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Ihr spracht gerade von den heurigen Bränden. Da kann ich Euch, wenn Ihr hören wollt, eine schöne Geschichte erzählen: von einem reichen Geizhals, der sonst keinen Heller hergibt, – er läßt sich lieber umbringen – und doch einmal einen Hunderter für Abbrändler gab. Wie man den von ihm herauskriegte, eben das will ich Euch erzählen ...«
Mit diesen Worten sprach mich der Mann mir gegenüber im Eisenbahncoupé an, nachdem er sein Frühstück gegessen hatte. Und offenbar machte seine Geschichte ihm selbst Spaß. Denn er lachte im voraus, lachte wie ein Mensch, der sich an etwas sehr Drolliges erinnert, lachte, daß ihm schier der Atem ausging. Ich aber ließ ihn ruhig auslachen. Ich glaubte nämlich, daß dies das beste gegenüber solchen Leuten ist: wenn man nicht will, daß die Geschichte ein dummes Gesicht kriegt.
Endlich und nach einigem Husten begann er folgendermaßen:
»Ich hab' Euch schon mit einer ganzen Reihe von Typen in unserem Städtchen bekannt gemacht.Die Erzählung ist eine von vielen Erzählungen, die Schulem Alejchem selbst mit dem Sammelnamen »Eisenbahngeschichten« bezeichnet. Nun will ich Euch noch einen vorführen: Jojel Taschker. Wenn Ihr den anseht, gebt Ihr nicht drei zerbrochene Vierer für ihn. Ein kleines, dürres, trockenes Männlein mit einem schüttern Bärtchen, geht nicht, sondern läuft ... Und trägt sich – habt Ihr wo einen Feind, dem könnt Ihr's wünschen – wie der Ärmste! Wiewohl er reich ist. Was sage ich, reich? Sehr reich, schwerreich, ein Millionär! Das heißt, gezählt hab' ich sie natürlich nicht, seine Millionen. Es kann eine Million sein. Und vielleicht fehlt auch viel zu einer halben. Jedenfalls ist er das nicht wert, was er hat. Das könnt Ihr mir glauben. Der Filz! Das Rote Meer spalten war nicht schwerer, als von ihm eine milde Gabe herauszubekommen. Der Bettler existiert nicht, der sich erinnern sollte, von Jojel Taschker auch nur ein Stück Brot gekriegt zu haben. In der Stadt kennt man ihn schon, den Patron: Trifft sich's, daß ein Armer nicht mit dem zufrieden ist, was man ihm gibt, dann heißt es gleich: »Bemüht Euch zu Jojel Taschker, der wird Euch mehr geben.« Und dabei dürft Ihr nicht etwa glauben, daß er brutal oder unwissend oder einfach ein ordinärer Kerl ist. Ganz im Gegenteil, der Mann kann lernen, ist aus gutem Hause und obendrein ein ganz ehrlicher Mensch. Verlangt von niemandem was. Nur soll man auch ihn verschonen. Mein ist mein, und dein ist dein. Ihr versteht mich doch? Oder nicht? ... Sein Geschäft? Er ist Geldverleiher, hat Häuser und arbeitet mit Edelleuten. Hat Tag und Nacht keine Zeit: fährt herum, läuft herum, ißt nicht, schläft nicht! Und da er sich keinen Angestellten gönnt, überall allein! Hat nicht Rind, hat nicht Kind! Das heißt, Kinder hatte er einmal, aber er hat sie fortgejagt, als ihm die Frau starb. Man sagt, daß sie in Amerika sind. Die Frau soll übrigens Hungers gestorben sein. Das ist wohl nicht wahr. Oder am Ende doch. Denn ratet, weshalb er der zweiten Frau schon in der zweiten Woche den Scheidebrief gab? Wegen eines Glases Milch! Hahaha! Bei meinem Leben, wegen eines Glases Milch, bei dem er sie erwischte: »Eins von den zweien,« sagte er da zu ihr, »entweder du trinkst die Milch, weil du die Schwindsucht hast, wozu brauche ich dich dann? Oder du trinkst einfach so Milch, weil du Lust hast. Dann bist du doch eine Verschwenderin.«
Aber eine gute Eigenschaft hat er doch (es gibt keinen Menschen, der nur Fehler hätte): Er ist fromm, schrecklich fromm! Und warum nicht, wenn's ihm beliebt! Schade nur, daß er auch die ganze Welt fromm haben möchte! Er spielt Gottes Polizei. Leidet's nicht, wenn man den Hut nicht aufhat. Erbost sich über die jungen Frauen, die ihr Haar tragen.D. h. es nicht abschneiden, um anstatt dessen eine Kopfbinde oder wenigstens eine Haarperücke zu tragen. Schlägt sich mit den Eltern herum, die ihre Kinder ins Gymnasium schicken. Und was noch weiter solche Dinge mehr sind.
