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8. Die zwei Krieger.

In dem friedlichen Tale, wo Eustachius inmitten seiner guten Landleute so zufrieden lebte, hatte er bereits fünfzehn Jahre zugebracht. Er wußte von dem, was in der übrigen Welt vorging, wenig oder nichts. Eines Abends nun, da die Schatten der Berge sich schon sehr weit in das Tal erstreckten, und er, die müden Ochsen mit dem umgestürzten Pfluge vor sich hertreibend, eben vom Acker zurück nach Hause kehren wollte, erblickte er in einiger Entfernung zwei Krieger, die auf das Dorf zugingen. Ihre glänzenden Helme, ihre bunte Kleidung und die blitzenden Lanzen, deren sie sich als Wanderstäbe bedienten, machten sie schon von weitem kenntlich. Eustachius, als ein Kriegsheld und ehemaliger Feldherr, erfreute sich dieses Anblickes und blieb stehen. Die zwei Krieger schritten auf ihn zu und Eustachius erkannte in ihnen mit nicht geringer Verwunderung seine ehemaligen Streitgenossen und getreuen Diener – Akazius und Antiochus. Sie erkannten ihn aber nicht; denn sein Angesicht war von der Sonne gebräunt und die schlechte, rauhe Kleidung eines ackernden Landmannes machten ihn noch unkenntlicher. Es fiel den ehrlichen Kriegern gar nicht ein, nur zu denken, der dürftig gekleidete Mann, der vor ihnen stand, sei ihr ehemaliger Gebieter und Feldherr.

Eustachius rief, indem er ihnen die Hand bot, mit großer Freundlichkeit: »Willkommen, meine Freunde. Was in aller Welt führt euch hierher in dieses Tal, wo seit vielen Jahren keine römische Kriegslanze geblinkt hat?«

Akazius sprach: »Sei auch du uns gegrüßt, du guter, freundlicher Bauersmann! Was aber unser Geschäft betrifft, so wollen wir, auf des Kaisers Befehl, den Feldherrn Plazidus in weiter Welt aufsuchen. Allein all unsere Mühe war bisher vergebens und wir werden am Ende wohl wenig Ehre davontragen, einen solchen Auftrag übernommen zu haben.«

Eustachius merkte, daß sie ihn nicht kannten und auch er wollte ihnen nun nicht sogleich sagen, daß er sie erkenne. Er wollte vorher innewerden, ob sie noch seine alten, treuen Freunde seien und warum der Kaiser, bei dem er in Ungnade war, ihn aufsuchen lasse. Er sagte also bloß: »Nun, nun, ihr findet diesen Plazidus vielleicht, ehe ihr denkt. Unverhofft kommt oft! Indes geht die Sonne bereits unter, und ihr seid müde von der Reise. Kommt mit mir und bleibt bei mir über Nacht. Ich mache mir eine wahre Freude daraus, euch zu bewirten.«

Die Soldaten ließen sich dieses nicht zweimal sagen; es war ihnen etwas Ungewohntes, daß man sie einlud, ins Quartier zu kommen. Sie gingen mit ihm in das Dorf. »Geht jetzt nur dort hinein,« sprach nun Eustachius, indem er mit dem Geißelstabe auf seine Wohnung zeigte; »ich komme sogleich nach. Ich muß nur erst für die müden Tiere da sorgen.«

»Dort hinein, in jene arme Hütte?« sagte Akazius bedenklich. »Seid Ihr denn nicht der Bauer von diesem Hofe da?«

»Nein,« sprach Eustachius, »ich bin eigentlich nur sein Tagwerker. Indes gebe ich euch mein Wort, ihr sollet mit der Bewirtung zufrieden sein.«

»Nun, wir wollen einmal sehen!« sagte Akazius, den Kopf schüttelnd, und ging die Anhöhe hinauf der Hütte zu und Antiochus folgte ihm.

