Jean Paul
Vorschule der Ästhetik
Jean Paul

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Wenn Campe die Reich-Acht der Sprachausländer durch die Unart der letzten begründet, daß sie als deutsche Sprachgegenfüßler die Ableitsilbe betonen und die Wurzelsilbe enttonen, z. B. Spion, Papier, vexieren etc. etc.: so hängt vielleicht dieser Nachton, welchen Campe zum verwerfenden Korrekturzeichen der Ausländerei macht, durch seine Fremde dem Komischen gerade das Schein-Gewicht an, womit es sich liebt. Übrigens könnte man Campen fragen, wenn also das Ton-Schibboleth fremde Wörter so sehr absondert und ausmustert: was denn von solchen Fremdlingen wohl für Verwechslung mit Inländern zu besorgen sei? – Wieland steckte in die betonten Ableitsilben iren, da wir keine haben, das e – gleichsam unser ewiges ee oder ehe, was Bund bedeutet – hinein und schrieb vexieren, korrigieren, und Verfasser dies schrieb es ihm längst nach. Wir beide wollten, gleich Politikern, durch einen unausgesprochenen Selbstlauter (e) den Infinitivus etwas deutscher machen.

Wer vollends Scherz versteht und folglich liebt, dem nähme Campe alles mit dem Ausland – und in den Programmen über das Lächerliche ists weitläufig dargetan, wie wenig deutscher Spaß floriere ohne passiven Handel mit Franzosen. Engel las dem Berliner Gelehrten-Verein die brauchbare Bemerkung vor, daß die Endsilbe isch häufig an fremden Wörtern stehe (balsamisch, optisch) und dann an verachtenden (kindisch, weibisch).

Dieses Bedürfnis des Komischen führt mich auf das, was für Campens Zurückberufung unserer Hausgötter zu sagen ist. Er hat auf einmal eine Schar ausländischer Geburten oder Blendlinge durch seine deutsche Wiedergeburt für die höhere Dichtkunst »geechtigt« (legitimiert). In ihrem hohen Reiche hat keine Noblesse Zutritt, aber wohl »Adelschaft« – kein Infusions-, aber ein »Vergrößerungs-« oder besser (nach Anton) »Aufgußtierchen« – keine Karikaturen, aber jedes »Zerrbild« – durch kein Portal, aber durch ein »Prachttor« – zu keinem Menuett, sondern zu einem »Führtanz« u. s. w. Eben dieser Glanz-Adel, womit der vaterländische Neuling den fremden Gast überstrahlt, machte der gemeinen Parodie den Spaß über Campe so leicht; und einem platten Kopfe, der ein Hohn-Gespräch bei Göschen darüber drucken ließ, wurde dadurch sogar das leichteste erspart, Wörter.Auch der Verfasser des Obigen wirft sich hier etwas vor, nicht das, was er gegen Campe sagte, s. Fixlein Seite 209, 2. Auflage (denn er wiederholt es hier), sondern die Verspätung dessen, was er jetzo für ihn dazuzusetzen hatte. Ein wenig brachte Campe freilich sämtliche poetische Schreiber dadurch auf, daß er das beste Gedicht nicht so hoch anschlagen wollen als das Verdienst, »einen Stein Flachs gesponnen oder die Braunschweiger Mumme erfunden zu haben«. Aber wer eben erwägt, daß er gerade zwei Erfindungen wie Lumpen und Bier, ohne welche kein Gedicht erscheinen kann, so sehr auszeichnet, sollte sehen, daß der, dem es so sehr um das Mittel zu tun ist, natürlich den Zweck ehre und suche, nämlich Dichtkunst.

Indes gerade das Schandglöcklein des Spottes hat uns vielleicht durch seine Begleitung manches neue Campische Wort tiefer eingeläutet und es durch Lachen dem Ernste näher zugeführt. So könnten besonders Zeitungen als fliegende Blätter, wie es schon einige mit Heerschau, Eilbote etc. getan, diese neuen Samenkörner wie Muskattauben weit und breit auf ihrem Fluge aussäen; besonders da sie selbst so zwei- und vielzüngig und selten deutsch schreiben.

