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1. Im Kreuze ist Heil.

Hundert Jahre, nachdem Christus geboren war, unter der Regierung des römischen Kaisers Trajan, lebte der Feldherr Plazidus, der unter dem Namen Eustachius in der ganzen christlichen Welt bekannt geworden. Er hatte die Parther, die Feinde Roms, in mehreren Schlachten besiegt und sich großen Ruhm erworben. Nachdem der Friede hergestellt war, begab er sich, fern von dem kaiserlichen Hofe, auf sein abgelegenes Landgut. Hier, in seinem väterlichen Hause, das in der edlen römischen Bauart aufgeführt war, fühlte er sich glücklicher als in Rom, der damaligen Hauptstadt der Welt. Die unermeßliche Pracht und Verschwendung, die damals in Rom herrschten und dieser Stadt in der Folge den Untergang zuzogen, waren ihm zuwider. Er blieb den einfachen Sitten seiner Väter, der alten Römer, getreu. Obwohl er große Reichtümer besaß, so erblickte man in seiner Wohnung dennoch nichts von unnötigen und kostbaren Gerätschaften, und auf seine Tafel kamen keine überflüssigen Gerichte. Nur Ordnung, Reinlichkeit und eine sehr einfache, jedoch seinem Stande gemäße Einrichtung gaben seiner Wohnung einen eigentümlichen Glanz. Er war von altem römischen Adel; allein seine edlen Gesinnungen adelten ihn noch mehr. Seine Gemahlin, eine Frau von großer Schönheit und ungemeiner Anmut, war ihm sowohl an Adel der Geburt als der Gesinnungen vollkommen gleich. Man konnte wohl in dem ganzen weiten Römerreiche kaum ein vortrefflicheres und glücklicheres Ehepaar finden, und was ihre Glückseligkeit auf Erden vollendete, waren zwei liebenswürdige, hoffnungsvolle Knaben. Der ältere Knabe war an edler Gesichtsbildung dem Vater ähnlich; in dem lieblichen Gesichtchen des jüngern erkannte man sogleich die sanften Züge der Mutter; das Betragen beider Knaben aber zeigte, daß sie einst beide an Edelsinn und Tugend ihren Eltern gleichen würden. Der Morgen ihres Lebens versprach den schönsten Tag.

Einen so großen Ruhm sich Eustachius zur Zeit des Krieges durch seine Tapferkeit als Feldherr erworben hatte, so rühmlich zeichnete er sich jetzt zur Zeit des Friedens durch seine Menschenfreundlichkeit gegen seine Untergebenen und seine Wohltätigkeit gegen die Dürftigen aus. Er hielt zur Bestellung seiner vielen Feldgüter und zur Besorgung seiner zahlreichen Herden eine Menge Knechte und Mägde, die nach damaliger Verfassung seine Sklaven und Sklavinnen waren. Allein er war ihnen ein milder Herr; ehrte in ihnen die menschliche Natur und tat alles Erdenkliche, sie zu guten Menschen zu bilden, ihnen das Los der Dienstbarkeit zu erleichtern, und sie glücklich zu machen. Öfters im Jahre, zu Anfang des Frühlings, zur Erntezeit, zur Zeit der Weinlese und im Spätherbste, wenn alle Feldarbeiten beendet waren und das Jahr sich zur Ruhe des Winters neigte, gab er ihnen ländliche Feste; und man sah ihn nie vergnügter, als wenn er alle seine Untergebenen um sich her recht froh und fröhlich sah. Er betrachtete alle als seine Familienangehörigen und fühlte sich in ihrer Mitte so glücklich, wie ein liebevoller Vater in der Mitte seiner Kinder. Mit wohlwollenden Blicken schaute er umher, ob nicht diesem oder jenem etwas abgehe, und ermunterte alle mit freundlichen Worten zur Freude. Mehreren seiner Sklaven und Sklavinnen schenkte er die Freiheit, sobald er sie für fähig hielt, ein solches Glück zu ertragen, und er gab ihnen überdies noch ein kleines Gütchen dazu, das sie nun auf ihre eigene Rechnung bebauen konnten und wovon sie ihm nur geringe Abgaben zu leisten hatten. Manchem tapferen Krieger, der unter ihm gedient, wies er ein Stück Ackerfeld an und ließ ihm ein Haus bauen, damit derselbe nach blutigen Schlachten nun am eigenen Herde das Glück des Friedens genießen möge. Viele auswärtige Unglückliche nahmen ihre Zuflucht zu ihm; und er ließ, so viel es an ihm lag, keinen einzigen ohne Trost und Hilfe zurückkehren. Reichtümer freuten ihn bloß, weil er andere damit beglücken konnte, und er rechnete es sich zur Ehre, mit eben der Hand, die das Schwert so rühmlich geführt hatte, nun Wohltaten unter die Dürftigen auszuteilen. Als einst bei dem Feste des wiederkehrenden Frühlings einige dankbare Landleute, die er aus großer Not errettet hatte, bis zu Tränen gerührt ihm und seiner Gemahlin einen Blumenkranz darbrachten, sprach er zu seiner Gemahlin: »Der blutbespritzte Lorbeerkranz mag immerhin für ruhmvoller gehalten werden; allein ein solcher Blumenkranz dünkt mich doch lieblicher und erfreulicher; denn sieh – er glänzt nur von Tränen des Dankes!«

