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2. Die Taufe.

Sobald die ersten Strahlen der Morgenröte hinter den düstern Lorbeergebüschen des nahen Felsen emporglänzten, bestieg Eustachius sein Pferd und machte sich auf den Weg nach Hause. Indem er so fortritt, hörte er die Jagdhörner und den Ruf seiner Jagdgenossen. Sie hatten ihn die Nacht hindurch nicht vermißt; denn eine jede Schar glaubte, er befinde sich bei einer andern. Als sie aber am Morgen alle zusammenkamen und ihn nicht erblickten, waren sie sehr besorgt, ob ihm nicht etwa ein Unfall begegnet sei. Sie begrüßten ihn daher, als sie ihn kommen sahen, mit freudigem Zuruf und begleiteten ihn frohlockend nach Hause.

Als er in seine Wohnung trat, kam ihm seine Gemahlin Trajana voll Freuden entgegen. Ihr Angesicht war wie verklärt. »Komm doch einen Augenblick mit mir,« sagte sie; »ich habe dir etwas zu sagen.« Sie führte ihn in das nächste Zimmer.

»Was ist dir?« sprach er. »Dir scheint etwas Außerordentliches begegnet zu sein. Du bist so gerührt und erfreut, als hättest du mir etwas besonders Erfreuliches und Wichtiges zu verkünden.«

»So ist es auch, mein Herr und Gemahl!« sagte sie. »Es scheint zwar, auch dir sei ein größeres Glück begegnet, als das Weidwerk dir gewähren konnte. Allein, höre zuerst mich an; das Herz ist mir zu voll, als daß ich nur einen Augenblick zögern könnte, dir meine Freude zu verkünden. Denn sieh, in der verflossenen Nacht lag ich schlaflos auf meinem Lager und dachte den Reden nach, die du eine Zeit her öfter mit mir geführt hast. Die Vorstellungen, die sich unser Volk von dem höchsten Wesen macht, beleidigten schon lange her mein sittliches Gefühl und schienen mir eitel und töricht; allein ich fürchtete mich doch, den Glauben, in dem ich aufgewachsen bin, sogleich aufzugeben und den Altären zu entsagen, an denen noch immer unser Kaiser und die angesehensten Männer opfern. Und dann – wohin sollte ich mich wenden? Ach, rief ich, wer gibt mir Licht in diesem Dunkel; wer führt mich zur Wahrheit, in der allein Heil ist! Unter diesen Gedanken schlief ich ein. Da sah ich im Traume einen Unbekannten voll göttlicher Hoheit und himmlischer Unmut aus einer lichten Wolke hervortreten, der freundlich zu mir sagte: »Du, dein Mann und deine Kinder werden morgen innewerden: ich sei es, der diejenigen, die mich lieben, zum Heile führt.« So sprach er – und ich erwachte. was hältst du nun von diesem Traume, liebster Gemahl?«

Eustachius rief hocherfreut: »Der Gott der Christen, der einzig wahre Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, sei gepriesen, daß er sich auch dir nicht unbezeugt ließ! Der Unbekannte, den du im Traume erblicktest, ist kein anderer, als Christus der Herr. Er hat sich auch meiner erbarmt und sich auch mir geoffenbart.« Eustachius erzählte ihr die Erscheinung, die er im Walde gehabt hatte, und während er redete, war es ihr nicht anders, als glänzte auf seinem Gesichte noch ein Widerschein von jenem himmlischen Lichte, das jenes glänzende Kreuz umgeben hatte.

Trajana hing an seinen Blicken und hörte ihm mit frommer Andacht und gefalteten Händen zu. »O wie schön,« sagte sie, »treffen die himmlische Erscheinung, die du sahest, und der Traum, den ich hatte, zusammen! Sie bestätigen sich so wechselweise als wahr. Ja, er, der Göttliche, den die Christen den Erlöser der Welt nennen, will uns und unsern Kindern ein höheres Heil bereiten, als diese Welt uns geben kann. Deswegen, liebster Gemahl, wird es, wie du auch finden wirst, das beste sein, es nicht zu verschieben, uns des angebotenen Heiles teilhaftig zu machen. Wir wollen uns nicht träg und saumselig finden lassen, das verheißene Kleinod zu erlangen. Heute noch wollen wir uns zu dem Bischofe begeben und vernehmen, was Christus der Herr durch den Mund dieses seines Dieners uns befehlen wird.«