Eustachius aber führte die Ochsen in den Stall, schüttelte ihnen Futter vor und sprach dann zu dem Bauer und der Bäuerin: »Ich habe da ein paar wackere Kriegsmänner angetroffen, die hier durchreisen wollten. Da lud ich sie denn ein, bei mir zu übernachten. Es geziemt sich daher doch wohl, daß ich ihnen ein anständiges Abendessen und einen Becher Wein vorsetze. Ich bitte euch, helft mir aus der Not. Ich bin bereit, alles, was sie genießen werden, mit diesen meinen zwei Händen durch verdoppelte Arbeit zu ersetzen.«

»Ei was, ersetzen!« sagte der Bauer; »das hast du längst hundertfältig verdient. Und überdies ist es ja unsere Christenpflicht, Fremde zu beherbergen.« Die Bäuerin sagte: »Zu gutem Glück habe ich von dem Hirsch, den du neulich erlegt hast, noch einen schönen großen Braten im Hause; den will ich sogleich zurichten. Wein aber will ich dir geben, so viel du willst, und zwar vom besten, den wir haben.« Sie eilte und brachte einen großen Krug Wein und Brot dazu.

Als Eustachius mit dem irdenen Kruge und dem Brote in die Hütte trat, hatten seine zwei Gäste es sich indessen bequem gemacht. Sie hatten Schwert und Helm abgelegt, die Lanzen in eine Ecke gelehnt und sich an den Tisch gesetzt. Eustachius füllte die hölzernen Becher mit Wein und sprach freundlich: »Erquickt euch indessen, bis das Abendessen bereitet ist, mit Brot und Wein.«

Akazius griff sogleich zu, trank und sagte: »Einen so guten Wein hätte ich in dieser Hütte nicht gesucht, und – die Wahrheit zu sagen – einen so guten Mann auch nicht.« Beide Krieger ließen sich den Wein wohl schmecken und wurden sehr fröhlich. Sie fingen nun an, von ihrem ehemaligen Feldherrn Plazidus zu reden. Akazius sagte: »Er ist der Mann, den wir von allen Menschen auf Erden am meisten schätzen. Wir haben unter ihm gedient. Doch will ich jetzt nicht davon reden, wie er im Felde zu befehlen und das Heer in Schlachtordnung zu stellen wußte, wie sein Angesicht, sein Blick unsern Mut entflammte; wie er zu siegen verstand und wie mild er gegen die Besiegten war; wie er auf gute Mannszucht hielt und dabei ein Freund und Vater der Soldaten war. Von solchen Dingen, mein guter, ehrlicher Landmann – nimm es mir nicht übel – verstehst du nichts. Allein ich wollte, du hättest ihn in seinem Hause und auf seinen Landgütern gesehen, wie er da die lautere Liebe und Güte war und doch dabei sein Ansehen zu behaupten wußte. Seinem Blicke entging nichts. Bei ihm traf es wohl recht zu: Das Auge des Hausherrn baut den Acker und vermehrt den Kühen die Milch. Reichere Felder und schöneres Vieh sah man nirgends. Doch, das ist das wenigste. Allein seine Ordnung unter dem Gesinde war musterhaft. Da zeigte es sich in der Tat: Wie der Herr, so der Knecht. Er hatte eine Auswahl von trefflichen Dienstleuten. Und du magst es uns nun glauben oder nicht, wir lebten mit diesem großen Manne unter einem Dache; wir waren glücklich, seine Diener zu sein und sein Vertrauen zu genießen. Obwohl wir nur gemeine Soldaten sind, so ging er dennoch mit uns um, wie ein Vater mit seinen Kindern, ja wie ein Bruder mit seinen Brüdern. Ach, ich könnte weinen, wenn ich jener glücklichen Zeit gedenke! Doch sie sind längst vorbei und seit dieser langen Zeit hatte ich keine so fröhliche Stunde mehr. Unser Herz brennt vor Verlangen, ihn wiederzusehen. Einen bessern Mann als ihn trägt wohl die Erde nicht!«

»Nun, nun, guter Freund,« sprach Eustachius lächelnd, »lob' ihn nur nicht gar so übermäßig. Ich denke, er ist um kein Haar besser als ich, und das will eben nicht viel sagen.«

»Um kein Haar besser als du?« rief Akazius mit Eifer. »Ehrlicher Bauer, du hast wirklich keine schlechte Meinung von dir selbst. Die schöne Tugend der Bescheidenheit übertreibst du eben nicht; indes bewundere ich deine Aufrichtigkeit. So ein guter Mann du übrigens sein magst – mit unserem Feldherrn, dem berühmten Plazidus, mußt du dich nicht vergleichen, sonst müßte ich in der Tat deinen Verstand sehr in Zweifel ziehen.«

