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7. Der Taglöhner.

Eustachius und der junge Bauersmann Klitus gingen einige Zeit an dem Meere stillschweigend und in ihrem bekümmerten Herzen nur mit Gott redend auf und ab. Endlich sagte Klitus: »Es ist bereits Nacht. Ich habe in der Herberge für dich ein Nachtessen und ein Nachtlager bestellt, willst du nicht mit mir gehen?« Eustachius ging mit ihm; allein es war ihm jetzt weder um das Essen noch um das Schlafen zu tun. Klitus bezeigte ebensowenig Lust dazu. Sie gingen miteinander in das Gemach, das ihnen angewiesen wurde, und redeten noch vieles über diese traurige Begebenheit. Endlich sprach Klitus: »Hier in Ägypten ist für dich nichts mehr zu hoffen; was hast du nun weiter vor?«

»Daran habe ich noch nicht gedacht,« sprach Eustachius. »Es bleibt mir aber nichts übrig, als irgendeinen Winkel auf Erden aufzusuchen, um da zu trauern und zu sterben, wenn Gott nicht noch ein anderes über mich verfügen wird.«

»O so komm mit mir,« sagte Klitus. »Mein Haus und alles, was ich habe, steht dir zu Diensten. Du kannst meinem alten Vater, meinem Weibe und meinen Kindern keine größere Freude machen, als wenn du mit mir zurückkehrest und bei uns bleibest!«

Eustachius bedachte sich und sprach: »Nun wohl! Ich gehe mit dir. Ich will aber dir und den Deinigen nicht zur Last fallen und mein Brot nicht als Müßiggänger essen. Der Apostel sagt ja: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.« Ich will dein hartes Tagwerk mit dir teilen und dir helfen, das Feld bauen. Die Hand, die stark genug war, Schwert und Lanze zu führen, wird wohl nicht zu schwach sein, den Pflug zu lenken.«

»Nun, nun,« sagte der Landmann erfreut, »wir wollen sehen. Das wird sich geben. Komm du nur einmal mit mir. Wir wollen so vergnügt zusammen leben, wie die heiligen Engel Gottes im Himmel.«

Sie bestiegen am nächsten Morgen das Kamel und kehrten zurück. Sie kamen glücklich in dem Dorfe an und wurden von dem liebenswürdigen Greise, der guten Hausfrau und den Kindern mit Freude, aber auch mit Betrübnis über die traurigen Nachrichten, die sie brachten, aufgenommen. Da der gute Greis das Vorhaben des Eustachius vernahm, als Tagwerker das Feld zu bauen, schüttelte er sein graues Haupt. Eustachius aber bestand darauf. Nur eine Bedingung bat er sich aus. Hinter dem Wohnhause des Bauers war eine Anhöhe, auf der einige große schöne Palmbäume standen. »Dort,« sagte Eustachius und zeigte nach der Anhöhe, »zwischen jenen Bäumen wünschte ich eine eigene kleine Hütte zu haben, wo ich die Stunden, die ich nicht bei der Arbeit bin, in stiller Einsamkeit, in Gebet und Betrachtung zubringen könnte.«

Die guten Landleute versprachen, seinen Wunsch zu erfüllen. Sogleich am andern Morgen legten sie Hand an das Werk; Eustachius gab den Bau an und half dabei fleißig mit. Die Hütte kam bald zustande. Das Dach war nur mit Stroh gedeckt und ruhte auf rohen Baumstämmen. Die Wände waren von zähen Baumästen dicht geflochten und mit Moos ausgestopft. Die Wohnung hatte freilich ein sehr dürftiges Aussehen; indes gewährte sie nicht nur hinreichenden Schutz gegen den Regen, sondern in einem Lande, wo man nie eine Schneeflocke sieht, auch gegen Frost und Wind. Innen hatte sie bloß zwei Abteilungen. Die erste, in die man sogleich durch den Eingang kam, diente zum Wohnzimmer; die andere zur Schlafstätte.

In dieser armen Mooshütte mit dem Strohdache wohnte nun der Mann, dessen Wohnung ehemals ein prächtiger Palast gewesen. Er verlegte sich nun mit allem Ernste auf den Feldbau und brachte es nicht nur bald dahin, daß er ein Ackerfeld auf das beste bestellen konnte, er fand an dieser Beschäftigung auch Vergnügen. Er dachte wie jener römische Dichter, der den Mann selig preist, der fern von Welthändeln, wie die Menschen der Vorzeit, mit seinen Ochsen das Feld pflügt, genügsam und frei von Wucher und aller Geldgier. Er glich jenem großen Feldherrn Cincinnatus, der eben, als ihm die Abgesandten des römischen Senats die Feldherrnstelle antrugen, auch das Feld pflügte, vom Pfluge hinweg mächtige Kriegsheere zum Kampfe führte, nach erfochtenem Siege wieder zu dem Pfluge zurückkehrte und auf seinem väterlichen Boden, bei einfachen Sitten und ländlicher Kost, allen Reichtum und Glanz der Welt für nichts achtete.

