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Indessen war die Mahlzeit heute sehr hinausgezögert worden. Man hatte die Frau Baronin, die darauf bestand, erst abfahren, und ein paar Gäste, die gerade eben verspätet eintrafen, sich von dem Staube des Weges reinigen lassen wollen. Zu diesen waren andere gekommen, deren Mittagsstunde allerdings längst vorüber war, die aber, nur um keine Störenfriede zu sein, nichts dagegen hatten, wenn man auch für sie Kuverte legte. Zu dem Zwecke mußte die Tafel umgedeckt, dann verlängert und schließlich aus dem gewöhnlichen Speisezimmer in den nach dem Garten zu angebauten Saal verlegt werden. Fräulein Saling und Stude, ihr treuer Helfer in solchen wirtschaftlichen Bedrängnissen, hatten die Hände voll, bis alles schicklich geordnet, und Herr Zempin, der seinen Löwenhunger kaum noch zu bändigen vermochte, endlich an der Spitze seiner Gäste Platz nehmen durfte.
Gerhard hatte gehofft, sich die Gelegenheit zunutze machen und aus dem durcheinanderwirrenden Schwarm der alten und neuen Gäste auf sein Zimmer und von dort in die stillen Felder retten zu können; aber Herr Zempin hatte ihn kaum erblickt, als er ihn sofort anrief und den Neuangekommenen vorstellen zu dürfen bat, wobei er jedesmal den Titel geflissentlich hervorhob. Gerhard hätte lachen mögen, wäre ihm weniger ernst zumute gewesen. In einer Gesellschaft, die ihn neun Tage lang immer bei seinem Namen genannt, war er plötzlich und ausschließlich ›Herr Baron‹ geworden; er hütete sich, dagegen Einspruch zu erheben, weil er herausfühlte, daß er die Sache dadurch nur schlimmer machen würde. – »Und dann«, sagte Herr Zempin: »in dem Kampfe gegen meine alte Freundin, in dem Sie nun einmal engagiert sind, und den Sie durchfechten müssen und werden – daraufhin kenne ich Sie – wird sich das bißchen Titel, das Ihnen so verächtlich deucht, als eine mächtige Schutz- und Trutzwaffe erweisen – glauben Sie mir!«
»Vorläufig«, erwiderte Gerhard, »scheint mir diese Waffe ein Magnet, der die Aufmerksamkeit der Gesellschaft in einer recht unbequemen Weise anzieht.«
»Das würde heute auch ohne die Titelfrage der Fall sein.«
Gerhard war über diese Worte, die ihm Herr Zempin in dem Moment, als man sich setzte, ins Ohr raunte, erschrocken gewesen, und es sollte ihm während der Mahlzeit allzuviel Gelegenheit werden, die Richtigkeit zu erproben. Es mußte noch einen anderen Grund haben, weshalb, selbst von dem fernsten Ende der Tafel, die Blicke eifrig miteinander Flüsternder sich so oft und immer mit demselben Ausdruck der Neugier oder Verwunderung auf ihn wandten. Es unterlag keinem Zweifel: sein Streit mit der Baronin war ein Geheimnis für niemand mehr, und ebensowenig, mußte er annehmen, dessen Veranlassung. Freilich war nur Herr und Frau Zempin – und auch sie aus der Entfernung – Zeugen gewesen; aber die Dame hatte sicher in ihrer Wut den beiden Gatten und wer es hernach von der Gesellschaft hören wollte, alles erzählt und mit welchen Übertreibungen vermutlich! mit welchen Zusätzen!
Gerhard sauste es in den Ohren, wenn er daran dachte; und wie sein Name und wie ihr Name auf allen diesen geschäftigen Zungen war und mit dem Fisch und dem Braten zerkaut wurde. Und als gar Frau Sallentin, seine Nachbarin, nach einigen Anspielungen, gegen die er taub geblieben, anfing, offen von der Frau Baronin zu sprechen, welcher der Herr Baron ja wohl so trefflich gedient habe; und wie sie – Frau Sallentin – der Hochmütigen, die alle Damen behandle, als ob sie – die Damen – geborene Gänsemädchen wären, ›indem daß doch der Fall bekanntlich umgekehrt liege‹ – eine solche Lektion von Herzen gönne; – da mußte er seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht den Stuhl zurückzuschieben und die Tafel, die ihm zur Hölle wurde, zu verlassen.
