Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Die Nelke.

        Vom Schwarm der Weste
Verbuhlt umweht,
Begoß Alceste
Ihr Blumenbeete.

Sie sah schon lange
Ein Nelkchen blühn,
Gleich ihrer Wange,
Weiß und karmin.

Sie wollt es pflücken,
Um ihre Brust
Damit zu schmücken
Den Sitz der Lust.

Laß, fleht es bange,
Mich heut noch stehn,
Bis morgen prange
Ich noch so schön.

»Gut, ich kann borgen;
Doch merk es dir,
Mein Blümchen, morgen
Gehörst du mir.«

Sie kam; es rufte:
O warte doch,
Des Abends dufte
Ich stärker noch.

Das Nelkchen flehte
Sich wieder los,
Bis auf die Beete
Der Nachtthau flos.

Da fand sie – Götter!
Nichts – ein Gewühl
Verdorrter Blätter
Am lahmen Stiel.

Sie starrt und drücket
Die Augen zu:
»Ach, ungepflücket
Verwelkest du!«

Ja, seufzt es, gestern
Noch frisch, heut kahl!
Merkt, reife Schwestern,
Euch die Moral.


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