Nun muß es aber Gott gerade so fügen, daß im Hause Jojel Taschkers ein Advokat wohnt – so einer von den alten Advokaten – der sich nichts daraus macht, barhäuptig herumzugehen, den Bart zu rasieren und am Sabbat Zigaretten zu rauchen, kurz, alles das zu tun, was man nicht tun darf. Er heißt Kompanjewitsch, ist hoch und breit, ein bißchen vorgebeugt, hat eingefallene Wangen und Spitzbubenaugen. Führt, wie es scheint, ein liederliches Leben. Er erhält sich mehr vom Kartenspiel als von der Advokatur und alle lustigen jungen Leute, die für ein Spielchen, einen guten Schinken und ähnliche schöne Sachen Sinn haben, kommen bei ihm zusammen. Kurz, sicherlich kein Heiliger. Doch wieder dieselbe Geschichte! Was kümmert's dich? Ich meine den Jojel Taschker, mein' ich. Wirst dich halt nicht mit ihm verschwägern! Und basta! Aber nein! Er hält's nicht aus. Er kann's nicht ertragen, daß bei Kompanjewitsch am Sabbat der Samowar aufgestellt, am Tischebuw Fleisch gekocht, das neue Pejßachgeschirr nicht vorschriftsmäßig gewaschen und noch viel anderes nicht gehalten wird. Und schimpft. Schimpft ganz laut: »Na, was sagt Ihr zu der Frechheit dieses Abtrünnigen? In meinem Hause zu wohnen und am Sabbat den Samowar aufzustellen!« Das hört der Kompanjewitsch und ist nicht faul. Am nächsten Sabbat stehen schon zwei Samoware da. Unser Jojel ärgert sich gelb darüber. Fast rührt ihn der Schlag. Aber Mensch! so kündige ihm doch die Wohnung, und du bist den Verdruß los. Nein, das doch nicht, es tut ihm um den Mieter leid. Er zahlt mehr Miete als alle anderen, sagt er. Und lacht: Hehehe.
So, nun habt Ihr schon zwei Typen kennen gelernt. Jetzt will ich Euch noch einen dritten vorstellen, einen jungen Mann, der in dieser Geschichte auch eine Rolle spielt, was sag' ich, Rolle spielt? von ihm kommt ja die ganze Geschichte her. Frojke Schejgez – so nennt man ihn – ist ein Mann, der mit der ganzen Welt auf gutem Fuße lebt. Natürlich halb Chussid, halb Franzos, trägt einen langen Kaftan, aber gleichzeitig einen Hut; eine weiße Hemdbrust und einen roten Schlips, aber auch einen Talles-kuten,Wörtlich: Kleiner Gebetmantel, ein viereckiges Kleidungsstück, das auf dem Oberkörper getragen wird, und an dessen Ecken sich die eigentümlich geknüpften (wollenen oder seidenen) Zizzes (Schaufäden) befinden. von dem eine Zizze heraushängt. Im Städtchen erzählt man etwas von einer verheirateten Frau ... Ins Bethaus jedoch rennt er wie besessen. Womit er sich beschäftigt? Er ist ein Makler, vermittelt Darlehen, bringt Wechsel an. Durch seine Hände geht viel Geld, Tausende und Tausende. So war er z. B. auch Jojel Taschkers Vertrauensmann. Der hat doch sonst Angst, einen Hunderter herauszulassen. Ein Wort aber von Frojke – und das Geschäft war gemacht. Und glaubt Ihr vielleicht, weil Frojke in Geldsachen wirklich so ein Heiliger ist. Ich möchte nicht für ihn einstehen. Nein, bloß weil er ein durchtriebener, geriebener Junge ist und ein freches Maul hat. In das hineinzugeraten – besser in die Hölle. Ihr könnt es ja daran sehen: heißt eigentlich Efroim Katz. Und niemand kennt ihn anders denn als Frojke Schejgez. Hahaha! Nun habt Ihr aber alle drei Typen beisammen. Jetzt müßt Ihr nur noch wissen, daß der Sommer begonnen hat und mit ihm die vielen Brände. Auch Draschne brennt ab, und es regnet Jammerbriefe und Depeschen: Man solle so schnell und soviel als möglich schicken. Die ganze Stadt kampiere im Freien und sterbe Hungers. Natürlich gerät unser Städtchen in Aufregung. Vorwürfe, Mahnungen: Warum rührt man sich nicht? Warum tut man nichts? Schließlich stellt man ein Komitee zusammen, das sammeln gehen soll. Und wer ist im Komitee? Natürlich ich, noch zwei, drei angesehene Bürger, von den besten und selbstverständlich auch Frojke Schejgez. Denn zu so was hat man ja einen Frechling nötig, wohin geht man zuerst? Selbstredend zu den reichen Leuten. Also auch zu Jojel Taschker.
