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Nach der Ankunft in New Orleans weigerte sich der Kid rundweg, etwas von dem ihm zustehenden Beuteanteil anzunehmen. Er bestand indes darauf, daß sein Anteil den Erben der drei toten Gefährten ausgehändigt würde.
So deponierte Joseph Simon das Geld bereitwilligst bei einer Bank, denn er sah es als eine Fügung des Himmels an, daß er wieder zu seinem rechtmäßigen Besitz gekommen war. Und weil der Himmel ein Einsehen gehabt hatte, waren diejenigen, die ihm geholfen hatten, nach seiner Ansicht die direkten Abgesandten Gottes.
»Denn bedenken Sie, Mr. Given«, sagte er, nachdem er den richtigen Namen des Kid erfahren hatte, »alles, was mit unserer Expedition zusammenhing, grenzte geradezu ans Wunderbare. Es fing an mit dieser seltsamen Inspiration, die mir den Gedanken an das Porträt eingab. Dann ließ mich ein, merkwürdiger Zufall den Mann finden, der dem Bilde so ähnlich sah, daß man hätte annehmen können, er habe dem Maler als Modell gedient.
Bedenken Sie ferner, daß ich zur Ausführung meines Planes Mitarbeiter brauchte – äußerst zuverlässige Männer. Ohne sonderliche Mühe gelang es mir, drei furchtlose Männer aufzutreiben. Nicht einer von ihnen ließ mich im Stich. Alle traten mit ihrem Leben für mich ein. Wäre nur einer von den dreien auf diesem furchtbaren Ritt nach Ulloa wankelmütig geworden, so wäre es um den ganzen Schatz und um unser Leben geschehen gewesen.
Bedenken Sie endlich noch eins, mein junger Freund: Wir waren die unmittelbare Veranlassung, daß der echte Vereal zurückgerufen und wieder in all seine Rechte eingesetzt wurde, was sonst nie geschehen wäre. Nein, nein, Mr. Given, die Hand Gottes hat uns geführt, und ich versichere Ihnen, daß ich nicht einen Cent von dem Schatz für mich verwenden werde. Es ist geweihtes Gold. Ich werde es für irgendeinen guten Zweck stiften. Es gibt viele Schulen in unserem Lande, die der Unterstützung bedürfen – Schulen für Franzosen, Engländer und Amerikaner. Diesen werde ich das Geld schenken.«
»Nun, Mr. Simon«, sagte der Kid, »das wäre eine sehr hochherzige Tat. Alle Hochachtung vor solch einer Gesinnung. Aber bedenken Sie, daß Ihnen das Geld wirklich gehört und daß Sie und Ihr Vater es ehrlich erworben haben.«
Joseph Simon räusperte sich. »Schließlich«, sagte er, »werde ich es nicht einmal allzusehr vermissen. Die Geschichte, die ich Ihnen in den Diabolo-Bergen erzählte, entsprach zwar der Wahrheit, nur eine Kleinigkeit stimmte nicht ganz. Ich erzählte Ihnen, daß ich nach meiner Rückkehr aus Mexiko in meinen neuen geschäftlichen Unternehmen ziemliche Erfolge aufzuweisen hatte. Well, mein Freund, meine Erfolge waren mehr als gewöhnlich. Alles, was ich anfaßte, verwandelte sich in Gold. Aus Tausenden wurden in kurzer Zeit Millionen. Es war schließlich nur der Gedanke, daß mir das in der Casa Vereal verborgene Geld wirklich gehörte und daß es mir widerrechtlich vorenthalten wurde, der mich zu solch einem gefährlichen Abenteuer veranlaßte.«
»Drei tapfere Männer bezahlten es mit dem Leben«, sagte der Kid.
»Drei Schurken bot sich auf diese Weise eine Gelegenheit, durch einen heldenmütigen Tod alle ihre Sünden zu sühnen, indem sie sich für das Wohlergehen anderer Menschen aufopferten«, versetzte Simon ruhig. »Ich bedaure ihr Geschick, aber das Resultat dieser Expedition kann ich nicht bedauern.«
Der Kid erwiderte nichts, denn er war fast überzeugt, daß Joseph Simon recht hatte. Da er überdies genug mit seinen eigenen Angelegenheiten zu tun hatte, verabschiedete er sich.
Seine Rückkehr nach New York wurde festlich begangen, und bald fand seine Hochzeit mit Alicia statt. Das junge Paar bezog ein eigenes Heim, und damit begann für John Given ein arbeitsames Berufsleben.
Als er einige Jahre später im Herbst von einer Fuchsjagd zurückkehrte und langsam zwischen den buntbelaubten Hecken dahinritt, schweifte sein Blick sehnsüchtig in die Ferne. Er sah im Geiste mächtige kahle Berge und ausgedörrte Wüstenstrecken. Auch die verträumt in der Sonnenglut schlummernde, Weiße Stadt San Triste tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Drüben floß der Rio Sabrina träge an den Zypressen vorbei; dort lag die Plaza Municipal, wo am Abend die Kapelle zu spielen pflegte. Fast glaubte er, den schrillen Ton der Flöte zu vernehmen.
