Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Minos und der Schatten.

          Wer warst du auf dem Narrenrund?
Sprach Minos einst im Richtertone
Zu weiland einem Erdensohne,
Der blaß vor seinem Sopha stund.
Narr mit: erwiedert ihm der Schatten;
Doch ach! zu späthe nahm ichs wahr:
Von zwölf Talenten, die mir baar
Die Eltern hinterlassen hatten,
Verflog, als ich kaum mündig war,
Die Halbscheid auf gelehrten Reisen
Nach Cypern, Paphos, Amathunt.
Ein blaues Aug, ein rother Mund
Bethörten schon die größten Weisen;
Warum mich? Aspasia
Von Gnidos, eine junge Dirne,
Die ich auf einem Balle sah,
Verrückte stracks mir das Gehirne.
Arm war sie zwar wie Diogen,
Doch wie Cythere schlau und schön
Und – kurz, ich ließ mich mit ihr trauen
Und führte siegreich sie nach Haus.
Da lebten wir in Saus und Braus;
Sie war die prächtigste der Frauen
Und ich war der galantste Mann.
Doch lange gieng der Spaß nicht an:
In Schmäusen, Spielen, Maskeraden,
Juwelen, Salben und Brokaden
Zerschmolz der Rest von meinem Gold,
Mit ihm die Liebe meines Götzen.
Um ihren Aufwand fortzusetzen
Begab sie sich in fremden Sold,
Und ich – hier grif er nach der Stirne, –
»Herr Minos, du verstehst mich schon;
Wo lebt der Ehmann, der nicht zürne,
Wenn diese jückt? . . Mit Flehn und Drohn
Bat ich mein Weib sich zu bekehren.
Umsonst, sie wollte mich nicht hören;
Und als es einst zu Püffen kam,
Schlug sie vier Zähne mir in Rachen.
Nun übernahm mich Wuth und Gram;
Ich riß vom Putztisch meines Drachen
Ein Pudermesser und erstach – –
»Das Weib«? – dazu war ich zu schwach,
Mich selbst, – ich Pinsel! aber ach!
Könnt ich ins Leben wiederkehren,
Ich liesse mich nicht mehr bethören.«

Wohlan, ich nehme dich beym Wort;
Sprach Minos, hier ist ein Paßport
An Charon; hier ein Bankozettel
An Plutus. Deine Frau, die Vettel,
Schifft wirklich auf dem Höllenfluß.
Geh hin, den Dank will ich dir sparen.

So schnell muß kein Karthaunenschuß
Des Zevs, die schwarze Luft durchfahren
Als unser Mann den Tartarus.
Schon küßt er die erstaunten Brüder
Im dichtern Kleid des ersten Leibs
Und fand wie Hiob alles wieder,
Noch mehr – die Urne seines Weibs.
Nun läßt er auf dem Land sich nieder,
Kauft Bücher, wird ein Philosoph
Und schwört nur bey den weisen Alten.
Er giebt sein Gold nebst Haus und Hof
Zween Epikurern zu verwalten,
Die, während er Systeme liest,
So treulich mit dem Gute schalten,
Daß eh das vierte Jahr verfließt,
Nur Bücher noch die Schränke füllen.

Ey, ey, das hätt ich nicht gedacht!
Rief er bestürzt. Doch weg ihr Grillen!
Ein Weib mit zwölf Talenten macht
Mich dieses Unglück leicht vergessen.
Nun reist er auf die Freyerey,
Just wie der Kaufmann auf die Messen.
Fortuna steht den Narren bey;
Er fand das Weib mit zwölf Talenten,
Die Wittib eines Hofagenten,
Zwar runzlicht, schielend, taub und lahm,
Doch wer sieht das bey zwölf Talenten?
Nun träumt der frohe Bräutigam
Von nichts als seinen fetten Renten.
Doch eh der zweyte Monat kam,
Sprach er von nichts als neuem Kreuze,
Von seiner Dame harter Zucht,
Von ihrer blinden Eifersucht,
Von ihrem unerhörten Geize.
Kurz, Irus selbst war nicht so arm,
Und Sokrates trug mindre Plagen
Als er. Die weisen Alten sagen:
Der Wein vertreibt der Grillen Schwarm.
Er glaubts und will das Mittel wagen;
Doch kaum kömmt er berauscht nach Haus,
So stößt sein Dämon mit der Krücke
Zum Stubenfenster ihn hinaus;
Der arme Tropf brach das Genicke;
Und als er vor den Höllenrath
Zum andern Mal mit scheuem Blicke
Und marmoriertem Schädel trat,
Sprach Minos: traut ihn mit Megären!
Die strafe seinen Selbstbetrug;
Nur Weise kann Erfahrung lehren,
Die Narren macht sie niemals klug.


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