»Guten Morgen, Reb Jojel!«
»Guten Morgen, gut Jahr! Was gibt es? Nehmt Platz?«
Er ist sehr liebenswürdig. Liebenswürdiger kann man schon nicht mehr sein. Denn so im allgemeinen, müßt Ihr wissen, ist Taschker ein ganz gastfreundlicher Mensch. Kommt Ihr zu ihm hinein, so nimmt er Euch gut auf, läßt Euch einen Stuhl geben, bittet Euch Platz zu nehmen und unterhält sich recht schön und fein mit Euch. Aber nur, solange Ihr nicht von Geld redet. Doch kaum kommt Ihr darauf, kriegt er gleich ein anderes Gesicht. Eines seiner Augen schließt sich von selbst, und die linke Wange zuckt wie bei einem Menschen, den der Schlag gerührt hat. Es ist zum Erbarmen, sag' ich Euch, wie er in solchen Augenblicken aussieht. So ein Mensch ist das.
Ja, wo halten wir denn eigentlich? Richtig, wie wir zu Taschker kamen. Das Komitee nämlich.
»Guten Morgen, Reb Jojel!«
»Guten Morgen, gut Jahr! Nehmt Platz! Was gibt's?«
»Wir kommen um eine milde Gabe zu Euch.«
Das Auge schloß sich, und die Wange zuckte:
»Eine milde Gabe! So plötzlich, ganz unerwartet, eine milde Gabe?«
»Ja, eine dringende«, antwortete Frojke, der Frechling, eine sehr dringende, Reb Jojel. Ihr habt ja wahrscheinlich schon gehört. Eine ganze Stadt abgebrannt. Draschne ...«
»Was sagt Ihr? Draschne abgebrannt? Weh mir! Ich habe soviel Geld dort stecken! Ich bin ruiniert, zugrunde gerichtet...«
Frojke will ihn beruhigen. Seine Kommittenten hätten durch das Feuer nicht gelitten. Nur arme Leute seien geschädigt worden. Aber umsonst! Der Mann will nicht hören, sondern rennt wie wahnsinnig im Zimmer auf und ab, ringt die Hände und schreit:
»So ein Unglück! Ich bin ruiniert! Redet jetzt nicht mit mir! Ihr habt mich um den Verstand gebracht, wie soll ich das aushalten?...«
Wir sitzen noch eine kurze Weile, dann stehen wir auf, sagen »Guten Tag, Reb Jojel«, küssen die Mesise und machen uns auf die Beine. Draußen aber sagt Frojke:
»Hört, ich soll nicht Efroim Katz heißen, wenn ich von dem Hundekerl nicht doch noch einen Hunderter für die Draschner Abbrändler herauskriege!«
»Schwatz nicht, bist wohl verrückt?«
»Gar nicht! Ihr werdet ja sehen! Ich sag's, ich, Efroim Katz!«
Und wirklich behielt er Recht, wie Ihr gleich hören werdet.