Seine finstere Miene mußte der wenig Scharfsichtigen aufgefallen sein. Sie leitete das Gespräch von dem unsicheren fremden Boden auf ein Terrain, wo sie sich ganz sicher fühlte, da sie es als ihr eigenes betrachten durfte.
»Denn sehen Sie, Herr Baron: unsere Gören, unsere Kinder – das sind wir ja selbst: was ihnen im Kopf steckt, das fühlen wir – was wir Eltern sind – auch im Kopfkissen; und wenn nun gar das liebe Herz im Spiele ist – na, Herr Baron, Sie sind ja auch noch so jung, und gerade jetzt, wo Sie selbst – was ich sagen wollte: Sie werden es auch schon bemerkt haben mit meiner Luising und mit Lindblad. Man kann es dem Gör nicht verdenken: sie waren alle in ihn verschossen in Grünwald auf den Offizier- und Studentenbällen, und er hat ja auch soweit das Seinige gelernt und seinen Doktor in diesem Frühjahr gemacht, wozu ihm mein Mann das Geld gegeben; denn er hat rein gar nichts, und das ist für einen Landmann sehr schlimm; er ist nämlich Landmann und hat nur so nebenbei Chemie studiert, weil das in Schweden so Mode ist, obgleich mein Mann sagt: das sei alles dummes Zeug, und deshalb kriegte er Luising noch lange nicht; na, und da habe ich denn natürlich als Mutter ein übriges tun müssen.«
»Wie denn das die Mütter so zu tun pflegen«, sagte Gerhard, um doch nicht ganz stumm zu bleiben.
»Na, alle auch nicht«, fuhr Frau Sallentin, durch dieses Zeichen von Teilnahme sichtlich ermutigt, fort; – »aber Luising ist einmal mein Liebling, und da habe ich denn meinen Alten glücklich so weit herumgekriegt, bloß, daß es man noch am besten fehlt. Ich weiß, was Sie sagen wollen, Herr Baron! I ja, man hat zu leben; aber fünf Kinder sind fünf Kinder, das werden Sie mir zugeben, und viele Hunde sind des Hasen Tod. Da bin ich denn auf den Gedanken gekommen –«
»Auf welchen Gedanken?« fragte Gerhard, durch das plötzliche Verstummen seiner Nachbarin aus den eigenen Gedanken aufgescheucht.
»I, Herr Baron«, sagte Frau Sallentin, mit dem Messer drohend, das ihr eben als Löffel für die Bratensauce gedient hatte; »tuen Sie doch nicht, als ob Sie es nicht wüßten!«
»Ich versichere Sie –«
»Wissen Sie es wirklich nicht?« rief Frau Sallentin, das Messer hinlegend; »ja, aber ich denke, er hört nur noch auf Ihren Rat; freilich, wenn er vorausgesehen hat, daß Sie selbst – schlau genug ist er, schlau wie ein Fuchs.«
Frau Sallentins Blick war auf Herrn Zempin gerichtet; Gerhard konnte also nicht zweifeln, wen die Dame meine; obgleich der letzte Vergleich für den löwenmäßigen Freund der möglichst unpassende schien.
»Ich fürchte, gnädige Frau, ich werde auf diese Weise nicht erfahren, was Sie sich zu Fräulein Luises Gunsten ausgedacht«, sagte er.
»Na«, erwiderte die Dame, »mir ist es eigentlich schon halb leid, davon angefangen zu haben, denn ich kenne Sie doch eigentlich auch man wenig; aber klare Rechnungen machen gute Freundschaften, und da man ja nicht wissen kann, ob wir nicht vielleicht doch noch einmal Nachbarn werden –«
Sie sah wieder zu Herrn Zempin hinüber, der eben mit seiner nächsten Umgebung besonders eifrig disputierte, bog sich über den jetzt völlig leeren Teller, als wolle sie ihr rotes Gesicht in ihm spiegeln, und sagte mit vorsichtig leiser Stimme:
»Trinitatis vor drei Jahren fünftausend, und letzten Johanni zwei, macht sieben, und zu Neujahr wieder fünf, macht zwölf; und mein Mann hat das Geld auch leihen müssen, wenn er nicht seine Pfandbriefe verkaufen wollte, und muß es mit viereinhalb verzinsen, und wir haben noch keinen Schilling Zinsen von ihm gesehen, geschweige denn das Kapital, und mein Mann sagt: so ginge es nicht länger, denn so reich wären wir nicht, und ich sage: ist richtig, Alter, sind wir auch nicht; laß dir über das Ganze einen Wechsel auf Sicht ausstellen und einen Revers dazu, daß er Retzow Lindblad in Pacht gibt, sobald er den Wechsel nicht einlösen kann. Dann ist Lindblad versorgt, und wir haben Luising dicht bei uns. Habe ich nicht recht?«
»Unzweifelhaft!« erwiderte Gerhard eifrig, um das Erstaunen, ja den Schrecken zu verbergen, womit ihn die Mitteilung erfüllt hatte.