Die weitausgedehnten Besitzungen des edlen Feldherrn waren zwischen den alten Städten Tibur und Präneste gelegen und von einer Seite durch waldiges Gebirge begrenzt, in dem sich eine Menge Wild aufhielt. Eustachius fand Vergnügen daran, hier zu jagen, indem er die Jagd mit ihren Gefahren und Beschwerden als eine Art von Krieg ansah, die ihn in Übung erhielt, damit er, wenn er wieder zu Felde ziehen müßte, zum Kriege nicht untauglich sein möchte. Seit einiger Zeit schien er diesem Vergnügen mehr nachzuhängen als sonst. Er brachte manchmal zwei bis drei Tage in den waldigen Bergen zu und übernachtete sogar dort unter dichten Bäumen oder in einer Felsenhöhle. Allein ihm war es gerade jetzt am wenigsten um das Vergnügen der Jagd zu tun. Ihn beschäftigten ganz andere Angelegenheiten; in seinem Innersten ging eine große Veränderung vor. Eustachius fing an, jetzt, da der Friede ihm mehr Zeit dazu ließ, über die Bedeutung des menschlichen Lebens, über die Bestimmung, das Ziel und Ende des Menschen ernstlicher nachzudenken. Die Finsternis und tiefe Stille der Wälder, wo ihn niemand, selbst nicht die zärtliche Gattin und die fröhlichen Kinder in seinen Betrachtungen störten, fand er dazu am meisten geeignet. Oft meinten seine Jagdgenossen, er habe sich bloß in Verfolgung eines Stück Wildes von ihnen entfernt; er aber saß irgendwo im Schatten dichter Bäume auf einem umgestürzten Baumstamme und sann über wichtigere Dinge nach. Der große Kampf zwischen Heidentum und Christentum hatte damals längst begonnen und bewegte überall die Welt. Die Heiden bedienten sich all ihrer Macht, des Feuers und des Schwertes, um die Christen auszurotten. Die Christen hatten ihnen nichts entgegenzusetzen als Glauben an Gott und ihren Erlöser, Hoffnung eines bessern Lebens und Liebe gegen alle Menschen, selbst gegen ihre Verfolger. Unzählige wurden hingerichtet, ja unter den grausamsten Qualen zu Tode gefoltert. Und dennoch vermehrte sich die Zahl der Christen auf eine wunderbare Weise. Das Christentum verbreitete sich nicht nur in alle Städte, sondern auch in die Dörfer und einzelne Landhäuser. In vielen Gegenden standen die heidnischen Tempel beinahe verlassen, auf ihren Altären wurde nicht mehr geopfert, und die Opfertiere fanden keine Käufer mehr. Selbst am Hofe des Kaisers und unter dem Kriegsheere waren viele dem christlichen Glauben ergeben.