Einige läge später fährt nämlich unser Jojel Taschker auf den Markt nach Toltschin. Kompanjewitsch ist im selben Coupé, ebenso viele andere Leute. Man spricht, man schwatzt, alles durcheinander, wie's schon so ist. Nur Jojel Taschker und Kompanjewitsch sind still. Taschker sitzt wie versteckt in einem Winkel und blickt mit einem Auge in ein frommes Buch. Was hat er mit allen den Leuten zu tun? Und gar mit Kompanjewitsch. Es ärgert ihn nur, daß dieser Mensch, dessen rasiertes Gesicht er nicht ausstehen kann, sich gerade ihm gegenüber hingesetzt hat. Herr Gott, denkt er, wie wird man ihn los, den Schweinefresser? In die zweite Klasse hinübergehen? Schade ums Geld. Dableiben? Sind ihm die rasierte Fratze und die Spitzbubenaugen zuwider ... während er so nachdenkt, tut Gott ein Wunder und läßt ihm auf der nächsten Station einen Bekannten zusteigen, wen denkt Ihr? Natürlich keinen anderen als Frojke Schejgez. Unser Taschker ist ganz glücklich. Er wird mit jemandem zu sprechen haben.
»Wohin fahrt Ihr?«
»Und Ihr?«
Das Gespräch ist im Gang. Worüber? Über dies und jenes und alles und nichts, dummes Zeug. Bis man auf einen Gegenstand kommt, der nach Jojel Taschkers Geschmack ist: »Jugend von heute, alberne Burschen, ausgelassene Töchter, eine zuchtlose Welt!« Frojke Schejgez wärmt eine alte Geschichte auf – von der Schwiegertochter des Umaner Rebben, die mit einem Offizier davonlief. Dann noch eine Geschichte von einem jungen Mann, der in zwei Städten heiratete. Und schließlich noch eine dritte Geschichte, von einem Bürschlein, das nicht Tfillin legen wollte, und als ihn der Vater dafür schlug, den Hieb zurückgab.
»Was, den Vater geschlagen! Den eigenen Vater geschlagen?« schrie es von allen Seiten.
Das ganze Coupé ist in Aufregung und mehr als alle Jojel Taschker: »Na, hab' ich nicht recht? Eine zuchtlose Welt das! Die jüdischen Kinder wollen nicht beten, nicht Tfillin legen ...«
»Tfillin legen schenk' ich euch«, mischt sich jetzt plötzlich Kompanjewitsch, der bisher geschwiegen hat, ein, »das mögt ihr halten, wie ihr wollt. Kümmert mich nicht. Dagegen, seht ihr, einen Talles-kuten! Da kann ich mich drüber aufregen, daß ihn unsere jungen Leute nicht tragen. Nicht Tfillin zu legen, kann ich verstehen. Man hat Arbeit damit, muß sie anlegen und abnehmen. Aber einen Talles-kuten, irgendwo unter dem Hemd tragen. Das ist doch gar nichts. Und wer sieht es?«
Diese Worte sprach der Ketzer mit leiser Stimme, gemessen, und ernst. Wenn ein Blitz eingeschlagen hätte oder der Waggon umgefallen wäre, unser Taschker hätte nicht mehr überrascht sein können. Was hatte das zu bedeuten? Waren die Zeiten des Messias da? Daß ein solcher Schweinefresser von Talles-kutens redet ... Und er wendet sich zu Frojke – nicht etwa zu Kompanjewitsch:
»Wie gefällt dir der Heilige, he, he? Spricht auch von Talles-kutens!«
»Ja, warum denn nicht?« meint Frojke ganz naiv.
Das war für Jojel Taschker schon zuviel.
»Hehehe«, lacht er. »Auch schon ein Jude! Einer, der am Sabbat einen Samowar aufstellt! Am Tischebuw Fleisch ißt! Nicht einmal das Geschirr für Pejßach waschen läßt! Und das spricht von Talles-kutens!«
»Ja, warum denn nicht!« sagt Frojke, wieder so unschuldig wie zuvor, was hat das eine mit dem andern zu schaffen? Herr Kompanjewitsch mag vielleicht alles das tun, was ihr da aufzählt, und trotzdem kann ich mir ganz gut vorstellen, daß er unter dem Hemd einen Talles-kuten trägt.