Antiochus sprach, den Akazius unterbrechend: »Auch seine Gemahlin ist eine vortreffliche Frau und eines solchen Mannes ganz würdig. Und zwei Kinder hatten sie – o zwei schöne, holde Knaben! – voll Feuer und Leben. Der eine, mit seinen dichten, dunklen Locken, glich dem Vater; der andere, blond von Haaren, der Mutter. Die zwei Knaben möchte ich jetzt sehen; sie müssen indes zwei herrliche Männer geworden sein. Wir Soldaten sagten oft zueinander: Das gibt einmal zwei Helden trotz ihrem Vater; ja, wenn es möglich wäre, so würden sie ihn einst noch übertreffen.«

Eustachius, den der Anblick seiner ehemaligen Diener, und ihre Liebe zu ihm, ihre Treue und Anhänglichkeit schon sehr gerührt hatte, wurde jetzt, da sie ihn an die vergangenen glücklichen Tage, an seine teure Gemahlin und an seine lieben Kinder erinnerten, heftig erschüttert. Der Schmerz über das schreckliche Schicksal eines so guten Weibes, so lieber Kinder wurde mächtig in ihm erregt. Er konnte die Tränen, die mit Gewalt hervorbrechen wollten, kaum mehr zurückhalten. Er stand auf, sah durch das Fenster und sagte mit bebender Stimme: »Es ist während unseres Gespräches ziemlich dunkel geworden. Ich will Licht holen und nachsehen, ob das Abendessen noch nicht fertig ist.« In der Tat ging er aber nur hinaus, um sich draußen ungesehen satt zu weinen.

Als er hinausgegangen war, sagte Antiochus: »Du, Bruder, kommt es dir nicht auch so vor wie mir? Mir scheint es, daß dieser Mann unserm verehrten Feldherrn gleiche. Je länger ich den Mann betrachte, je ähnlicher schien er ihm. Auch die Stimme und die Aussprache dieses Mannes mahnte mich an Plazidus. Einige Male war es mir nicht anders, als sähe ich das Angesicht unsers ehemaligen geliebten Herrn wirklich vor Augen. Betrachte ihn, wenn er wieder hereinkommt, doch auch recht aufmerksam, ob er nicht derjenige sei, den wir suchen.«

Akazius sprach: »Was fällt dir ein! Bist du toll? Wie wäre es möglich, daß unser berühmter Feldherr einem Bauern als Knecht diene? Wie sollte er mit der Hand, die ehemals den Befehlshaberstab über römische Kriegsheere führte, die Geißel schwingen und hinter den Ochsen einhergehen? Ich gebe es zwar zu, daß sich in den Mienen und Gebärden dieses Bauers etwas Edles zeigt und daß er einige Ähnlichkeit mit Plazidus hat. Allein ich fürchte, unsere Begierde, unsern Feldherrn zu finden, und vielleicht auch der Wein, der uns den Kopf ein wenig erhitzte, spiegelt uns das so vor. Ich weiß jedoch ein sicheres Zeichen, woran Plazidus unfehlbar zu erkennen ist. Er wurde einst in der Schlacht, seitwärts am Halse, wo Helm und Panzer eine kleine Öffnung lassen, von einem feindlichen Spieße verwundet. Es war in der Tat kein leichter Ritz, sondern das scharfe Eisen war ziemlich tief eingedrungen. Die Wunde ward sehr gut geheilt; allein das Wundmal, das sie zurück ließ, blieb ihm beständig und er wird es wohl mit sich ins Grab nehmen. Werden wir nun, wenn unser gütiger Gastwirt wieder hereinkommt, das Wundmal an ihm bemerken, so dürfen wir nicht im geringsten zweifeln, er sei unser geliebter Feldherr.«

