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An die fleißige Julie.

Zu ihrem Geburtstage, den 12. September.

Die Du uns Faulen durch Dein fleißig Leben
Nun Jahre lang vergebne Lehren giebst
Und, hast Du so den schönsten Rath gegeben,
Faul, wie wir sind, uns glücklich weiter liebst,
Wir bessern uns! es bleibt nun fest beschlossen,
Wir ändern uns, so bald die Zeit es bringt.
Das späte Aufstehn hat Dich längst verdrossen,
Sieh! wie man unverspätet heute zu Dir dringt.
Für Wissenschaften sind wir rein besessen,
Für Künste, Malen, Kochen, Schneidern – und im Lexicon
Zu suchen, ward dies Mal auch nicht vergessen,
Die Line fand ja Love im Englisch schon!
Die Gustel conjugirt das bald aufs Beste,
Wer weiß, wie bald sie's zum perfectum bringt!
Und sucht der Vetter links unter seiner Weste,
Vielleicht da amo, j'aime schon fix und fertig klingt.

– Nur fordern wir, wie alle Unterthanen,
Sehr unterthänig keck: Constitution,
Wir wollen lernen, was wir ahnen,
Und wollen thun, als thäten wir es schon.
Ich habe heut zu Deinem neuen Leben
Mir vorgenommen, ganz charmant zu seyn,
Und um's erklecklich gleich von mir zu geben,
So schlief ich fast im schönsten Denken ein.
Ich träumte auch, was selten sonst passiret,
Und hielt den Traum am frühen Morgen fest.
Ich hab' ihn Dir nun schriftlich dediciret,
Du siehst, der Fleiß mich nicht im Schlaf verläßt.
Auf dem Papier, von Dir zur Lehr' gegeben,
Mit goldner Feder, die von Dir mir kam,
Als ich am 12. auch zu neuem Leben
Sehr contre coeur 'n neuen Anlauf nahm.


An die fleißige Julie. Zu ihrem Geburtstage, den 12. September

H 1, Seite 24/27. – Signatur Sibyllens: C.; den zugehörigen »Traum« signiert sie irrtümlicherweise besonders mit: 44.

An Julie Gräfin von Egloffstein gerichtet, mit der Ottilie seit Oktober 1816 viel verkehrte, vgl. ihren Brief an Adele vom 24. Oktober 1816 (Nachlaß I 293 f.). Vom November dieses Jahres ab begegnen wir ihrem Namen auch in Adelens Tagebüchern häufig. Die beiden Schwestern, Karoline (1796-1869) und Julie (1792-1870), nahmen teil an den »Musenkaffees«; Julie galt als »die geistreichste unter uns« und war eine talentvolle Malerin, die sich Goethes Förderung erfreuen durfte. Eifersüchteleien, die wohl durch die gemeinsamen Beziehungen zu Könneritz entstanden, entzweiten Adele mit Julie schon im März 1819; am 24. schreibt sie in ihr Tagebuch: »Ich habe Julie verloren, ganz, unwiederbringlich«, und nach vorübergehender Versöhnung ist sie April 1822 »fertig mit ihr«, da Julie unnachsichtlich Ottiliens Verhalten bei dem Abenteuer mit dem Kunstreiter Baptiste verurteilte (vgl. Anmerkung zu S. 107). Daher dürfte das Gedicht spätestens in das Jahr 1818 zu verlegen sein.

Ottiliens gereimtes »Billet an Herr von Göthe« aus dem Jahre 1817 (Nachlaß I 297 f.) zeigt einen ähnlichen Humor. – Gustel ist die jüngere Schwester Auguste (1796-1862), die sich als Dichterin betätigte.


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