»So sei es,« sprach Eustachius; »wir wollen unser Haus, das wir in der Stadt haben, beziehen und werden dann leicht Gelegenheit finden, den Bischof mehr als einmal zu sprechen.« Er ließ nun zwei vertraute Männer rufen, die als tapfere Krieger unter ihm den parthischen Krieg mitgemacht hatten, und die er, wegen ihrer besonderen Anhänglichkeit an ihn, als seine Diener in sein Haus aufgenommen hatte. Der eine hieß Akazius, der andere Antiochus. Sie waren beide die redlichsten Seelen und, was Eustachius gar wohl wußte, dem Christentume von ganzem Herzen ergeben. Eustachius erzählte ihnen, wie Christus sich ihm dort im Wald so wunderbar geoffenbaret habe.

Akazius schlug vor Freude die Hände zusammen und rief laut aus: »Gepriesen sei Gott, unser Vater im Himmel, und unser Herr und Heiland, Jesus Christus, daß nun auch du, lieber Feldherr, zur Erkenntnis der Wahrheit berufen wirst. Du warst, wie ich oft zu Antiochus und zu andern Christen sagte, bisher immer, besonders an Barmherzigkeit gegen die Armen, jenem Hauptmanne Kornelius ähnlich, der sich durch seine Wohltätigkeit das Wohlgefallen Gottes erworben, und durch einen heiligen Engel an den Apostel Petrus gewiesen worden. Auf ähnliche Art weist dich nun Christus selbst an unsern frommen Bischof Johannes. Gott sei gelobt und sein lieber Sohn, Jesus Christus!«

»Wohl,« sprach Eustachius, »so wollen wir uns denn in die Stadt begeben. Wählet von meinen Leuten solche zu meinem Gefolge aus, die entweder schon Christen sind, oder verdienen, es zu werden. In der Stadt müsset ihr aber dann sogleich zu dem Bischofe gehen, ihm bezeugen, daß ich nie ein Feind der Christen war, ihm erzählen, daß eine himmlische Erscheinung mich an ihn gewiesen habe, und ihn bitten, mir die Stunde zu bestimmen, in der ich, meine Gemahlin und meine zwei Söhne, vor ihm erscheinen dürfen.« Es wurden nun sogleich Anstalten zur Abreise gemacht, und nach einigen Stunden waren Eustachius, seine Gemahlin und Kinder und mehrere getreue Diener und Dienerinnen auf dem Wege zur Stadt.

Akazius und Antiochus gingen sogleich zu dem Bischofe, den sie längst von Angesicht kannten, und dem auch sie als treue Diener des Herrn längst bekannt waren. Sie berichteten ihm ihren Auftrag. Der Bischof freute sich sehr, lobte Gott und Jesus Christus und sprach dann: »Wir Christen werden in dieser Stadt sehr verfolgt. Leicht könnte ich euch, eurem Herrn, seiner Gemahlin und seinen Kindern Tod und Verderben zuziehen. Bei aller Einfalt der Tauben müssen wir nach dem Ausspruche unsers Herrn klug sein wie die Schlangen. Heute abend, sobald es dunkel geworden, werde ich mich in dem Hause eures Herrn einfinden.«

Die beiden Krieger brachten diese Nachricht ihrem Feldherrn. Er ward von der Willfährigkeit des frommen Bischofs sehr gerührt. Sobald die Sonne untergegangen und die Nacht angebrochen war, versammelte er all die Seinigen in dem großen Saale des Hauses, den er mit vielen Lichtern erleuchten ließ. Der Bischof kam mit zwei Diakonen. Eustachius eilte ihm entgegen und fiel ihm zu Füßen. Allein der Bischof hob ihn auf und sprach, wie einst Petrus zu Kornelius: »Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch wie du!« Der Bischof trat in den Saal. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. Er war ein ehrwürdiger Greis, Namens Johannes, voll Weisheit, Liebe und Demut. Er war noch ein Jünger der Apostel, ja vielleicht gar ein Jünger desjenigen unter den Aposteln, dessen Namen er trug, und den der Herr vorzüglich liebhatte. Der Anblick des ehrwürdigen, schönen Greises erfüllte alle im Saale mit Ehrfurcht; seine Milde und Freundlichkeit aber mit Liebe und dem herzlichsten Zutrauen.

