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Vater! der Himmel mit seiner Weite
Bleibt unerreichbar! – ich höre Dich nicht!
Frag' ich die Nacht mit dem Sternengeleite,
Frag' ich des Tages hellrosiges Licht!
Vater! Die Erde mit all ihren Banden
Hat mir die Seele mit Ketten umringt –
Vater! Dein Wille – er bleibt unverstanden,
Dich zu erfassen dem Streben mislingt!
Alle die Kräfte der Seele und Sinne,
Die Du zum Leben – zum Handlen geschenkt,
Wanken und irren – und nirgend gewinne
Ich den Gedanken, der deutlich Dich denkt!
Blind ist mein Auge, mein Herz mir entfremdet,
Todt alles Wollen und dunkel die Welt –
Haltlos zu Dir meine Seele sich wendet:
Zeige Dich Licht, das die Nächte erhellt!
Zeig' Dich! und müßtest den Tod Du mir zeigen –
Zeig' Dich! und zeigtest die Hölle Du mir!
Vater! Du mußt ja zum Kinde Dich neigen,
Vater im Himmel! es rufet zu Dir!
In Jena, im September 1826
H 2, Seite 19 f. Überschrift: »Im Septemb. 26«. Vgl. das Facsimile S. 173 f. – H 1, Seite 101, Überschrift: »In Jena, im Sept. 26«. – Signatur Sibyllens: 62.
Adelens dunkle Ahnung bestätigte sich nur zu bald. Im Februar 1826 kam Gottfried Osann nach Weimar, aber fünf Tage vergingen, ehe er sich bei Adele sehen ließ, und ihr erstes Zusammentreffen zeigte ihnen oder doch ihr, daß sie einem Phantom nachgejagt war. Seine Hoffnungen auf eine Professur in Jena erwiesen sich als aussichtslos, so reiste er nach Dorpat zurück. Adele blieb nach wie vor in einer peinigenden Unsicherheit; einem endgültigen Abbruch ihrer bisherigen Beziehungen waren beide noch ängstlich ausgewichen. Er erfolgte erst im August 1826 durch einen Brief Osanns, den Ottilie in ihrem Tagebuch vom 23. August 1826 kurz erwähnt (»ich ging zu Adele und las Gottfrieds Brief«; Nachlaß II 152). Einen Funken Hoffnung hatte Adele noch bis zuletzt genährt; jetzt war alles zu Ende. Ausbrüche ihres verzweifelten Schmerzes, der sich bis zu Selbstmordgedanken gesteigert zu haben scheint (vgl. die Einleitung S. 22), sind dieses und die vier folgenden Gedichte. Nach Jena, wohl zu ihrer Freundin Louise Wolff, flüchtete Adele immer, wenn ihr Weimar unerträglich wurde; vgl. darüber den eigenartig prophetischen Brief Ottiliens vom 14. Mai 1817 (Nachlaß II 306). – Osann wurde 1828 ordentlicher Professor in Würzburg, wo er bis zu seinem Tode lebte und als erfolgreicher Forscher und Mitbegründer der dortigen Physikalisch-medizinischen Gesellschaft In seinem Wirkungskreis reiche Befriedigung fand.