Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Usge und Zacchi,

eine japanische Geschichte.

                  In Japan, wo viel edle Seelen
Und holde Mädchen sind,
War, wie die Schiffer uns erzählen,
Ein armes Hirtenkind.

Verborgen, wie die Mayenrose
Im dunkeln Busche glüht,
War Zacchis Jugend in dem Schoose
Der Unschuld aufgeblüht.

Sie lebte sie bey ihrer Mutter,
Von Harm und Liebe frey,
Für nichts besorgt, als für das Futter
Der kleinen Schäferey.

Einst band sie auf beblümter Erde
Sich einen Veilchenstraus;
Da kam ein junger Mann zu Pferde
Den nahen Wald heraus.

Der Cubo wars. Mit Speer und Keule
Bekriegt er auf der Jagd
Im armen Wild die lange Weile,
Die seine Seele plagt.

Er sieht das Mädchen: ihre Blicke
Entzünden seine Lust
Und füllen plötzlich jede Lücke
In seiner öden Brust.

Schön war der Cubo, groß und bieder
War Usges rauher Muth,
Er setzt zu ihr ins Gras sich nieder
Und malt ihr seine Glut.

Sie staunt. Die Rosen ihrer Wangen
Entflammen zu Karmin.
Er küßt sie, reicht ihr seine Spangen
Vom Helm. Sie will entfliehn.

Jetzt nennt er sich; sie zagt, sie bebet
Und stürzt auf seinen Schoß.
Entzückt umschlingt er sie und hebet
Sie kosend auf sein Roß.

Sie folgt ihm, – (eines Cubo Blicken
Gehorcht selbst die Natur)
Verstummt, wie auf des Würgers Rücken
Das Lamm, durch Hain und Flur.

Schon deckt ihn mit der schönen Beute
Der Hofburg stolzes Dach
Und Amor giebt ihm das Geleite
Ins goldne Brautgemach.

Der Tag erwacht. Die holde Dirne
Umwallt ein Fürstenkleid
Und Usge schmückt ihr Arm und Stirne,
Mit blitzendem Geschmeid.

Doch ungetäuscht von Pracht und Fülle
Bleibt sie noch Schäferin,
Und oft schwingt sich in ernster Stille
Ihr Geist zur Mutter hin.

Sie wählt von ihrem Brautgeschmeide
Das schönste Kleinod aus
Und schickt mit eines Engels Freude
Es insgeheim nach Haus.

Doch kaum ist unter Kuß und Spielen
Der zehnte Tag vorbey,
So fängt ihr Herz schon an zu fühlen,
Daß sie nur Sclavin sey.

Einst sah sie traurig nach dem Berge,
Der ihre Flur versteckt,
Und ward von ihrem stummen Zwerge
Aus ihrem Traum erweckt.

Sie schauert auf, er giebt der Schönen
Ein Briefchen, ihr allein.
Sie liest, sie netzet es mit Thränen
Und Usge tritt herein.

Misgünstig wie die hohen Seelen
Ist sie mit ihrem Schmerz.
Des Briefchens Inhalt zu verhehlen,
Versteckt sies auf ihr Herz.

Er siehts. Wie Gottes Donnerkeile
Den Sünder, der ihm flucht,
So treffen plötzlich ihn die Pfeile
Der blassen Eifersucht.

Er will, sie soll das Blatt ihm weisen;
Sie schweigt. Er dringt darauf;
Sie fleht. Er will es ihr entreisen;
Sie hält die Hand ihm auf.

Er ringt mit ihr; sie weint. Er fasset
Den Brief; sie haschet ihn,
Verschlingt ihn, schluchst und sinkt erblasset
Zu seinen Füssen hin.

Man ruft den Arzt. Er lockt die Seele
Umsonst ins schöne Haus;
Er öfnet ihr die weisse Kehle
Und zieht den Brief heraus.

Da ließ: »Von Krankheit abgezehret,
Dankt deine Mutter dir
Für dein Geschenk. Tien, der mich höret,
Belohne dich dafür;«

Schnell faßt die knirschende Harpye,
Verzweiflung Usgens Herz,
Er küßt der Heldin starre Knie
Und heult vor Wuth und Schmerz.

Wie kan er noch auf Erden weilen?
Ja, mehr als Orosman
Thut er; läßt Zacchis Mutter heilen
Und nimmt als Sohn sie an.

In eine marmorne Kapelle
Schließt er den Leichnam ein.
Amida[Amida, der Schutzgott der guten Seelen.] hütet auf der Schwelle
Das heilige Gebein.


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