»Wer, der Rasierte da,« schreit der arme Taschker, »der liederliche Mensch, der Gottesleugner?«
Die Leute im Coupé sind ganz still geworden und blicken gespannt auf Kompanjewitsch. Der schweigt aber. Frojke auch. Bald fährt er jedoch auf, Frojke nämlich, wie ein Mensch, der sich entschlossen hat, etwas zu wagen:
»Ich will Euch was sagen, Reb Jojel,« ruft er, »ich geh von der Ansicht aus, daß man eine jüdische Seele nie unterschätzen darf. Wenn ein Jude von einem Talles-kuten mit Respekt spricht, dann trägt er wahrscheinlich selbst einen. Ich lege einen Hunderter für die Abbrändler von Draschne ein. Ihr legt ebensoviel ein. Und dann wollen wir Euern Herrn Mieter bitten, daß er in unserer Gegenwart den Rock und das Hemd öffne und uns zeige, ob er einen Talles-kuten trägt.«
»Ganz richtig, ganz richtig«, rufen alle andern ereifert und machen Spektakel. Es wird recht lustig im Coupé.
Kompanjewitsch aber sitzt still da, wie einer, der mit der Sache nichts zu tun hat. Und unser Jojel Taschker? Schwitzt mächtig! Er hat noch niemals in seinem Leben gewettet, auch nicht um zwei Groschen. Und soll nun plötzlich einen ganzen Hunderter einsetzen? Wie, wenn der schlechte Kerl am Ende wirklich einen Talles-kuten trägt? Behüte Gott! Doch nein! Das ist ja gar nicht möglich, sagt er sich weiter. Kompanjewitsch – und ein Talles-kuten! Nein! Er kann ruhig selbst seinen Kopf wagen. Und er faßt sich ein Herz und zieht einen Hunderter hervor. Man wählt zwei bessere Leute aus, bei denen das Geld eingelegt wird. Dann erst nimmt man Kompanjewitsch in Arbeit. Er soll sich ausziehen. Aber es fällt ihm gar nicht ein, er will nicht.
»Was bin ich denn«, ruft er plötzlich ganz gesprächig, »ein Bub oder ein Komödiant? Daß ich mich hier im Coupé am hellichten Tage vor einer ganzen Menge Menschen ausziehen soll...?«
Jojel Taschkers Antlitz strahlt.
»Aha,« ruft er Frojke zu, »wer hat recht? Ich oder du? Ich kenne meine Leute. So ein Mensch spricht von Talles-kutens! Hehehe!«
Alle dringen nun in Kompanjewitsch.
»Ihr müsset es tun! Bedenket doch! Wie es ausgehen mag, in jedem Fall kriegen doch die unglücklichen Abbrändler einen Hunderter.«
»Ja, für die unglücklichen Abbrändler«, hilft Jojel Taschker den andern, ohne Kompanjewitsch anzusehen.
»Die armen Leute liegen mit Weibern und Rindern draußen im Freien«, dringt man weiter in Kompanjewitsch.
»Ach ja, draußen im Freien«, wiederholt Jojel Taschker.
»Ein Jude soll doch Gott im Herzen tragen!«
»Gott im Herzen tragen«, sagt Jojel Taschker nach.
Nach langer Müh und Rede setzt man es endlich bei Kompanjewitsch durch, daß er Rock, Weste und Hemde öffnet. Und nun stellt Euch vor, trug der Mensch wirklich einen Talles-kuten unterm Hemd. Und was für einen Talles-kuten! Einen großen, kuschern, Berschader Fabrikat, mit blauen Streifen und dicken, starken Zizzes, wie bei einem Ruw. Hahaha! ... Nein, so was bringt nur so ein Gauner wie Frojke Schejgez fertig! Es hat ihn freilich Jojel Taschkers Kundschaft gekostet, er darf ihm nicht mehr unter die Augen kommen. Dafür hat er aber den Abbrändlern von Draschne einen Hunderter, einen ganzen Hunderter verschafft. Und von wem ihn herausgekriegt? Von einem Geizhals, einem Filz, der niemals in seinem Leben einem Armen ein Almosen, auch nicht einmal ein Stückchen Brot gegeben hat! Soll den Kerl nicht der Teufel holen? Ich meine natürlich den Frojke, mein' ich.