Bald sollte er von San Triste Kunde erhalten. Eines Tages wurde ihm ein Karte überreicht, auf der der Name Emile Fleuriots stand. Er eilte sofort in die Eingangshalle, wo er Fleuriot antraf. Er würde ihm die Hand geschüttelt haben, aber Emile wußte das zu verhindern, indem er sich übermäßig tief verneigte.
»Don José Vereal«, sagte der Kammerdiener, »entbietet seinen Gruß und möchte gern erfahren, ob sein Besuch im Hause Mr. John Givens angenehm ist.«
»Erzähle Señor Vereal«, erwiderte John Given, »daß ich mich auf seinen Besuch riesig freue.«
Schon am nächsten Tage sprach der junge Vereal bei ihm vor, heiterer und hübscher denn je zuvor. Er erzählte John Given von den Vorfällen in San Triste: Wie der Mißerfolg Grenachos seine Bande gegen ihn aufgebracht hatte – wie sie ihren berühmten Führer erschlagen und sich aufgelöst hatten – wie San Triste immer noch verträumt in der Sonnenglut schlummerte – wie die Erträgnisse der Besitzungen beständig abnahmen – wie die Lehnsleute täglich reicher wurden. Als er seinen Bericht beendet hatte, zuckte er die Achseln und lachte vergnügt.
»Aber schließlich«, fuhr er fort, »kann ich das Geld nicht mit in den Himmel nehmen. Mögen sie es behalten, wenn es sie glücklich macht. Für mich bleibt immer noch genug übrig und für meine Nachkommen hoffentlich auch.«
»Erzählen Sie mir bitte noch eins«, sagte Given. »Hat Emile Fleuriot nicht ein Gespräch in der Bibliothek belauscht, das ihn vermuten ließ, daß ich nicht der echte Vereal sei?«
»Sicherlich, Señor.«
»Aber warum hat er denn nicht die Polizei benachrichtigt?«
»Weil er gelernt hatte, Sie zu schätzen. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, und er selbst will sich über diesen Punkt nicht auslassen. Emile Fleuriot ist ein Mann von Charakter, müssen Sie wissen.«
»Das ist ganz gewiß. Nun noch eine weitere Frage: Was machen meine Schwiegereltern?«
Vereal betrachtete eine Weile seine Zigarette, bevor er antwortete: »Sie werden alt und wunderlich, Señor. Aber – da Sie mich gerade nach ihnen fragen – sie meiden wohl noch immer jeden brieflichen Verkehr mit ihrer Tochter?«
»Mit der Zeit werden sie sicherlich anderen Sinnes werden«, antwortete John Given. »Don Frederico wird seinen Stolz allmählich überwinden. Doch noch eine Frage: Der alte Lehrer ist wohl inzwischen gestorben?«
»Louis Gaspard? Der wird wohl noch lange leben! Ich habe ein kleines Haus für ihn erbaut und es mit Büchern angefüllt. Er lebt dort glücklich und zufrieden und besucht mich jeden Morgen, wenn ich frühstücke. Dann steht er hinter meinem Stuhl und fragt mich nach meinen Studien; und wenn er herausfindet, daß ich keine rechten Fortschritte mache, schüttelt er den Kopf und bedauert, daß ich nicht der Mann bin, der ich hätte sein können, wenn ich nicht ein Vereal gewesen wäre. Vielleicht hat er recht!«
José seufzte gedankenvoll.
»Die guten Leute in San Triste sind ihm wohl nicht recht grün?« fragte Given.
»Im Gegenteil, sie verehren ihn geradezu!«
»Trotzdem er ihren Vereal verraten hat?«
José lachte: »Das ist vergeben und vergessen. Die guten, einfältigen Leute erinnern sich nur daran, daß er mich in die Heimat zurückgebracht hat.«
Als José Abschied nahm, folgte ihm Given bis zur Tür. »Besuchen Sie mich bitte bald wieder«, drängte er. »Sie werden stets herzlich willkommen sein. Vergessen Sie mich nicht.«
Vereal hob seine Hand und strich das Haar auf der rechten Kopfseite zurück. Eine lange, gerade Narbe kam zum Vorschein.
»Wenn der Wind aus dem Norden bläst«, sagte er, »verspüre ich hier ein Prickeln, das mich stets an Sie erinnert.«
Er zögerte. Dann faßte er plötzlich die Hand Givens und fügte hinzu: »Kommen Sie bitte, einmal nach San Triste, Señor. Seit dem Tage, wo ich Sie zuletzt sah, habe ich keinen vergnügten Tag mehr verlebt. Seitdem Sie uns verlassen haben, ist Tom Leven sehr niedergeschlagen. Wissen Sie, wie er Sie zu nennen beliebt? – Den anderen Vereal!«
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