Eustachius kam mit der brennenden Lampe wieder herein, stellte sie auf den Tisch und neigte sich ein wenig über den Tisch, um den Docht der Lampe etwas weiter vorzuschieben. Die zwei Männer richteten ihre Blicke unverzüglich nach seinem Halse, den er nach Landessitte entblößt trug, erkannten deutlich das Wundmal – und sprangen beide zugleich, und von Erstaunen und Freude ganz außer sich, so heftig vom Tische auf, als wären sie plötzlich vom Wahnsinne ergriffen worden. Sie wußten nicht mehr, was sie taten. Sie weinten und jauchzten durcheinander, fielen ihm wechselweise um den Hals, benetzten ihn mit Tränen und erstickten ihn fast mit Küssen. Dann fielen sie ihm zu Füßen und baten ihn wegen dieser Vertraulichkeit, die sie in der Freude ihres Herzens sich erlaubt hatten, und die der ihm schuldigen Ehrfurcht zuwider sei, demütig um Verzeihung. Dann ergriffen sie wieder seine Hände, als fürchteten sie, was sie mit Augen sahen, sei nur ein Traum. »O du tapferer Held,« riefen sie, »du, unser Feldherr Plazidus, oder wie wir dich lieber nennen, du ehrwürdiger Eustachius, welcher Name dir in der Taufe gegeben wurde! Du unser Freund, unser Wohltäter, unser Vater! Sieh deine zwei geringen Diener hier zu deinen Füßen. Aber in welcher Gestalt müssen wir dich erblicken! Welch eine traurige Veränderung ist mit dir vorgegangen, seit du uns zum Siege führtest oder uns das Glück des Friedens auf deinem Landgute mit dir genießen ließest! Ach, so hat sich denn unter den vielen, die dir ihr Glück zu danken haben, keiner gefunden, der sich deiner im Elende angenommen hätte! Und wo ist Theopista, deine edle Gemahlin? Wo sind deine Söhne, der hoffnungsvolle Agapius und der holde, freundliche Theopistus? Warum lebst du so einsam und verlassen in dieser elenden Hütte? Ist dir von allem deinem Glücke, allen deinen Ehrenzeichen nichts übriggeblieben als dieses Wundmal? Ach, sage uns, sind wir auch wirklich bei Besinnung, oder betrügen uns unsere Sinne und haben wir denjenigen, den wir so sehnlich suchen, noch nicht gefunden?«

Eustachius, der edle, gefühlvolle Mann, dem schon lange die Tränen in den Augen standen, wurde jetzt, da er seine unvergeßliche Gemahlin und seine lieben Kinder mit Namen nennen hörte und deren schreckliches Schicksal den alten treuen Freunden erzählen sollte, von der Empfindung überwältigt. Er fing an, so herzlich zu weinen, daß ihm die reichlichen Tränen nicht nur die Wangen, sondern auch das Kleid benetzten. »Ach, meine Freunde,« sagte er, »ich habe euch traurige Geschichten zu erzählen. Meine zwei Söhne sind längst tot; beide wurden von wilden Tieren zerrissen. Meine Gemahlin wurde mir von einem Manne, der wohl grausamer war, als die wilden Tiere, geraubt und von ihm ermordet. Jawohl, einsam und verlassen, und wie ihr seht, in tiefer Betrübnis blieb ich allein zurück. Von dem Verluste zeitlicher Güter will ich gar nicht reden. Mag die Welt mich immerhin ein trauriges Denkmal ehemaliger Größe nennen; mag ich immerhin als ein lebendiger Zeuge von dem Unbestand alles Erdenglückes vor der Welt dastehen. Ich achte das nicht! Allein der Verlust meines lieben Weibes, meiner lieben Kinder verwundete mein Herz tief, und diese Wunde heilte nicht so schnell, als die Wunde, die jener feindliche Spieß mir versetzte. Sie blutet noch. Indessen war es so Gottes Wille. Sein heiliger Name sei gepriesen. Denn ich baue fest auf jenes Wort: ›Die Leiden dieser Zeit sind nicht wert der Herrlichkeit, die dort auf uns wartet.‹ Dort werden wir unsere Geliebten wiedersehen.«

Die getreuen Diener vernahmen das schauerliche Schicksal der holden Knaben und der edlen Frau mit Entsetzen, und von den Tränen des betrübten Vaters und Ehegatten noch mehr ergriffen, fingen sie an, so laut zu jammern, als würden die holden Kinder eben jetzt in diesem Augenblick von den wilden Tieren zerfleischt, und als sähen sie die blutige Leiche der Mutter, jener herrlichen Frau, mit Augen.

