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Die drei Köpfe des Schiwa

»… Da ist es denn am besten, wenn ein guter Komponist, der das Theater versteht und selbst etwas anzugeben imstande ist, und ein gescheiter Poet als ein wahrer Phönix zusammenkommen.«

Mozart

Immer haben, in der Geschichte der Kunst, die schauspielerischen Naturen Verbindungen angestrebt: auf Wirkung sinnend, glaubten sie sich zu vertiefen, wenn sie sich erweiterten. Bernini rechnete für die Wirkung seiner Dome auf das Brausen der Orgel, Wiertz ließ vor seinen Riesenbildern Musik machen.

War Wagner ein geborener Schauspieler, der Musik und Dichtung an sich riß, um sich dreifach deutlich zu machen? Um nach drei Richtungen zugleich zu sehen, wie die indische Gottheit? War er geborener Dichter, der den Musiker, geborener Musiker, der den Dichter in sich zu Hilfe ruft? Was er mehr, was weniger gewesen, sei später an seinem Werke untersucht. »Wäre ich nur Musiker,« schreibt er im Jahre 55, »so wäre auch alles ganz in der Ordnung. So bin ich aber zum Unglück noch etwas anderes, und dies macht, daß ich so schwer in dieser Welt unterzubringen bin, so daß es an tausend Irrungen dabei nicht fehlen kann.« Das ist die Wahrheit, aber sie sagt nicht viel.

Gewiß ist, daß er mit fünfunddreißig Jahren nach seiner Aussage noch schwankte, ob er »ein musikalisches Drama oder ein rezitiertes Schauspiel zu schreiben hätte.« Ganz enthüllt er sich, wenn er, in voller Reife, vierzigjährig, an Liszt schreibt: »Das ist es nun, worüber ich mir selbst immer klarer werde: gewiß, meine Fähigkeiten, jede einzeln genommen, sind gewiß nicht groß, ich bin und leiste nur dann etwas, wenn ich im Affekt alle meine Fähigkeiten zusammenfasse und rückhaltlos sie und mich darin verzehre. Worauf mich dann mein Affekt hinweist, das werde ich, solange als nötig, – sei es Musiker, Dichter, Dirigent, Schriftsteller, Rezitator, oder was sonst

Goethe war wenig jünger, als er sich erst endgültig entschloß, doch nicht Maler zu werden. Und dann konnte man ihn, von außen gesehen, Jahrzehnte lang als Ästhetiker oder Naturforscher ansprechen. Nur führte jede Vielseitigkeit in Goethe zur Gliederung eines erlauchten menschlichen Ganzen, das inzwischen einige Male Werke verschiedener Art enthüllte, um sie dann wieder zu verlassen, fast wie Lionardo. Wagner muß alle seine Fähigkeiten »im Affekt« erhitzen, bis sie schmelzten: dann schweißt er aus diesen Stücken das Werk, wie Siegfried aus Stücken den Notung. Siegfried ward Schmied, nur um mit selbstgeschaffener Waffe in die Welt zu ziehen: so wurde Wagner Künstler.

In jener Äußerung nennt er fünf seiner Gaben. Wir kommen auf jede zu sprechen. Allgemein ist es merkwürdig und wenig bekannt, daß dieser vielfältige Mann gegen Ende seines Lebens entschlossen war, alle seine Fähigkeiten ruhen zu lassen, um absoluter Musiker zu werden. Eine Erscheinung, aufs höchste erstaunlich, nach allen Kämpfen, Theorien, Beispielen. Ein Dutzend Äußerungen in dieser Richtung erwähnt in den letzten sechs Jahren sein Biograph. Nach dem Parsifal wollte er »nur noch Sinfonien schreiben«. Er würde sie Sinfonische Dialoge nennen, denn auf die vier Sätze im alten Stil könnte er sich nicht mehr einlassen, aber: ein Thema und ein Gegenthema müßte man haben und sie miteinander reden lassen. Mit einem Male studiert der Greis aufs gründlichste wieder das ganze Wohltemperierte Klavier, spielt Palästrina, läßt sich die letzten Quartette von Beethoven (die er immer besonders geliebt), vorspielen und sagt auf das Cis-moll: »Eines der größten Wunderwerke der ganzen Musik!«

Bald darauf, noch viel erstaunlicher: »Sinfonien möchte ich komponieren, wo ich schreiben könnte, was mir einfällt, ich würde zur ursprünglichen Form der Sinfonie zurückkehren, in einem Teil mit einem Andante als Mittelsatz.« Zugleich: »Es wäre mir am liebsten, wenn das Theater da oben abbrennte!«

Noch später, 81: »Viel lieber würde er jetzt Sinfonien schreiben. Jeden Augenblick müßte er des Dramas wegen die schönsten Themen weglegen, die ihm grade durch den Kopf gingen.« Wie? Das Drama, mit Mißmut in Wagners Mund genannt? Und gar, bei Palästrina: »O, was ist doch solch ein Dreiklang! ,… Wenn er hier eintritt, so ist dies nach allem Toben, Wüten, Irren wie die Rückkehr von Brahma zu sich selbst! ,… Was soll man da von Fortschritt denken? Seitdem sind die Formen eher kleinlicher geworden!«

Atemlos lauschen wir dem Alten. Steht er vor seiner Einkehr? Will dieser geniale Sünder widerrufen, mit solcher Seelengröße, wie nie ein Konvertit getan? Heraus! und gib die Sinfonien her? Den Dreiklang! das Andante! Bereue, Musiker! ehe es zu spät ist! Deiner wartet sonst die ewige Verdammnis! Du wirst sie sonst nicht schauen, die du liebtest, Bach, Mozart und Beethoven! Nicht einmal jene, die du nicht liebtest: Schubert, Rossini! Du fährst zur Hölle, und ein Mann, dem dein Genie mit jedem Atemzuge überlegen war, begrüßt dich unten als Genossen, er, in ein rotes Tuch gehüllt, eine Theaterfackel ohne Brand in Händen: Meyerbeer!

Aber der alte Zauberer nimmt mit einem Lächeln die Maske des reinen Musikers ab, die seine anderen Gesichter verhüllte: wieder trägt er drei Köpfe und überreicht dir, statt der Sinfonien – Parsifal! Doch um auch hier alle Triebe mit optimistischer Gebärde zu verschmelzen, fügt er, auf dein Erstaunen, rasch hinzu:

»Ich werde die christlichen Feste komponieren; das werden meine Sinfonien sein!« Historische Worte, vgl. Glasenapp..


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