Eustachius sah die Torheit des heidnischen Götzendienstes immer mehr ein. Er verabscheute die Grausamkeit, mit der man die Christen verfolgte; er hatte manchen Christen in Schutz genommen und ihnen durch sein Ansehen das Leben gerettet; er wußte, daß selbst unter seinen Untergebenen sich Christen befanden, und er bezeigte sich gegen sie sehr gütig. Allein er selbst war zurzeit noch kein Christ. Er kannte das Christentum noch zu wenig, um es nach Verdienst zu schätzen und liebzugewinnen.

Eines Tages nun hatte er, von vielen Jagdliebhabern und einem zahlreichen Gefolge begleitet, sich wieder auf die Jagd begeben. Die Jagdgesellschaft zerstreute sich in kleineren Scharen durch das Gebirge. Eine Menge Wild wurde erlegt. Gegen Abend jagte Eustachius noch einen ungemein großen Hirsch auf, verfolgte ihn sehr eifrig zu Pferd und entfernte sich weit von seinen Gefährten. Allein herabhängende Baumzweige und vorgestreckte Baumwurzeln erschwerten ihm das Nachsetzen, und eine hoch emporragende Felsenwand machte es ihm zuletzt gar unmöglich. Ermüdet stieg er ab und band sein Pferd an einen Baum. Der Ort schien ihm ganz besonders angenehm und sehr geschickt zum Nachdenken. Der tiefblaue Himmel strahlte nur sparsam zwischen hohen, blätterreichen Pappelbäumen und den dichten, schwarzgrünen Fichten hindurch; von der nahen Felsenwand, aus der mehrere Lorbeerbäume emporsproßten, fiel ein klarer Bach in munterem Brausen von Stufe zu Stufe und arbeitete sich schäumend zwischen bemoosten Steinen hindurch. Nur einzelne Sonnenstrahlen drangen in das grüne Dunkel und beleuchteten mit kräftigem Lichte hier einige purpurne Waldblumen, da die graue, mit grünem Moose bewachsene Rinde eines Baumes, dort den zarten Silberschaum des Wasserfalls. Eustachius setzte sich auf ein herabgestürztes Felsenstück, stützte den Kopf auf die Hand und sann aufs neue den Gedanken nach, mit denen er sich schon längere Zeit her so ernstlich beschäftigt hatte.

»Es ist unleugbar,« sagte er bei sich selbst, »ein weiser Schöpfer hat diese Welt hervorgebracht. Seine unermeßliche Macht und Herrlichkeit, die uns unsichtbar ist, zeigt sich augenscheinlich in allen sichtbaren Geschöpfen. Die leuchtende Sonne am Himmel und die Blume hier zu meinen Füßen, der starre Felsen dort und die bewegliche Wasserwelle, die von ihm herabstürzt, der ungeheure Fichtenbaum da und jedes Moosfäserchen an seinem Stamme sind lauter Zeugen seiner Weisheit, Güte und Macht; die unzähligen Blätter der Bäume sind ebenso viele Zungen, die uns davon erzählen. Jedes Geschöpf ist in seiner Art vollendet und verherrlicht seinen Schöpfer.

»Allein warum ist der Mensch, den seine schöne, aufrechte Gestalt, Vernunft und Sprache über alle Geschöpfe der Erde erheben, in so mancher Hinsicht das allerunvollkommenste Geschöpf? wie kommt es doch, daß der Mensch, der mit seinem großen Verstande so viele Künste und Wissenschaften erfindet, gerade im Allerwichtigsten, in der Erkenntnis seines Schöpfers, so unwissend ist? Welche Torheit hat sich ganzer Völker, ja sogar des mächtigsten aller Völker, der Römer, bemächtigt, daß sie Metalle, Steine und Holz der Gottheit gleich achten und sie anbeten? Allein warum sind wir jenem großen Geiste, der alles schuf, so entfremdet, daß wir uns keine richtige Vorstellung von ihm machen können? Warum wissen wir so wenig von ihm? Warum gibt er sich uns nicht näher zu erkennen? Ach, mich dünkt, irgend eine traurige Begebenheit muß den menschlichen Verstand so zerrüttet haben, daß er sich von der rechten Erkenntnis so weit verirren und in so schrecklichen Unsinn verfallen konnte!