In den Stunden, die Eustachius von der Feldarbeit übrig hatte, schuf er den freien Raum neben seiner Hütte zu einem Garten um, pflanzte Weinstöcke und Feigenbäume, baute Kohl, Bohnen und andere Gemüse und vorzüglich schöne und große Melonen. Zu Mittag speiste er gewöhnlich mit seinen guten Landleuten; oft sogleich draußen auf dem Felde. Er lagerte sich dann mit ihnen im Schatten irgend eines Baumes auf den Rasen, aß mit ihnen sehr vergnügt aus einer Schüssel und wünschte sich keine bessern Gerichte. Abends bereitete er sich seine mäßige Mahlzeit meistens selbst; er saß dann an dem kleinen Feuerherde, der in einer Ecke seiner Hütte angebracht war, und während der Topf mit Gemüse am Feuer stand, las er, um keinen Augenblick der Zeit unbenützt zu lassen, in dem Evangelium, den Briefen der Apostel oder in den Psalmen.

Nach der kleinen Mahlzeit setzte er sich gewöhnlich auf die hölzerne Bank, die er unter einem der Palmbäume aufgeschlagen hatte. Seine guten Landleute, der fromme Greis, der junge Bauer und dessen Eheweib, kamen dann zu ihm hinauf, setzten sich zu ihm, und während die Glut des Abendrotes erlosch und ein Stern nach dem andern aus dem tiefen Blau des Himmels hervorfunkelte, redete er mit ihnen von dem Glauben an Gott und Jesus Christus und von den Hoffnungen, die einst, wenn die Welt umher für uns in die Nacht der Todes versinkt, dort oben über den Sternen auf uns warten. Er sprach mit Entzücken von jenem himmlischen Augenblicke, da Christus dort im Walde sich ihm geoffenbart; er beteuerte öfter, daß er nur im Christentume volle Beruhigung gefunden und des ewigen Lebens gewiß geworden. Auch erzählte er ihnen noch manches aus seiner Lebensgeschichte, was für sie lehrreich und angenehm war. Sie nahmen aus seinen Erzählungen wohl ab, daß er zuvor vermöglich gewesen und bei dem Kriegsheere eben nicht die geringste Stelle begleitet hatte; allein davon, daß er der berühmte Feldherr Plazidus sei, sagte er ihnen aus Bescheidenheit kein Wort. Sie kannten ihn nur unter seinem christlichen Namen Eustachius.

Die Einwohner des Dorfes waren, außer den christlichen Bauersleuten, die ihn so liebreich aufgenommen hatten, beinahe alle noch Heiden. Allein Eustachius machte sich die größte Freude daraus, ihnen allen ohne Unterschied bei jeder Gelegenheit Gutes zu erweisen. Seine höhere Einsicht, seine Tugend, sein Mut setzten ihn in den Stand, ihnen mit Rat und Tat an die Hand zu gehen. Unter anderm wurden ihre Felder vielfältig nicht nur von Hirschen, sondern auch von ungeheuren, großen, gefährlichen und wilden Schweinen verheert; die reißenden Tiere der nahen Wildnis fielen nicht selten in die Herden ein und manches Rind wurde von einem Löwen zerrissen, manches Schaf von einem Wolfe geraubt. Denn damals, wo es noch keine Feuergewehre gab, war es, zumal für friedliche Bauersleute, nicht so leicht, sich der Raubtiere zu erwehren. Der tapfere Eustachius nahm ihre Felder und Herden gegen die wilden Tiere in Schutz und durchwachte manche finstere, stürmische Nacht auf freiem Felde. Als ein jagdkundiger Mann lehrte er die Männer, sich gegen die Tiere des Waldes bewaffnen und sie bekämpfen. Er war immer der Anführer der Jagd; vieles Wild, ja mancher Wolf, mancher Löwe wurde zur Erde hingestreckt, ohne daß je ein Mensch verletzt ward.

Die Männer hatten großes Zutrauen zu dem tapfern Manne. Der Adel seiner Seele, der ungeachtet der dürftigen Bauernkleidung, die er jetzt trug, aus seinem ganzen Betragen hervorleuchtete, flößte ihnen Ehrfurcht ein, und seine Menschenfreundlichkeit gewann aller Herzen. Wenn er nach vollbrachtem Tagwerk unter den Bäumen seiner Hütte saß, kamen fast mit jedem Abend mehr Männer – und auch Weiber und Kinder herbei, und horchten auf jedes Wort seines Mundes. Er sprach dann am liebsten von der Seligkeit eines wahren Christen. Es traf bei ihm, wie bei allen, die Jesum Christum wahrhaft erkennen, das Wort ein: »Ich glaube, darum rede ich.« Da seine Worte von Herzen kamen, so gingen sie auch wieder zu Herzen. Immer mehrere glaubten an Christus. Ein christlicher Priester, der, von den Heiden vertrieben, in das Tal kam, taufte sie und reichte ihnen das Brot des Lebens. Die Hütte des Eustachius diente dabei zur Kapelle. Als aber der Priester nach einigen Jahren wiederkam, mußte das heilige Abendmahl unter den Palmen vor der Hütte des Eustachius gehalten werden. Denn Eustachius hatte nunmehr die Freude erlebt, daß alle Einwohner des Dorfes sich zum Christentume bekannten, alle ein Herz und eine Seele waren und das liebliche Bild einer christlichen Gemeinde in der Wirklichkeit darstellten.


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