»Na also!« sagte Frau Sallentin, das Gesicht vom Teller hebend und Gerhard triumphierend anblickend.
»Es sind da nur noch einige Bedenken«, fuhr Gerhard fort, indem er eine möglichst unbefangene Miene annahm; »ich selbst –«
»Ja, wenn Sie selbst Retzow übernehmen wollen – das ist etwas anderes«, erwiderte Frau Sallentin mit sauer-süßer Miene; »freilich ein bißchen in Verlegenheit könnte er dabei geraten, der alte Freund, und das möchten Sie doch auch wohl nicht, wenn –«
»Verzeihung«, unterbrach Gerhard; »ich wollte etwas ganz anderes sagen; ich selbst habe wiederholt noch heute morgen aus Herrn Klempes Munde gehört, daß er sehr stark auf Retzow reflektiert und, ich glaube, ziemlich bindende Zusagen von Herrn Zempin erhalten hat.«
Frau Sallentin lächelte verächtlich. – »So«, sagte sie, »Sie glauben? glauben wirklich? na, denn glauben Sie mir: das ist man so ein dummer Schnack von dem Kerl, dem Klempe, um sich wichtig zu machen. Bindende Zusagen? wo soll er denn die von Zempin herhaben? Der ist schon gebunden genug, sollte ich meinen! Und der Kerl selbst hat nicht einen Schilling im Vermögen!«
»Aber er will doch in aller Kürze heiraten«, sagte Gerhard.
Frau Sallentin rückte mit ihrem Stuhl möglichst nahe an ihn heran und sagte in eifrig-vertraulichem Flüstertone:
»Ja, sagen Sie mir man bloß, was ist das eigentlich bloß für eine Geschichte? die Anna ist immer ein ordentliches Mädchen gewesen, solange sie hier bei ihrem Vater war, und nun schon zwei Jahre Wirtschafterin in Grünwald im Deutschen Hause; da hat man ihr auch nichts nachsagen können – der alte Garloff, der wollte ihr auch, wenn so was vorkäme! – und von dem Klempe war nun schon gar keine Rede, der immer nur zum Wollmarkt und so nach Grünwald fährt, und verliebt sich in den versoffenen Kerl und muß nach Retzow, um die Landwirtschaft zu lernen, und in vier Wochen soll schon das Aufgebot sein, sagt Pastor Pahnk – hören Sie, Herr Baron, das gefällt mir nicht! Da steckt etwas dahinter, glauben Sie nicht?«
Gerhard wurde die Antwort erspart, denn in diesem Moment rief Herr Zempin über den Tisch herüber:
»Aber, verehrte Frau Nachbarin, Sie nehmen auch unseren Herrn Baron gar zu sehr in Beschlag. Kann's Ihnen ja nicht verdenken; aber wir anderen wollen doch nicht ganz leer ausgehen. Ich weiß mich hier meiner Angreifer gar nicht mehr zu erwehren, die mir durchaus unsere miserabeln Herren Minister als große Staatsmänner verkaufen wollen; und das bei der himmelschreienden Not der schlesischen Weber, bei dem heiligen Trierschen Rockskandal, bei den unglaublichen Bundeszuständen! Der Baron ist ein unabhängiger Mann; er wird auf meiner Seite stehen, auf seiten der Opposition gegen ein Regime, welches das in allen Fugen krachende Schiff des Staates über kurz oder lang auf der Sandbank der Heuchelei und Dummheit festfahren und zum Scheitern bringen wird, wenn nicht jeder Mann an Bord seine Pflicht tut.«
Herr Zempin war im vollen Zuge über ein Thema, das stets seine Leidenschaft entzündete. Unaufhaltsam floß der Strom der Rede, die sich nicht selten zu wirklicher Beredsamkeit aufschwang, während seine breite Brust die Donnerworte vulkanisch herausschleuderte, die blauen Augen Flammen sprühten und die Löwenmähne über der zornroten Stirn sich zu sträuben schien. Gerhard mußte an Mirabeau denken; aber der Zauber, den der genialische Mann vom ersten Moment auf ihn ausgeübt und dem er sich bisher noch immer willig überlassen, hatte eben jetzt keine rechte Kraft. Durch den oratorischen Donner hörte er fortwährend die fette, leise Stimme an seiner Seite, die ihm noch eben so ominöse Dinge zugeflüstert, und das gelegentliche Lächeln auf dem breiten, roten Gesicht der Frau galt wohl schwerlich der Güte des Puddings, in dem sie jetzt schweigend eifrig löffelte, um dann von Zeit zu Zeit einen Blick auf ihren Mann zu richten, der ihr schräg gegenübersaß und ebenfalls eifrig und schweigend löffelte und gelegentlich lächelte.