»Mit der menschlichen Tugend steht es um nichts besser, als mit der mangelhaften Erkenntnis des Menschen. Warum schwebt mir ein Bild menschlicher Vollkommenheit vor, das ich nicht zu erreichen vermag? Warum sehen wir ein, was schön und gut und recht ist – haben wohl auch Freude daran – und tun dennoch dasjenige, was schlecht ist und was wir verabscheuen? Woher kommt dieser Zwiespalt im Menschen? Warum ist der größte Teil der Menschen so ausgeartet, so in Sünde und Laster versunken, daß er ganz das Gegenteil von dem ist, was ein wahrer Mensch sein sollte? Ach, wenn ich unsere Geschichtsbücher aufschlage, wie graust es mir oft über all den Greueln, die schon von Menschen verübt worden! – Doch, was habe ich nötig, in der Weltgeschichte zu forschen? Ich darf nur in mein Inneres blicken. Ich wurde zwar immer den vortrefflichen Männern beigezählt; allein wie vieles habe ich mir vorzuwerfen! Wie so manches Gute, daß ich hätte zustande bringen sollen, ward versäumt! Wie manche meiner gepriesensten Handlungen waren von geheimer Ruhmsucht befleckt? Und woher nehme ich nun Beruhigung über das vergangene – woher Kraft, jene Stufe von Vollkommenheit zu erreichen, nach der etwas in mir mich streben heißt! Wahrhaftig, der Mensch ist ein gebrechliches, sündiges Geschöpf, das sich selbst nicht zu helfen weiß.

»Und ach, wie groß ist das Elend des Menschen auf Erden! Unter Winseln und Schmerzen wird der Mensch zur Welt geboren; unter Angstschweiß und hartem Röcheln geht er wieder hinaus. Und sein ganzer Lebenslauf – wie vielen Arbeiten, Mühseligkeiten, Sorgen ist er nicht ausgesetzt? Welch ein unübersehbares Heer von Krankheiten bedroht ihn? Und wenn er auch sein ganzes Leben in Gesundheit, Fröhlichkeit und Überfluß zubrächte – wie bald nimmt das alles ein Ende? Wie verbittert ihm die Furcht des Todes den gegenwärtigen Genuß? Wie viel glücklicher ist der Vogel, der auf dem Baume dort fröhlich singt und von seinem bevorstehenden Tode nichts weiß? Und wie ist's nach dem Tode mit uns bestellt? Was bleibt nach dem Tode von dem Menschen noch übrig? – Was wir mit Augen sehen, ist nichts weiter als eine Handvoll Staub und Asche – die Leiche mag nun nach der Sitte der Römer verbrannt oder nach dem Gebrauche anderer Völker in die Erde verscharrt werden. Allein wer sagt uns sicher, was es mit dem abgeschiedenen Geiste, den wir Römer bloß einen Schatten nennen, für eine weitere Beschaffenheit habe? – Ach, wir können an jenes unbekannte Land, wo wir alle hin müssen und von wo keiner zurückkommt, nicht anders als mit Schaudern denken!

»Zwar die Christen glauben, ihnen habe sich der unsichtbare Schöpfer der sichtbaren Welt näher geoffenbart. Sie rühmen sich einer helleren Erkenntnis göttlicher Dinge. Sie glauben, die Kräfte gefunden zu haben, die dem Menschen fehlen, um das zu werden, was er sein soll. Sie halten sich, so verachtet und verfolgt sie sind, für die glücklichsten Menschen unter der Sonne. Wirklich scheinen sie auch Menschen besserer Art. Sie lieben einander, sie sind ohne Falsch und Verstellung und von Herzen demütig; sie sind uneigennützig, gütig, barmherzig, sanftmütig, ohne alle Rachgier; sie sind standhaft, getrost und heiter, selbst in der größten Pein. Sie scheuen den Tod nicht, sie freuen sich vielmehr desselben; sie umarmen ihn gleichsam als einen Freund, als einen Boten Gottes, der sie hinüber bringt in ein besseres Land. – Allein wie vieles von dem, was ich von ihrer Liebe hörte, scheint mir höchst töricht! Sie glauben, ein Sohn des allerhöchsten Gottes sei vom Himmel gekommen, ihnen zu helfen – aber selbst hilflos am Kreuze gestorben. Dieses einzige allein wäre schon zurückschreckend genug. Denn das Kreuz, an dem bei uns die größten Übeltäter die Todesstrafe ausstehen müssen, ist einem rechtlichen Römer ein Gegenstand des Abscheues, ehrlos und entehrend, von allem Verächtlichen das Verächtlichste und ein Zeichen des Fluches!«

