieser beiden Abänderungen überhoben sein. So hießen auch XXV. 27. venti iidem nicht dieselben Winde, sondern so viel als eodem modo venti prohibebant. (Accedit WALCHIVS pag. 203). so machte man es dem Tubulus zur Pflicht, sich vorzüglich dagegen zu verwahren, daß die Hetrusker eine Umwälzung einleiten könnten.