»Nun, bei Gott!« sprach er bei sich, »einen Teil ihrer Zinsen essen die braven Leute heute schon heraus; und wenn ich bedenke, daß sie die Woche ein paarmal kommen und die Töchter fast jeden Tag, und der Herr Schwiegersohn in spe und der Herr Neffe – unzweifelhaft für dieselbe Rechnung – bereits so lange sich hier füttern lassen – so kann bei Jahresschluß die Differenz so groß nicht sein.«
Sein verdüsterter Blick irrte über die lange Tafel, an der heute wohl vierzig bis fünfzig Personen sitzen mochten. Das war bereits wiederholt während der Zeit seines Aufenthaltes vorgekommen; und er hatte darin nur eine bunte und lustige Illustration der unendlichen pommerschen Gastfreundschaft gesehen, die Studes drittes Wort war. Heute sah er das Bild in einer sehr anderen Beleuchtung; heute, wenn die Frau an seiner Seite wahr gesprochen – und was hatte sie davon, ihn zu belügen? heute sah er es als das, was es war: eine großartige Verschwendung, ganz im Sinne und Geiste des Gastgebers, aber die ihn auf die Dauer zugrunde richten mußte und jedenfalls bereits jetzt in arge Verlegenheiten gebracht hatte.
Und dieser Mann, auf dessen prächtige Stirn nie ein leisester Schatten der Sorgen fiel, die auf seiner Schwelle kauerten – sein großes Herz hatte noch immer Raum zur zärtlichsten Sorge für das Wohl anderer! Was konnte es ihm sein, ob der Fremde sich die Liebe der Nichte erwarb? lief er nicht ganz augenscheinliche Gefahr, sich deswegen alle Freunde und Nachbarn zu verfeinden? Freilich nahm er es ja so leicht mit der ihm doch so nötigen Wohlmeinenheit und Hilfsbereitschaft der guten Leute, daß er sie aufs Spiel setzen konnte eines Menschen wegen, der kein anderes Verdienst hatte, als sein langjähriger Verwalter zu sein und ein Verhältnis mit der hübschen, unglücklichen Försterstochter zu haben! Daß man seine grenzenlose Güte nicht verstand, womöglich in hämischer Weise zu seinen Ungunsten, zu seiner Schande auslegte – nun, das war in der bekannten Weise der lieben Nachbarn und Freunde!
So grübelte Gerhard, während Champagnerpfropfen knallend gegen die Decke flogen und der Lärm im Saale nicht größer werden konnte. Selbst des Hausherrn gewaltige Stimme war kaum von Zeit zu Zeit noch vernehmbar – von den älteren Herren schien jedem einzig darum zu tun, den Nachbar niederzuschreien. Die Gesichter und gewaltsamen Gestikulationen der jüngeren ließen noch Schlimmeres befürchten, nur daß die jungen Damen kaum aus einem Lachen herauskamen, das nicht immer die Schönheitslinie achtete. Gerhard wurde es trüber und trüber zu Sinn, je länger das Bacchanal dauerte.
Endlich, als fast keiner mehr den Platz innehatte, auf dem er anfänglich gesessen, hob Herr Zempin die Tafel auf. Man schwärmte in den Park, welcher freilich den vom Weine und stundenlangen Geschwätz Erhitzten keine Kühlung bot; selbst nicht in den langgestreckten Schatten der Hecken, Bosketts und Bäume, geschweige denn in den noch von der glühenden Abendsonne bestrahlten Wegen und Plätzen, die jeder scheu vermied. Um so seltsamer erschien das Gebirge weißgrauer Wolken, das sich im Süden aufgetürmt hatte, und dessen oberste Ränder und Spitzen, vom Rasenplatz aus gesehen, unheimlich über den First des Herrenhauses herüberleuchteten. Die Besorglicheren gingen nach dem Hofe, wo man, im vollen Anblick des drohenden Gewitters, schneller die schwierige Frage entscheiden zu können hoffte, ob es besser sei, sofort anschirren zu lassen oder ›sich die Geschichte noch ein bißchen anzusehen‹.
