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15a. Spervogel.

1.
                    Ein guter Gruß erfreut den Gast, der tritt herein;
So steht es auch in seinem Haus dem Wirthe sein,
    Daß er in Zucht gebahre froh;
Er biet es seinem Gaste so,
    Daß ihn der Wille gut bedünkt, den er ihm gern bewährte;
Er erwirbt mit wenig Kosten Lob, der einen Fremden ehrte.
 
2.
    Man soll den Mantel kehren wie das Wetter wird:
Ein fremder Mann gehabe sich zu Dank dem Wirth.
    Seines Leides sei er nicht zu voll,
Des Glücks er sich bescheiden soll.
    Es ist heute mein und morgen dein, so theilet man die Huben;
Nicht selten fällt er selbst hinein, der Andern gräbt die Gruben.
 
3.
    Wer mir verweisen will so schmalen Guts Gewinn,
Erleb ichs jemals, daß ich wohl berathen bin,
    So soll er mir ein Neidhart sein.
Ich hörte sagen, daß der Rhein
    Hievor in engen Furten floß: drum harr ich beßrer Zeiten:
Nun ward er also groß und tief, man mag ihn nicht durchreiten.
 
4.
    So weh dir, Armut, du benimmst dem frommen Mann
Witz und Sinn, so daß er nichts vermag und kann.
    Die Freunde gern entbehren ihn,
Ist seine Habe gar dahin.
    Sie kehren ihm den Rücken, öffnen kaum zum Gruß die Lippen;
Wenn er im Ueberfluße lebt, hat er noch holde Sippen.
 
5.
    Mich wundert immer, daß ein wohlgerathner Mann
Der nächsten Sippe Huld mit Nichts erwerben kann.
    Er ist ihr ohne Grund verhaßt:
Sie gönnten eher einem Gast
    Die Ehre, der er pflegen müste, wenn sies recht verständen.
Entrathen sie des Freundes einst, sie trügen ihn auf Händen.
 
6.
    Wer in fremden Landen viel Preiswerthes that,
Der sollte nimmer kommen heim, das wär mein Rath,
    Hat er nicht hier den gleichen Muth.
Des Mannes Lob ward nie so gut
    Als das aus seinem Hause kommt, wo man ihn wohl erkennet:
Was hilfts, daß man mit schnellem Pferd den trägen Esel rennet?
 
7.
    Man soll zur Bärenjagd gebrauchen jungen Hund,
Zur Reiherbeize jährgen Habicht, sei euch kund,
    Das alte Ross zur Stute spannt,
Mit lindem Waßer wäscht die Hand,
    Mit ganzem Herzen minnet Gott, die Welt zugleich um Ehre,
Und nehmt von weisem Manne Rath und folget seiner Lehre.
 
8.
   Wer Rath begehrt und folgt ihm gern, der habe Dank,
Wie mein Geselle Spervogel sang:
    Und bleibt er leben tausend Jahr,
Seine Ehre steiget, das ist wahr.
    Hält er an Treue fest dazu und will davon nicht wanken,
Wenn längst sein Leib im Grabe fault, so muß man ihm noch danken.
 
9.
    Sich hebt zuweilen ein Geschlecht durch einen Mann,
Der ihm zu helfen weiß und klüglich rathen kann.
    So sinkt ein hoch Geschlecht auch nieder
Und hebt hernach sich niemals wieder,
    Wenn es den werthen Mann entbehrt, der ihm da sollte rathen:
Er war ihm stäts mit Treue hold und sühnte was sie thaten.
 
10.
   Ein Herr sollt einen biedern Mann wohl dreißig Jahr
Darauf behalten (was ich sage das ist wahr),
    Daß er ihm holdes Herze trage,
Wenn einst der Feind ihm widersage.
    Wer Gut zu sehr zu Herzen nimmt, gewinnt sich nimmer Ehre;
Um meinen Nutzen sag ichs nicht, den Andern nur zur Lehre.
 
11.
   Wer gute Sinne hat, den heiß ich wohlgeboren:
Was man einem Thoren sagt, ist gar verloren.
    Man giebt ihm guter Räthe viel,
Es ist doch ein verloren Spiel.
    Will er nicht alle Kräfte gar auf Sinn und Tugend kehren,
So mag man wilde Bären wohl noch eher harfen lehren.
 