Weniger für das Jätemesser als für das Impfmesser, oder weniger für das Schlagholz als das Stammholz hat man unserm Sprach-Erziehrate zu danken. Wenn er wenige Wörter, wie z. B. Kreisschreiber statt Zirkel, nicht sonderlich glücklich, sondern selber für den index expurgandorum erschuf, worin die Fehlgeburten stehen: so verlieren sie sich leicht unter das kräftige Heer echt-deutscher Söhne, das er entweder erzeugte oder aus deutscher Vor- und Nebenzeit unbefleckt empfing. In dieser Schöpfung kann sich kein Autor mit ihm messen; denn es ist zwar leicht und zu leicht, wie zuweilen Klopstock, Kosegarten und Lavater, durch Vor- und Nach-Silben neue Wörter aus alten zu machen, z. B. entstürzen, Entströmung etc.; aber es ist schwer – vollends bei eiskaltem grammatischem Blute, ohne Drang und Nachhülfe des Zusammenhangs –, nicht sowohl Gedanken zu übersetzen als kalte Wörter in Wörter. Man versuch' es nur, ob Nachschöpfungen zu solchen Wörtern leicht gelingen wie zu folgenden. Spangenhake statt Agraffe – Zierling statt Elegant – Schneesturz statt Lauwine – Abtrab statt Detachement – folgerecht statt konsequent – Lehrbote statt Apostel – Schautanz statt Ballett – Süßbriefchen statt Billetdoux – Lustgebüsch statt Boscage – Zerrbild statt KarikaturSonderbar, daß er gerade dem letzten Kinde, Zerrbild, kein Glück versprach, das überall an jeder Göttertafel der Dichtkunst jetzo tafelfähig ist. etc.

Seine meisten Nachdeutschungen sind so gut, daß man sie ohne Beisatz versteht; z. B. außer den meisten vorigen solche wie Armhut, Fehlgeburt, Bannware, Schaupuppe.

Ja wir brauchen nicht einmal immer neue Wörter zu machen, sondern nur alte zu borgen und können unsere Gedanken in verwandtes inländisches Tuch kleiden, nämlich in holländisches. Bei den Holländern – die größten Puristen (Reinsprecher) Europens, welche nach HolbergDessen moral. Abhandlungen 2. B. III. 85. gegen alle fremde Religion so duldsam als gegen fremde Wörter unduldsam sind – könnten wir nach dem Vorgange Hermes' und Campens und AffsprungsZ. B. Affsprung (in den Beiträgen zur weitern Ausbildung 2. B. 5. St.): Belvedere heißt holländisch Schoonzigt (Schönsicht) – Chirurg Heelmeester – Charpie Plukzel (Pflücksel) – Idee Denkbeeld – Immaterialität Unstoffelykheid – Makulatur Vlakpapier – Miszellaneen Mengelstoffe – neutral onzydig (unseitig) – Repräsentant Vertegenwoordiger (Vergegenwärtiger). manche schon fertig stehende Verdeutschungen unseres Undeutsch abholen.

Nie war überhaupt ein Austreiber wie Campe gegen den deutschstummen Teufel nötiger als in unseren Tagen; denn selber der noch feurigere Kreuzprediger gegen die Sprachmengerei, Kolbe, und der größte jetzige Sprachforscher, Wolke, erleben noch jeden Tag neue Verschlimmerungen, wogegen das Wort Blumisterei und Winterls Basicität nur Blume und Grund sind. Denn nicht nur die Hochschüler und Nachschreiber der kantischen und schellingschen Schule gießen (sprach-verarmt, aber eben darum) alle Sprachen ineinander – weil sie nicht merken, daß oft zu großen Sprach-Umwälzungen und –Freiheiten weit mehr gehöre als bloße Unfähigkeit sich auszusprechen –, sondern vorzüglich die Ärzte, die Naturforscher und Scheidekünstler treiben das fremde Einschwärzen am weitesten. Sollte unter ihnen, in Rücksicht ihrer griechisch-, lateinisch- und französisch-benannten geistigen Kinder, der Aberglaube eingerissen sein, welchen die Landleute in Rücksicht der leiblichen hegen, daß eines hundert Jahre lebe, zu welchem man die Gevattern oder Namenherleiher aus drei verschiedenen Kirchspielen bittet: so wundere ich mich in der Tat.

Besonders aus Griechenland werden von den deutschen Ärzten und Philosophen, wie von den Franzosen, die meisten Sprach-Miettruppen angeworben und einberufen; jeder will wenigstens eine halbe Minute lang griechisch schreiben und sagt: graeca sunt, leguntur; denn er wirft das non weg. Ja für jede neue Ansicht wird nicht etwan ein neues deutsches Wort gewählt, oder ein altes griechisches, sondern eine neue griechische Zusammensetzung wird geleimt.