Herr Zempin war entschieden für das letztere; was erwarte denn die Herren zu Hause? öde Zimmer, ein trockenes Abendbrot und die Reue, eine muntere Gesellschaft vor der Zeit verlassen zu haben! Die Gewitter aus dem Süden kämen nie herauf – das sollten die Herren endlich wissen, oder, wenn sie ihm nicht glaubten, es sich von Vadder Deep sagen lassen, der es doch, nachdem er einige sechzig Jahre ›die Geschichte‹ beobachtet, ganz bestimmt wissen werde.
Vadder Deep blinzelte zu den Wolken empor, rieb sich das unrasierte Kinn und lächelte.
»Vadder Deep«, rief Herr Bollmann von Zipkenhagen, der heute noch mehr als gewöhnlich getrunken hatte, dem Alten einen derben Stoß versetzend; – »was meinst du?«
Der Alte blinzelte nochmals nach oben, zuckte die breiten Schultern und lächelte.
»Du bist ein Clas, Vadder Deep!« schrie Herr Bollmann.
»Ein richtiger«, sagte Herr Stut; – »du sollst sehen, Karl, es kommt herauf!«
»Eine Buddel Champagner dagegen!« schrie Herr Bollmann.
»Meinetwegen zwei!« schrie Herr Stut zurück.
Der Streit nahm seinen Fortgang, während Vadder Deep dabeistand und jede der einander widersprechenden Behauptungen mit demselben unbestimmten Lächeln begleitete.
Gerhard hatte während der Tafel wiederholt vergebens nach dem Alten ausgeblickt, dessen platter Kopf sonst ziemlich regelmäßig gegen das Ende der Mahlzeit an dem unteren Ende des Tisches zwischen den hohen Achseln des blauen Rockes auftauchte. Auch zu der Gruppe an der Tür konnte er eben erst getreten sein – aus dem Hause oder hinter dem Boskett hervor – man wußte ja niemals, wann Vadder Deep und von wo er kam! Gerhard hatte sich bereits daran gewöhnt, aber heute machte das Erscheinen des Mannes noch einen besonders widerwärtigen Eindruck auf ihn; und als das graue Gesicht nun zu den grauen, von fahlem Glanze überzitterten Wolken aufblinzelte und dazu lächelte, war es ihm, als ob das Gesicht und die Wolken in Rapport ständen; als ob der Alte hier unten das Wetter da oben heraufbeschworen und es auch wieder bannen könnte, wenn er wollte; und die Herren, die des Alten spotteten, in ihrem trunkenen Übermut nicht wüßten, was sie taten.
Sollte er den Moment benutzen und von dem Alten, dessen man so schwer habhaft wurde, die Retzower Gespanne für die nächsten Tage fordern? Es wurde ihm nicht leicht; aber sie sagten ja alle, daß die Entscheidung schließlich bei dem unheimlichen Menschen liege; so mochte es um der Sache willen geschehen.
Er tat einen Schritt auf den Alten zu, als dieser, der halb abgekehrt von ihm gestanden, vollends den breiten Rücken wandte und, an Herrn Sallentin herantretend, demselben ein paar Worte ins Ohr raunte, worauf Herr Sallentin ihn sofort eifrig auf die Seite zog.
Gerhard blieb keine Zeit, das Ende einer Unterredung abzuwarten, deren Gegenstand er selbst sein mochte. Wenigstens sah sich Herr Sallentin wiederholt nach ihm um und, wie es ihm schien, mit keineswegs freundlichen Blicken. Stude kam aus dem Hause, eilfertig, wie immer bei solchen Gelegenheiten, unter dem Arm Gerhards Pistolenkasten. Die Herren im Park wollten nach der Scheibe schießen; Herrn Zempins Pistolen seien noch von neulich nicht gereinigt; er – Stude – habe Gerhards in Vorschlag gebracht und gleich selbst geholt; er habe doch nichts dagegen? ob er nicht mitkommen wolle? Herr Zempin lasse ihn dringend bitten.