12.
    Wer lange dient, wo man auf Dienst sich nicht versteht,
Und wem ein Nebenschlüßel in die Kammer geht,
    Dazu wer falsche Nachbarn hat,
Der wird in sauerm Schweiße satt.
    Wenn sich der arme Mann erhält, nicht gänzlich muß verderben,
So geschiehts mit Gottes Hülfe nur: der lohnt wohl treuem Werben.
 
13.
   Wer einen Freund will suchen, wo ihn Niemand minnt,
Und fährt zu Walde spüren, wenn der Schnee zerrinnt,
    Viel Dinge kaufet unbeschaut,
Und gar verlornem Spiel vertraut,
    Dem kargen Manne Dienst erzeigt, der ohne Lohn muß bleiben,
Dem wird wohl Afterreue kund, will ers die Länge treiben.
 
14.
   Wer lange seinen guten Freund behalten will,
So schelt er vor den Leuten ihn nicht allzuviel.
    Beiseite nehm er ihn hernach
Und halt ihm vor was er verbrach:
    Wo es der Fremden keiner hört, da mag er sich beschweren:
Behandl ihn vor den Leuten wohl, das wird ihn immer ehren.
 
15.
    Daß mir das Glück nicht hold will sein, das thut mir weh,
Drum must ich ungetrunken gehn von einem See,
    Daraus ein lautrer Brunnen floß
Und sich mit vollem Schwall ergoß:
    Da büßte Mancher seinen Durst und ward da wohl ergetzet:
Wie oft ich meinen Napf da bot, mir ward er nie genetzet.
 
16.
   Glück geht vor Gunst, so sieht man Muth und Tapferkeit
Oft hinter reichem Feigling gehn in schlechtem Kleid.
    Ein Thor, wer am Verdienste spart!
Erfahrung will ergrauten Bart,
    Treue macht den Mann nur werth, der Frage folgt Bescheiden,
Liebe bringt den Kauf zu Stand, Verlust mag Freunde scheiden.
 
17.
   Was frommt dem Rosse, daß es bei dem Futter steht,
Und einem Wolfe, daß er bei den Schafen geht,
    Hält man sie beid in strenger Hut?
So kommt es dem auch nicht zu Gut,
    Der käuflich findet was er braucht und kann es nicht bezahlen.
Ein Licht in fremden Mannes Hand mag keinem Blinden stralen.
 
18.
    Wer den Wolf zum Hirten nimmt, der kommt zu Schaden;
Ein weiser Mann, der soll sein Schiff nicht überladen.
    Was ich euch sage, das ist wahr:
Wer seinem Weib das ganze Jahr
    Kauft der guten Kleider viel, sich selber keine kaufet,
Von solcher Hochfahrt kommts, wenn sie ihm bald ein Stiefkind taufet.
 
19.
   Wenn guter Kleider auch ein reines Weib entbehrt,
Sie kleidet ihre Tugend, hat man mich gelehrt,
    Daß sie so lieblich ist geblümt
Wie von der Sonne wird gerühmt
    Des Morgens, wenn sie aufersteht mit rosenrothem Schimmer.
Wie gut Gewand die Falsche trägt, die Ehre fehlt ihr immer.
 
20.
   Es ziemt wohl Helden, nach dem Leide froh zu sein.
Kein Unglück war noch je so groß, es war dabei
    Ein Glück: drum mag er sich versehn,
Nach Schaden werd ihm Heil geschehn.
    Ein schmähes Gut verloren wir: ihr Helden stolz, laßt fahren,
    Verzagt nicht drum, wir wollen uns ein andermal nicht sparen.
 
21.
    Wir loben alle diesen Halm, der Körner trug.
Ein schöner Sommer war erst jüngst und Korns genug:
    Da waren alle Leute froh;
Wer sah noch je so schönes Stroh?
    Es füllte wohl dem reichen Mann die Scheuer und die Kiste;
Hat es gedient wozu es soll, so wird es doch zu Miste.

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