Einen ebenso großen Vorwurf des Ehebrechens mit fremden Kebs-Sprachen verdienen die Lehrer auf hohen und höchsten Schulen, welche unter ihren Zuhörern ungern deutsch Atem holen und nicht besser als in Halblatein Ganzlatein zu lehren glauben. Wie müssen diese Zungensünden sich nicht in den weichen und festhaltenden Jugendseelen fortpflanzen und die jungen Leute, obwohl geborne Puristen – denn welche Sprache redet man wohl früher als die eigne? –, zu MakulistenSo nannten die Franziskaner die Dominikaner, weil diese die unbeqeckte Empfängnis der Maria leugneten. machen! Unwiderlegbar besteht allerdings der Einwurf der Leere gegen Umdeutschungen von ausländischen Kunstausdrücken, mit welchen irgendein Erfinder seine vorgelegte Ausbeute bezeichnet hatte, und die man durch ein mehr deutsches Wort schwerlich ohne Abschreiben des neuen Systems zu ersetzen versuchen würde. Aber desto stärker ergeht an die Finder und Erfinder neuer Sachen und Sätze die Foderung, daß sie selber ihre Neuigkeiten mit einem bestimmten, sogar erst neugemachten deutschen Worte anzeichnen und unterscheiden sollten; nur so wird die Welt mit Sache und Wort zugleich bereichert. Anfangs lehrt die Sache ein Wort so leicht; später ein Wort die Sache so schwer; und in jedem Falle ist ein neu-inländisches Wort um vieles verständlicher als ein neu-ausländisches, wenn Swifts Regel richtig ist, daß ein Mensch, der eine Sache nur halb versteht, sehr einem andern vorzuziehen sei, welcher von ihr ganz und gar nichts versteht. So mancher Schöpfer eines Lehrgebäudes und der ausländischen Wörter dazu hätte uns wahrhaft bereichern können, wenn er inländische dazu geschaffen hätte, denn es wären zuletzt doch wenigstens die neuen – Wörter geblieben.

Will man dennoch das Ausland ins Inland einlassen: so wähle man ein solches, das, wie Latium und Griechenland, uns keine undeutlichen Aussprech-Laute zumutet, wie etwan Frankreich mit seinen Nasenlauten tut, oder das Hebräervolk mit seinen Gaumenlauten. Ein erstlich ausländisches Wort, zweitens mit halbdeutscher Bieg-Anneigung und drittens mit einem der ganzen Sprache fremden Aussprechlaute ist eine dreifache Mißgeburt, ein dreiköpfiger Cerberus, der uns in die Hölle hinein-, nicht aus ihr herausbellt.

So groß, ja unbändig und ordentlich sprachsündenlüstern das Sprachen-Babel in wissenschaftlichen Werken jetzo tobt: so halte der Freund der Reinigkeit sich doch mit dem Troste aufrecht, daß aus den sogenannten Werken des Geschmacks und überhaupt in den Werken für das Allgemein-Menschliche seit funfzig Jahren weit mehr Wortfremdlinge verschwunden sind, als man bei dem Einziehen von Sprachfremdlingen erwarten konnte. Sogar der kerndeutsche Klopstock schrieb noch Skribent anstatt Schriftsteller – und wahrscheinlich wird der Verfasser dies in einer letzten Auflage der Vorschule nicht einmal das Wort Autor, das er Wohlklangs-halber in dieser zuweilen gewählt, mehr gebrauchen dürfen.

Sobald Campe oder andere nicht scharf-abgeschnittene Wörter wie z. B. Pole in unbestimmte, in Enden übersetzen, sondern selber in bestimmte, z. B. Bandagist in Brucharzt: so gewinnt mit der Zeit das neu eingesetzte Wort alle absondernde Bestimmtheit des abgesetzten, und was der Anspielwitz an »Bandage« oder Band verliert, kommt ihm wieder an »Bruch« und »Arzt« zugute.

Man verstärke sich also – dies scheint das Beste – freudig (und danke Gott und Campen) mit den zugeschickten Haustruppen der Sprache, ohne darum gute fremde abzudanken. Der Wohlklang, das Silbenmaß, die geistige Farbengebung, der Witz, die Kürze, der Klangwechsel u. s. w. brauchen und begehren beide Welten zur Wahl. Z. B. Larventanz statt Maskerade gibt dem Witze die Larven im Gegensatz der Gesichter, der Schönheit etc. und den Tanz in Rücksicht der Bewegungen u. s. w., z. B. der Larven-Vortänzer und –Toten-Tanz, Tod als Larven-Tanz-Meister u. s. w.

Übrigens darf der Verfasser dies den Paragraphen mit dem Bewußtsein und der Versichrung beschließen, daß er wenigstens aus dieser zweiten Auflage so viel fremde Wort-Eingewanderte (als Ausgewanderte) fortgeschickt, als nur die Reinheit der Sprache bei noch viel höhern Ansprüchen derselben – denn bloße jungfräuliche Reinheit gebiert und ernährt doch kein Kind – begehren konnte. Den Beweis läßt er die Vergleichung der ersten und der zweiten Auflage führen.


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