Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Rubin.

an den Freyherrn von Salis Sevis.

                  In jenem zweyten Babylon,
Wo ein gekrönter Kannibale
Zu seiner Schwester Hochzeitmahle
Die besten seiner Nation
Geschlachtet hat, und, o der Schande!
Nicht auch für seines Frevels Lohn
Der Menschheit und dem Vaterlande
Geschlachtet ward auf seinem Thron:
In jenem zweyten Babylon,
Wo Frankreichs Vater und Befreyer,
Weil er den Weg ins Paradies
Der Wahl des Herzens überlies,
Ein orthodoxes Ungeheuer,
Den Mordstahl in den Busen stieß,
Und wo sein Enkel, den der Heuchler
Und der Poet den Grossen hieß,
Gereizt durch infulierte Schmeichler
Und Lojolas Hyänenbruth
Der Ketzer neues Reich zerstörte
Und freylich nicht durch Schwerdt noch Glut,
Blos durch Dragoner sie bekehrte;
In dieser stolzen Königsstadt
Die für den Weisen und den Thoren
So manche schöne Seite hat,
Hier lebst du, Freund! in dich verloren,
Der Weisheit und den Musen treu
Und, wie die Mutter dich gebohren,
So gut, so heiter und so frey.
Ja frey; des grossen Königs Krone
Verblendete dein Auge nie;
Du stehest zwar vor seinem Throne,
Allein mit ungebognem Knie.
Du leihst, gleich deinen tapfern Ahnen,
Ihm deinen Arm, allein wie sie
Reift unter des Monarchen Fahnen
Blos für die Republik der Held
Und ruft die gellende Trompete
Dich aus der Hofburg in das Feld,
So nimmst du nebst dem Schwerdt die Flöte,
Wie Vater Kleist, mit in dein Zelt,
Und trägt dich dein getreuer Schimmel
In deiner Alpen Schoos zurück,
So singst du, fern vom Kriegsgetümmel,
Wie er, doch unter freyerm Himmel,
Des Frühlings Pracht, des Landmanns Glück.
O selig, Freund, wem sein Geschick
Das göttliche Talent beschieden,
Sich selber stets genug zu seyn!
Nichts störet seinen innern Frieden,
Nichts trübet seinen Sonnenschein.
Auch mitten unter Legionen
Ist er, so oft er will, allein;
Und schlöß ihn, gleich den Robinsonen,
Ein unbewohntes Eiland ein,
So schüf er Menschen, trotz dem Greise
Deukalion, aus jedem Stein.
O, wahrlich, Freund, der stille Weise
Ist auf der weiten Gottesflur
Die schönste Blume. Seine Seele
Empfängt nur von sich selbst Befehle
Und sie gebietet der Natur.
Dies hat der Perser Schach Iskender
Von einem heiligen Kalender
In einer Wildniß einst gelernt.
Entführt von seinem scheuen Pferde,
Das ihn von eines Rehbocksfährte
Und seinem Jagdgesind entfernt,
Fand er den Mönch, der auf der Erde
Im Schatten saß; in seiner Hand
Hielt er ein Häufchen rothen Sand.
»Was machst du Alter?« Herr, Rubinen,
Versetzt der Greis mit heitern Mienen, –
»Rubinen! faselst du? Laß sehn.«
Er stieg vom Pferd. Der Alte hauchte
In seine Faust. Der Sand verrauchte
Und ein Rubin so groß, so schön,
Als keiner in des Herrschers Krone,
Blieb in der offnen Hand zurück.
Iskender staunt. Sein irrer Blick
Klebt bald auf dem verkannten Sohne
Des Hermes, bald auf dem Rubin.
O, gieb mir, bat der Weltbezwinger
Zuletzt den Siedler, gieb mir ihn.
Ich trag ihn bis ins Grab am Finger
Als deiner Wundergabe Pfand.
Der Siedler reicht dem hohen Gaste
Die Gemme. Doch der König faßte
Statt des Rubins ein Klümpchen Sand.
Der Sultan knirscht und greift zum Säbel,
Doch schnell umwölkt ein schwarzer Nebel
Sein wildes Aug, indeß der Wald
Von dem Orakel wiederhallt:
»Was Staub ist für gemeine Seelen
»Wird für den Weisen zu Juwelen.«

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