Er sann weiter nach und versank in Gedanken, aus denen er keinen Ausweg sah. »O Gott,« rief er endlich, indem er die Hände faltete und durch die Baumzweige zum Himmel aufblickte. »Du mir unbekanntes Wesen, der du das Menschenherz schufst, ihm Erbarmung einhauchtest und also gewiß nicht ohne Barmherzigkeit auf die Menschen, deine Geschöpfe, herabblickest, sieh meine Unwissenheit, meine Sündhaftigkeit und meinen Jammer und erbarme dich meiner! Der Hirsch sehnt sich ja nicht vergebens nach einer Wasserquelle! Für jedes Bedürfnis deiner Geschöpfe hast du weise und liebreich gesorgt. Sollte denn der Mensch mit seinem Durste nach Wahrheit, Tugend und Seligkeit allein leer ausgehen? Ach, gib mir zu erkennen, wohin ich mich wenden soll, da ich der Torheiten des Heidentums überdrüssig bin, und mir der Glaube an einen Helfer, den unsere Krieger hilflos am Kreuze sterben sahen, das widersinnigste von der Welt scheint!«

Indem er diese Worte sagte, hörte er in den Gesträuchen auf dem nahen Felsen ein Geräusch. Er sah auf und erblickte oben auf dem Felsen den großen Hirsch, den er so lange vergebens verfolgt hatte. Er stand auf und wollte schon nach Pfeil und Bogen greifen – da erschien ihm plötzlich über dem ausgebreiteten Geweih des Hirsches ein helles, glänzendes Kreuz, das von Strahlen umgeben war und ringsumher das tiefe Dunkel des Waldes gleich einer Sonne erleuchtete. Zu gleicher Zeit hörte er eine Stimme vom Himmel, die ihn mit unaussprechlicher Anmut und Lieblichkeit bei dem Namen nannte, den er bisher geführt hatte, und ihm zurief: »Plazidus, Plazidus!« Er fiel auf die Knie und rief erschrocken: »Herr, wer bist du?« Die Stimme antwortete: »Ich bin Christus, der am Kreuze gestorben ist, dich und alle Menschen selig zu machen.« Eustachius sprach: »Ach, Herr, was willst du, daß ich tun soll, damit ich selig werde?« Die Stimme sprach: »Geh hin in die nächste Stadt zu dem Bischofe der Christen; dort wirst du innewerden, was du tun sollest.«

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Die Erscheinung verschwand hierauf, gleich einem leuchtenden Blitz in der Finsternis, und Eustachius sah sich wie vorhin von dem Dunkel des Waldes umgeben. Er wußte nicht, ob das, was er gesehen und gehört hatte, außer ihm oder bloß in seinem Gemüte vorgegangen sei. Aber im Innersten seiner Seele war es Licht geworden. Es war ihm eine unbeschreibliche Seligkeit, zu denken, daß Gott sich der Menschen so liebreich annehme und auch ihn nicht vergessen habe. Es wäre ihm unmöglich gewesen, diesen Abend noch zu seinen Jagdgefährten zurückzukehren. Sein ganzes Herz war Erstaunen, Freude, Jubel, Dank und Anbetung. Er brannte vor Begierde, den Bischof der Christen aufzusuchen und zu sprechen. Da es aber für heute zu spät war, so blieb er an der abgelegenen Stelle des Waldes, die ihm nun eine geheiligte Stelle war und ihm der Vorhof des Himmels dünkte, wie einst dem Jakob jener Ort, wo er im Traume eine ähnliche Erscheinung gehabt und jene Leiter erblickt hatte, auf der die Engel auf und ab stiegen.


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