Eustachius öffnete ihm nun sein ganzes Herz. Er erzählte von seinen Zweifeln und von der Unruhe seines Gewissens – und wie Christus der Herr ihn, nebst seiner Gemahlin und seinen Kindern, an den Bischof gewiesen habe. »Ach,« sagte er am Ende seiner Erzählung, »du siehst nun, wie Irrtum, Sünde und Elend bisher mein Erbteil waren; sag nun an, wie mir könne geholfen werden!«

Der Bischof sprach: »Irrtum, Sünde und Elend sind das Erbteil aller Sterblichen. Jeder Mensch, der in sich geht und sich selbst näher kennen lernt, fühlt einen Mangel, ein Gebrechen in sich, dem er selbst nicht abhelfen kann. Er ahnet es, daß mit dem ganzen Menschengeschlechte etwas vorgegangen sein müsse, das sein Inneres verfinsterte und zerrüttete, es von Gott entfernte und der Unwissenheit, der Sünde und dem Elende preisgab. Eben dieses ist nun das Erbgebrechen der menschlichen Natur. Jeder Mensch, der zur Besinnung gekommen, fühlt, daß es so sei, und gelangt bald zu der Überzeugung, dasjenige, was ihm fehle und abgehe, könne nur anderswoher ersetzt und ergänzt werden. Diesem Erbgebrechen der Menschen abzuhelfen, ist nun der Sohn Gottes in die Welt gekommen. Er ist das Licht, das unsere Finsternis erleuchtet und uns sichere Erkenntnis verschafft, nach der wir dürsten. Er ist das Heil und hat die Macht, uns unsere Sünden zu vergeben, die Bande, die uns an sie fesseln, zu zerbrechen und die Folgen der Sünden, die uns elend machen, zu tilgen. Er ist das Leben; er allein kann uns zu allem Guten beleben, er allein uns auf Erden schon etwas von jener Seligkeit kosten lassen, die er den Seinen im Himmel bereitet hat; er allein kann uns Mut verleihen, nicht nur die Leiden der Zeit männlich zu dulden, sondern selbst den Tod nicht zu scheuen, der dem Christen nichts ist als der Eingang in das ewige Leben. Gerade was uns fehlt, gibt er uns. Die Religion der Christen ist den Bedürfnissen der menschlichen Natur und den edleren Wünschen unseres Herzens genau angemessen. Das wird dir immer deutlicher werden, so wie du die göttliche Lehre Jesu Christi näher kennen lernen und befolgen wirst. Denn ein jeder, der seine Lehre kennt und befolgt, wird inne, daß sie von Gott sei.

»Ich weiß wohl,« sprach der Bischof weiter, »wie barmherzig du gegen die Armen warst, und wie du dich besonders der verfolgten Christen angenommen und viele dem angedrohten Tode entrissen hast. So hast du Christus dem Herrn gedient, ohne ihn zu kennen; jetzt sollst du erfahren, wem du gedient hast. Freilich mußte dir, als einem gebornen Römer, das Kreuz bisher ein Zeichen des Fluches sein; du sahest in ihm nichts, als das furchtbare Werkzeug, woran Übeltäter und Verbrecher die schmachvollste und schmerzlichste Todesstrafe leiden mußten. Allein seit Christus, der Unschuldigste und heiligste, aus freier Liebe, um uns Menschen zu retten, die Schmach und die Schmerzen des Todes am Kreuze duldete, ist uns das Kreuz ein Sinnbild des Höchsten und Besten, das wir uns denken können, der aufopfernden Liebe. Das Kreuz ist uns ein heiliges Zeichen unserer Erlösung; es fordert uns auf, unsern Erlöser, ihn, den Liebevollsten, wieder zu lieben – und ihm an aufopfernder Liebe, an Demut und Sanftmut zu gleichen. Er, der sich bis zum Tod am Kreuze erniedrigte, ward über alle Himmel erhoben und für alle Menschen, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heiles. Und deshalb ward auch dir, dem das Kreuz in himmlischem Glanze erschien, eben dadurch sehr schön und sinnvoll angedeutet: Im Kreuze sei Heil!«