Die Leute in dem nahen Bauernhause hörten erst das Jauchzen und den Jubel der Freude und dann lautes Jammern und Klagen in der Hütte erschallen; der junge Bauer, die Bäuerin, der gute alte Vater kamen deshalb herüber, um zu sehen und zu hören, was da vorgehe. Eustachius sprach: »Diese braven Krieger sind alte treue Freunde und Hausgenossen von mir. Erst vor wenigen Augenblicken erkannten sie mich wieder und hatten darüber eine so große Freude; da ich ihnen aber den Tod meines lieben Weibes und meiner guten Kinder erzählte, brachen die guten treuen Seelen darüber in so großen Jammer aus.«

Die guten Landleute wurden sowohl von jener Freude als diesem Jammer bis zu Tränen gerührt. Da aber Akazius sah, daß die Leute mit dem Feldherrn so vertraut umgingen, als wäre er ihr Knecht, und daß es ihnen noch ganz unbekannt sei, was für eine hohe Würde er in der Welt bekleidet habe, sprach er: »Ihr wißt gar nicht, was für einen großen Mann ihr bisher in dieser schlechten Hütte beherbergt habt. Der Mann, der bei euch sein Stück Brot mühsam mit der Arbeit seiner Hände erwirbt, gab ehemals unzähligen Menschen ihren Lebensunterhalt. Er, der euch als Tagwerker dient, hatte ehemals über große Kriegsheere zu befehlen, und viele tausend tapfere Männer gehorchten seinem Winke. Euer kleines, unbekanntes Dorf, das ihr, glaube ich, Badyssus nennt, wird nach Jahrhunderten mit Ruhm genannt werden, weil er sich so lange da aufhielt. Denn derjenige, der hier vor euch steht, ist kein anderer, – als der ruhmvolle römische Feldherr Plazidus.«

Die guten Bauersleute hörten dieses mit Erstaunen an und traten ehrerbietig und etwas scheu zurück. Denn ein römischer Feldherr wurde damals geehrt wie ein Fürst. Allein Eustachius sagte: »Laßt das gut sein, meine lieben Freunde, und kehrt euch nicht daran. In dieser Welt müssen nach Gottes Anordnung freilich einige sein, die befehlen, und andere, die gehorchen. Auch ist es Gottes Schickung so, daß einige reich und andere arm sind. Allein es sei jemand Herr oder Knecht, arm oder reich, vor Gott macht dieses keinen Unterschied. Diese Welt gleicht einem Schauspiele, in dem einer den Feldherrn, der andere den gemeinen Soldaten, dieser den Bauern, jener den Knecht vorstellt. Wenn der Vorhang gefallen ist, sieht man nicht darauf, was einer vorgestellt, sondern wie er es vorgestellt habe, und der Bettler, der seine Sache gut machte, trägt einen größern Ruhm davon, als der Fürst, der sie nicht gut machte. Laßt uns darauf bedacht sein, damit einst, wenn diese Welt, gleich einem Schauspiele, enden, und der Herr kommen wird, zu richten – ein jeder von uns in seinem Berufe treu erfunden werde.«

Antiochus sprach: »Du warst deinem Berufe immer getreu, liebster Feldherr, seitdem du zum Christentume berufen wurdest, ja, seitdem wir dich kennen. Als du noch reich warst und im Ansehen standest, verwendetest du deine großen Reichtümer nur dazu, den Menschen, die in Not waren, zu helfen, und du bedientest dich deines Ansehens nur, die Unterdrückten zu erretten. Als die Stunde der Prüfung für dich gekommen war, opfertest du, ehe du Christus dem Herrn ungetreu geworden wärest, lieber die Gunst des Kaisers, deine Feldherrnstelle und deine ansehnlichen Landgüter willig auf und ertrugst es mit himmlischer Geduld, als das rohe Heidenvolk dein Haus plünderte, dir nach dem Leben trachtete und dich nötigte, aus dem Lande zu entfliehen. Die herrliche Erkenntnis Jesu Christi ging dir über alle Gunst, allen Glanz, Ruhm und Reichtum der Welt; aus Liebe zu Christus und um dessen treuer Jünger und Nachfolger zu bleiben, aßest du hier im Schweiße deines Angesichtes dein Brot und führtest ein stilles, verborgenes Leben.«

Die guten Landleute hörten mit Erstaunen und Rührung, was die beiden Krieger sagten. Der alte Bauer aber, dieser ehrwürdige Greis, sprach mit Tränen in den Augen zu Eustachius, indem er ihn bei der Hand nahm: »Edler Mann! In dieser langen Reihe von Jahren, in der du bei uns lebtest, hast du kein Wort von deiner hohen Würde und deinen großen Kriegstaten gesagt, und keine Klage über deine Verfolger ist über deine Lippen gekommen! Die Demut und Liebe Jesu Christi ist wahrhaft in deinem Herzen. Freue dich und frohlocke, daß du so verfolgt wurdest und so vieles leiden mußtest; denn sieh, dein Lohn im Himmel wird groß sein!«


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