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Nach einem Streite mit A. N.

Wenn der Verstand mit leicht bewegtem Spiele
Sich glänzend zeigt im bunten Wortgefecht,
Wählt doch das Herz, in schwankendem Gefühle
Unsicher stets, kaum einen Ausdruck recht.
Die Worte sind wie scharf geschliffne Waffen
In Kindeshand und machen ihm zu schaffen.

Da ist ein Mehr, ein Weniger gewesen,
Da ritzt ein Pfeil und schien doch erst so schön!
Da wird die Schrift im Auge falsch gelesen –
Urplötzlich ist uns Allen weh' geschehn.
Das Herz sagt nie genau, was wir empfanden,
Denn wortlos nur wird es nicht mißverstanden.

Zum Angedenken mag dies Blättchen dienen,
Zum Abschied nicht, weil ihn das Herz nicht sagt,
Als Epheublatt mag es die Zeit umgrünen,
Wenn Zukunft einst Vergangenheit beklagt.
Wenn Worte nirgends mehr mein Bild beschränken
Magst wortlos du noch meines Wesens denken.

Abends 10 Uhr, den 26. Oktober 1825.


Nach einem Streite mit A. N.

H 1, Seite 65. – Signatur Sibyllens: N.

A. N. ist Alfred Nicolovius (1806-1890), auch ein Sohn des Berliner Staatsrats und Enkel von Goethes Schwester, vgl. die Anmerkung zu S. 101. Er hielt sich von September bis November 1825 in Weimar auf. Am 4. September war er bei Goethe zu Tisch (vgl. »Goethes Gespräche. Gesamtausgabe« von Biedermann, III. Bd., S. 220); 1828 veröffentlichte er ein Buch: »Über Goethe. Literarische und artistische Nachrichten«, das aber dem Dichter »unerfreulich« war (vgl. Gespräche Bd. III, S. 444). Auch Adelens handschriftliches Tagebuch von 1825 nennt den Namen; »Alfred« ist ein leeres Blatt darin überschrieben, das offenbar später ausgefüllt werden sollte; am 20. November meldet sie seine Abreise nach Berlin. 1835 ging er als außerordentlicher Professor der Jurisprudenz nach Bonn, wo er bis zu seinem Tode lebte.


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