Der Bischof kam, eingedenk der Worte des Herrn: »Erst lehret, dann taufet sie!« nunmehr an jedem Abend in das Haus des Eustachius. Alle im Hause freuten sich auf diese Stunde und versammelten sich in dem Saale um ihn. Er fing den Unterricht jedesmal mit einem lauten, innigen Gebete an, das alle seine Zuhörer in die Gegenwart Gottes versetzte. Er lehrte sie dann mit ruhiger Weisheit, voll Milde und Anmut. Er beschloß den Unterricht mit Gebet – und ermahnte alle, täglich, ja stündlich zu beten, und mit dem Gebet auch Fasten und Almosengeben zu vereinen. Sie taten es; sie warteten mit Sehnsucht auf den Tag, an dem sie durch die Taufe zu Christen sollten eingeweiht, von Sünden gereinigt und mit dem heiligen Geiste erfüllt werden. Der Tag kam; mehrere Christen versammelten sich als Taufzeugen. Es war eine rührende, feierliche Handlung, da Eustachius, seine Gemahlin und auch die zwei kleinen Söhne ihren Glauben an Jesum Christum bekannten, allen Irrtümern und Sünden entsagten und rein und heilig zu leben angelobten. Der Bischof taufte sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Auch jene Sklaven und Sklavinnen, die Eustachius mit in die Stadt gebracht hatte, und die bisher noch keine Christen gewesen, ließen sich taufen. Der Bischof gab ihnen in der Taufe auch neue Namen. Eustachius, der bisher unter dem Namen Plazidus weit und breit berühmt war, erhielt erst jetzt bei seiner Taufe den Namen Eustachius; seine Gemahlin den Namen Theopista; der ältere Knabe wurde Agapius, der jüngere Theopistus genannt.

Der Bischof führte an dem folgenden Sonntage den Eustachius und dessen Gemahlin Theopista in die Versammlung der Christen ein und stellte sie der christlichen Gemeinde vor. Alle freuten sich, den edlen Mann und die fromme Frau, von denen sie schon vieles gehört hatten, zu sehen, und begrüßten sie mit liebevollen Blicken. Sie stimmten einen Lobgesang an und dankten Gott und seinem Sohne Jesus Christus, daß die Gemeinde der Christen abermals mit solchen vermehrt worden, die zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen und dem Verderben entrissen worden. Mit tiefer Anbetung und freudiger Rührung wurde das heilige Abendmahl gefeiert. Alle gelobten, indem sie sich so mit ihrem göttlichen Erlöser auf das innigste vereinigten, heilig an, dem zu leben, der für sie gestorben war. Heilige, ehrfurchtsvolle Stille herrschte in dem Saale, bis endlich die heilige Handlung mit lautem Gebete und einem Lobgesang beschlossen wurde.

Da Eustachius am Tage darauf wegen dringender Geschäfte wieder auf sein Landgut abreisen mußte, so sprach der Bischof noch: »Wir leben in den Zeiten der Verfolgung; wir sind keine Stunde sicher, ergriffen, enthauptet, den wilden Tieren vorgeworfen oder verbrannt zu werden. Wir können es nicht wissen, ob wir uns in dieser Welt noch einmal von Angesicht sehen werben. Und so empfehle ich euch denn, wie einst Paulus die Ältesten und die Gemeinde von Ephesus, Gott und seiner Gnade!« Der Bischof kniete hierauf innigst gerührt nieder, und die ganze Versammlung, in Tränen ausbrechend, mit ihm.

»O Gott!« betete er, »erbarme dich unser und verleihe, daß alle hier Versammelten mit dir und dem, den du gesandt hast, und auch untereinander eines bleiben mögen; daß alle im Glauben und in der Liebe standhaft verharren und sich durch keine Verfolgung von dem guten Wege abwendig machen lassen; daß keines von allen verloren gehe, sondern daß wir alle nach den kurzen Leiden und Trübsalen dieser Zeit uns dort in dem Reiche deiner Herrlichkeit finden mögen. Ja, liebster Vater, dieses verleihe uns, durch Jesum Christum, deinen Sohn, Amen.«

Der Bischof stand auf und sagte im Geiste der Weissagung dem Eustachius noch besonders: »Bisher hattest du alles, was die Menschen gewöhnlich das größte Glück des Lebens nennen: Reichtum, Rang, Ruhm, eine liebenswürdige Gemahlin, hoffnungsvolle, wohlgestaltete Kinder; allein du wirst es auch erfahren müssen, was das menschliche Leben Bitteres habe. Verzage aber nicht im Leiden. Gott prüft alle, die er liebhat. Die Leiden, mit denen Gott dich heimsuchen wird, werden zwar auf Erden schon herrlich enden; allein größere werden folgen. Es wird an dir der Spruch erfüllt werden: Selig ist der Mann, der in der Prüfung aushält; denn wenn er bewährt gefunden worden, wird er die Krone des Lebens erlangen, die Gott denen verheißen hat, die ihn lieben.«

Der Bischof entließ hierauf Eustachius und dessen Gemahlin und alle, die mit ihnen gekommen waren, und sprach: »Geht hin und der Friede sei mit euch!«


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